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Den materiellen Schaden durch den schmutzigen US-amerikanischen Krieg beziffert Kuba auf 86 Milliarden Dollar (seit 1960). Trotz allem gedeiht die sozialistische Republik gerade dort am besten, wo die Vereinigten Staaten am wenigsten zu bieten haben. Die Menschen in Kuba wirken auf alle Besucher der Insel verdächtig ausgeglichen, ja glücklich – ohne den verquälten Frust der nordamerikanischen »consumer«, ohne deren Haß- und Schießexzesse. Ein Kubaner wird nicht als »looser« oder »winner« klassifiziert; er kann sich gelassen zu den eigenen Schwächen bekennen und zu den öffentlichen, die es auch in Kuba gibt. Die kubanische Gesundheitsfürsorge hat provozierenden Erfolg: Da sterben weniger Kinder als in den USA (lt. UN-Bericht in Kuba sechs, in den USA sieben von 1000), und die Aids-Rate ist eine der niedrigsten weltweit. Schul- und Berufsausbildung sind breiter und gleichmäßiger verteilt – und dies vor der Tür der »leading power« dieses Planeten. Doch Washington verfügt über eine beachtliche Trickkiste, um US-Bürger vor kubanischen Tendenzen zu bewahren. So wurde erst kürzlich dem Dokumentarfilmer Michael Moore (»Bowling for Columbine«, »Fahrenheit 9/11«) ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Embargogesetze angehängt. Er war im Februar mit zehn Patienten, die bei Rettungsarbeiten nach dem Angriff auf das World Trade Center erkrankt waren, zur Behandlung nach Kuba geflogen, obwohl ihm das Finanzministerium in Washington keine Reisegenehmigung erteilt hatte. Moore war dabei, seinen Film »Sicko« fertigzustellen, der sich mit der Misere des US-Gesundheitssystems befaßt (Cannes 2007). Kaum war das Verfahren eingeleitet, folgte die Vorverurteilung: »Ich erwarte nicht, daß Moore die Wahrheit über Kuba oder das Gesundheitswesen erzählt«, sagte der zuständige Abteilungsleiter des Finanzinisteriums, Dale Thompson, und verwies auf »Moores Talent für clevere Lügen«. Der Beamte kann sich auf das Helms-Burton-Gesetz von 1996 stützen, das die seit 1960 bestehenden und vielfach ergänzten Boykottmaßnahmen gegen die Insel bis hin zum Reiseverbot verschärfte. Präsident George W. Bush verlängerte 2003 diese Bestimmungen ungeachtet einer Resolution der UN-Vollversammlung, die im November 2000 mit 167 Ja-Stimmen bei drei Gegenstimmen (USA, Israel, Marschall-Inseln) und vier Enthaltungen das Embargo verurteilt hatte. Damit bewegte sich Bush noch auf dem weiten Boden US-amerikanischer Legalität – wie auch die Richterin Kathleen Cardone (Bundesgericht von El Paso/Texas), die am 9. Mai den Kubaner Luis Posada Carriles, CIA-Agent seit 1961, vom Vorwurf illegalen Aufenthaltes in den USA freigesprochen hat. Seit Jahrzehnten verlangen mehrere lateinamerikanische Länder die Auslieferung dieses US-Söldners wegen vielfachen Mordes, Folter und Terrorismus. Auf sein Schuldkonto gehen unter anderem die Sprengung eines kubanischen Verkehrsflugzeugs, die 73 Menschen das Leben kostete und Sprengstoffattentate auf kubanische Hotels in den 80er Jahren. Noch weniger legal nehmen sich die Aktivitäten tief gestaffelter Spezialtruppen aus, die für das geschult werden, was Bush als »Cuba transition« oder »liberation« bezeichnet. Für Bush wie auch für seine Außenministerin steht nämlich fest, daß es mit dem kubanischen Sozialismus bald eine Ende hat und daß nach dem alten, geschwächten »Diktator« alles wieder »sauber« wird, wenn man nur ein bißchen nachhilft. Möglichst sofort, um das lädierte Image des Präsidenten vor seinem Abgang aufzupolieren. Die »leading nation« will sich die vorgesehene Rekolonialisierung Kubas viel, ja sehr viel kosten lassen. Nach kubanischen Hochrechnungen sind seit zwei Jahren rund 270 Millionen Dollar dem hehren Zweck zugeflossen. Beteiligt an der antikubanischen Offensive sind zunächst die Chefkoordinatoren der beiden Bereiche Wirtschaftsembargo, Geheimaktionen und Propaganda, Caleb McCarry und Staatssekretär Thomas Shannon. McCarry, Drahtzieher des Putschs gegen die frei gewählte Regierung von Haiti im Februar 2004, wurde am 30. April von Studenten aus der Dubliner Universität vertrieben, als er seine über acht europäische Länder ausgedehnte Verleumdungskampagne auch dem politisch sensiblen irischen University College zumuten wollte. In den Tagen zuvor hatte McCarry an »Kubakonferenzen« in Berlin teilgenommen – nach Darstellung der kubanischen Tageszeitung Granma auch als Mitfinanzier. Laut US-Botschaft »briefte« er in Berlin »eine kleine Anzahl deutscher Journalisten«. Wir können uns in etwa vorstellen, welcher »Broderschaft« solche Zuwendung zuteil wurde, wollen aber nicht unterstellen, daß sie etwa aus der Brieftasche »gebrieft« wurden. Auffallend viele Versuche, auf Kuba