Serviceparadies Deutschland

Matthias Biskupek   

Manchmal muß ich an jene überwundenen Zeiten denken, als man von mißgelaunten Mitarbeitern telefonisch oder ganz real angeblafft wurde: Ich kann nichts dafür, wenn Sie zu blöd sind! In jenem Deutschlandteil, das eine Eingaben-Verordnung kannte (manche benannten diesen Teil DDR), wurde man sogar unablässig mit Schreiben traktiert, die im Auftrag eines Vorsitzenden eines Rates eines Kreises abgefaßt worden waren und Änderung der Zustände mit Auslaufen drittes Quartals 2007 versprachen.

Heute erklärt mir eine fröhliche Telefonstimme, die mich ohne mein Zutun anruft, daß ich gewiß noch schneller und besser meine elektronischen Geschäfte abwickeln möchte und deshalb sofort einen Vertrag mit dem RUMBUVV-team eingehen könne. Alles andere bekäme ich auf modernen, computergestützten Wegen.

Ich habe dem RUMBUVV-team (»Rundmails besser & vielfältiger versenden«) nicht ausdrücklich widersprochen.

In diese ungeschützte Flanke hinein stießen die fröhlichen Telefonstimmenimitatoren. Allerdings wurde dafür auch die lediglich symbolische Summe von 0,99 Euro von meinem Konto abgebucht. Monatlich, dann wöchentlich, später, nach Vertragslage angepaßt, alle fünf Tage. Meine Kontonummer hatten sie nach ausdrücklicher Zustimmung durch das meine Interessen allzeit vertretende Bankhaus (auf die in einem Rechtsstaat übliche Weise durch finanzielle Zuwendungen) erworben.

Da ich nach ein paar Wochen nicht mehr wußte, wofür ich diese lächerliche Summe zahlte, fragte ich bei info@Ihrrundumfröhlichesrumbuvvteam.com nach. Sogleich kam von A.Müller@Ihrfröhlichesrumbuffteam.com die Antwort. Leider habe man meine körperliche (!) Adresse nicht finden können, denn die Vater- & Muttergesellschaft Tölekomm AG könne, technisch bedingt, noch nicht auf dem letzten Stand sein, so daß die versprochene Hochgeschwindigkeitstrassenflatrate bislang nur teilwirksam werden konnte. Doch alles sei in Arbeit.

Ein halbes Jahr später fragte ich wieder nach. Diesmal antwortete mir B.Müller@Ihrallzeitfröhlichesrumbuvvrundumteam.kommcom, daß ich längst als endversorgt gälte, aber spätestens nach einem Vierundzwanzigstundenrundumsorgloszeitraum alles zu meiner Zufriedenheit geklärt sein sollte.

Im nächsten Jahr hatte ich, wie in diesem unserem Lande allgemein üblich, nicht ganz so hohe Einkünfte. Mir fielen die nun im Dreitagesrhythmus abgebuchten lächerlichen Beträge von 0,9999 Euro wieder auf. Ich bat also an der servicehotline@Ihrallzeitsorglosfröhlichesrumbuvvteam.comdochbitte um Stornierung meines Vertrages. Bereits eine Minute später erhielt ich von C. Müller eine ausführliche, sehr höfliche Mail, daß mein berechtigter Wunsch derzeit leider noch nicht realisierbar sei, ich aber zur Verbesserung meiner allgemeinen Empfängniseigenschaften einen Vertrag abschließen könne, der für die nachgerade verschwindend geringe Summe von 9,99 Euro, abzubuchen im von mir selbst bestimmten Rhythmus, ein Rundumsorglosglücklichpaket enthalte, das, meine Zustimmung gegebenenfalls voraussetzend, ab sofort in Kraft trete.

Ich tat jetzt etwas überaus Unüberlegtes. Ich ließ die nunmehr alle drei Stunden abgebuchten, verschwindend geringen Beträge rückbuchen. Das ist der Kardinalfehler im Wirtschaftskreislauf unseres Serviceparadieses Deutschland. Mit Zustellurkunde (eine ganz altertümliche Form von Rechtsgeschäften) erhielt ich von der Anwaltsbürogemeinschaft »Rundum & Sorglos« ein auf Papier ausgefertigtes Schreiben, daß man sich herzlich für mein Vertrauen bedanke, die stornierten Gebühren, einschließlich Rück-, Widerrufs-, Mahn-, und Auflaufgebühren zu Gunsten der vertretenen Gesellschaft RUMBUVV-tammtamm vom ortsüblich & amtlich festgestellten Nießbrauch einziehen werde. Zugleich bot man mir einen weiterführenden Vertrag zu noch günstigeren Konditionen an (99,99 Euro), womit meine bisherigen Schulden in voller Höhe in einem überaus günstigen Kreditrahmen übernommen würden.

Der maschinell erstellte Brief trug wegen der mit Dr. Schäuble (Minister für Inneres der Bundesrepublik Deutschland) vertraglich vereinbarten Entbürokratisierung keine Unterschrift.

Ich hielt nun sehr stille und erhielt wieder Mails. Von D. Müller bis vorerst Y. Müller. Leider ist mein Computer inzwischen zwangsversteigert, meine Wohnung zwangsgeräumt. Mein Leben verläuft in einem sehr engen, praktisch und formschön vergitterten Rahmen. Somit bin ich derzeit weder in der Lage, zu erkunden, ob auf Z. Müller die MitarbeiterIn Ä. Müller folgt, noch welche Fortschritte das Serviceparadies Deutschland im rundum glücklichen Weltmaßstab soeben anzutreten im Begriffe ist ....

Erschienen in Ossietzky 12/2007