einzuwirken, laufen über Hilfsorganisationen (beispielsweise USAID) und sogenannte Nichtregierunsorganisationen, letztere meist aus osteuropäischen Ländern. Besondere Aufmerksamkeit widmet McCarry der tschechischen Organisation People in Need (Menschen in Not). Ihr sollen lt. Granma 200.000 Dollar zugeflossen sein, der spanischen Zeitschrift Encuentro de la Cultura Cubana (Treffpunkt kubanische Kultur) sogar 771.000. Solche Weitherzigkeit aktivierte sogar den obersten US-Rechnungshof, der Ende vergangenen Jahres Auskunft über den Verbleib von 65,4 Millionen Dollar für USAID verlangte. Die trojanischen Pferde vermehren sich: Rice und der kubanische US-Millionär Carlos Gutiérrez präsidieren einer »Kommission für die Schaffung eines freien Kuba« und überlegen angestrengt, wer Fidel Castro ablösen soll. Neulich kündigte das State Department die Gründung einer »Gesellschaft der Freundesnationen eines demokratischen Kuba« an. Bruderherz Jeb Bush, Gouverneur des von vielen Exilkubanern bewohnen US-Bundesstaats Florida, schart gern Vertreter Osteuropas um sich und verschreibt der »Cuba transition« das »osteuropäische Modell«. Darüber wachen neben Rice die Unterstaatssekretärin Kirsten Madison und der Lateinamerika-Chef im Nationalen Sicherheitsrat, Dan Fisk. Auf einer noch weniger einsehbaren Ebene springen auch diejenigen bei, für die Kuba »befreit« werden muß: die Exponenten der »freien Wirtschaft«. Die Zuckerinsel wandelt sich bekanntlich zur Ölinsel – dank der Ölfunde östlich von Havanna und der zunehmenden technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Venezuela. Und die von Kuba, Bolivien und Venezuela initiierte »Bolivarianische Alternative der Amerikas« (ALBA, d. h. Morgenröte) verspricht ein solides, solidarisches System gegenseitigen Güteraustauschs, dem sich weitere Länder anschließen wollen. Für die von den USA angestrebte Freihandelszone ALCA ist das nicht nur eine ökonomische, sondern vor allem eine ideologische Herausforderung, da doch ALBA eine ketzerische Sozialordnung anstrebt. Doch gegen solche Anfechtungen ist die »freie Welt« längst schon gefeit – ein Beispiel: Im April und Mai wurde in Österreich die Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG), ein mit Arbeitergeldern gegründetes Geldinstitut des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Eigner der Postsparkasse und seit Jahren hoch verschuldet durch krasse Fehlspekulationen (ausgerechnet in der Karibik), auf Geheiß des ÖGB an den Meistbietenden verkauft. Am meisten bot eine amerikanische Heuschrecke mit dem Namen des dreiköpfigen Höllenhundes Cerberus. Nomen est omen. Gerade dabei, Chrysler zu schlucken, hätte sich Cerberus im Februar beinahe auch die Landesbank Berlin geschnappt. Der Höllenhund hatte nämlich beste Erfahrungen mit SPD und Linkspartei gemacht, als er sich vor drei Jahren 66.000 Berliner Wohnungen der vormals kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GSW genehmigte. Kaum war aber der Wiener Deal perfekt, als etwa 100 kubanischen Kontoinhaber erfuhren, daß ihre Konten bei der BAWAG gekündigt seien, auch diejenigen von Unternehmen, die Beziehungen zum Iran, weiteren elf »Schurkenstaaten« und 3.500 indizierten Personen unterhielten. Nach vehementen öffentlichen und privaten Protesten, Kontenkündigungen Tausender Bankkunden und einer selten intensiven Grundsatzdebatte, wie man sie sich in Deutschland längst nicht mehr vorstellen kann, rechtfertigte sich die Bank mit Hinweisen auf die Bestimmungen des Helms-Burton-Act, die von dem neuen US-amerikanischen Eigentümer Cerberus zu beachten seien. Ein Verwaltungsstrafverfahren, angestrengt von Außenministerin Ursula Plasnik, ein weiteres von Seiten der EU sowie Privatklagen zeigten alsbald Wirkung. Stühle wurden geräumt; eine »Ausnahmeregelung« des Office of Foreign Asset Control (Amt für Kontrolle ausländischen Eigentums – ja, Bush hat so was) war flugs zur Hand und damit kubanische Kundschaft wieder willkommen. Hintergrund des raschen Sinneswandels: Die Führung einer Bank mit gewerkschaftlicher Herkunft und gewerkschaftlicher Oberaufsicht hatte in eigener, vorauseilender, Initiative kubanische Bürger diskriminiert und geschädigt. Ein Erfolg der systematischen Brunnenvergiftung durch den amerikanischen Diffamierungs- und Desinformationsapparat, ein Resultat auch der Hilfsdienste unserer weitgehend gleichgeschalteten öffentlichen und privaten Medien. Da kann der Cerberus nur lächeln, auch sein Vorstandschef John Snow, früherer Wirtschaftsminister Bushs, und erst recht seine Aktionäre, darunter laut Business Week Ronald Rumsfeld,bis 2006 Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten.
Erschienen in Ossietzky 12/2007 |
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