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Jahrestag der Gründung der Schaubühne ein Gerlach-Porträt beigetragen hatte –, Ludwig Elm, Karl Holl, Für Carl von Ossietzky, auch wenn er nicht immer mit ihm übereinstimmte, war der wesentlich ältere Gerlach, der sein Vater hätte sein können, einer der wenigen, an denen er sich respektvoll orientierte. Als er 1932 die Haftstrafe antrat, zu der ihn das Reichsgericht auf Betreiben der Militärführung in einem Geheimprozeß verurteilt hatte, bat er ihn, die politische Leitung der Weltbühne zu übernehmen, denn Gerlach, so schrieb er den Lesern des Blattes, gebe »die Garantie, daß an der Haltung der Weltbühne nichts geändert wird«. Nach dem Reichstagsbrand flüchtete Gerlach nach Paris und bemühte sich von dort aus beharrlich um Ossietzkys Freilassung aus dem KZ. In einem Brief an das Nobelpreis-Komitee rühmte er Ossietzkys Kampf um Wahrheit und Recht als wichtigsten Beitrag zum Frieden – »für diesen Kampf hat er unendlich schwer leiden müssen«. Am Tage seines Todes noch, dem 1. August 1935, traf sich Gerlach mit entlassenen Mithäftlingen Ossietzkys, um Informationen zu erlangen, die für die Nobelpreis-Kampagne, also für die Aufklärung der Weltöffentlichkeit über die verbrecherische Politik des vielbejubelten Hitler und für den Aufbau eines breiten antifaschistischen Bündnisses brauchbar sein konnten. Als ich von der Tagung – deren Referate im Herbst in Buchform erscheinen werden – ins Ossietzky-Redaktionsbüro zurückkehrte, fand ich im Posteingang eine Sendung von Michael Quettling. Den Namen kannte ich nicht. Der Umschlag enthielt eine Broschüre über Milly Zirker, in deren Armen Gerlach gestorben war. Ich begann sofort zu lesen, denn ich spürte: Hier lag die Antwort auf eine Frage, die auf der Tagung wiederholt gestellt worden war: Gab es eine Von seiner Mutter hatte Quettling einst gehört, als Kind habe sie Milly Zirker, eine entfernte Verwandte, nie leiden mögen, »weil sie den Kommunisten nahestand«. Sein Interesse an Gerlachs Mitstreiterin entzündete sich später, als er las, wie Hitler auf die Ehrung Ossietzkys mit dem Friedensnobelpreis reagiert hatte: mit einem Gesetz, das jedem Deutschen für alle künftigen Zeiten verbot, einen Nobelpreis anzunehmen. Milly Zirker hatte entscheidenden Anteil am Erfolg der Nobelpreis-Kampagne gehabt. Es gibt viele Gründe, dieser Frau zu gedenken, die seit Anfang der 1920er Jahre an den politischen Aktivitäten Gerlachs und Ossietzkys beteiligt war und beider unbedingtes Vertrauen hatte. Meist agierte sie bescheiden im Hintergrund und machte sich vielfach als Übersetzerin oder Stenografin nützlich. Wie klug, wie vielseitig, wie engagiert sie war, läßt sich ihren vielen Artikeln in der Weltbühne entnehmen, die meist nicht unter ihrem Namen erschienen. Ihr Pseudonym war Johannes Bückler, der Geburtsname des »Schinderhannes«. Sie schrieb gegen Militarismus und Aufrüstung, aber auch über soziale Themen. Bezeichnend ist, daß sie noch im Alter besonders stolz auf einen Artikel blieb, in dem sie sich 1930 mit den Ursachen eines schweren Grubenunglücks in Alsdorf im Aachener Revier beschäftigt hatte. Die Grubenleitung fand das Unglück, das 260 Bergleuten das Leben kostete, unerklärlich: Die Fachwelt stehe vor einem Rätsel. Milly Zirker erfuhr, daß die KPD das Unglück lange vorhergesagt, daß der Betriebsrat die Chefs auf die Gefahren aufmerksam gemacht hatte – und prompt mit Entlassung bedroht worden war. Hauptberuflich arbeitete sie in der Redaktion des Berliner 8-Uhr-Abendblattes, bevor sie, selber auch wegen ihrer jüdischen Herkunft bedroht, mit Gerlach ins Exil ging. Später rettete sie sich nach Mexiko und lebte zuletzt ärmlich in den USA. Quettlings liebevoll zusammengetragene Informationen werden in den Gerlach-Tagungsband einfließen. Die Broschüre ist für fünf Euro beim Verfasser (Michael@Quetting.de) zu erwerben. Zum Verhältnis Gerlachs und Ossietzkys zueinander sei noch dies erwähnt: Anfang der 1920er Jahre war in der von beiden mitgegründeten Deutschen Friedensgesellschaft umstritten, ob man die sofortige, vollständige Abschaffung der Reichswehr fordern solle. Gerlach hatte die Forderung abgelehnt. 1932 schrieb er in der Weltbühne, seine Gegner von damals – Ossietzky hatte zu ihnen gehört – hätten recht gehabt. Am Schluß seines gründlich argumentierenden Artikels liest man: »Wie blühendste Utopie muß es klingen, wenn man bei den heutigen Machtverhältnissen die Forderung der Abschaffung der Reichswehr erhebt. Aber um des Gewissens willen muß diese Forderung grade jetzt aufgestellt werden. (…) Seit zwölf Jahren wird eine Republikanisierung der Reichswehr verlangt. Statt ihrer ist eine Militarisierung der Republik eingetreten. Dem Übel muß man an die Wurzel gehen. Die Wurzel ist die Reichswehr.«
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Der Letzte von damals Der Nachruhm der Weltbühne ist verdientermaßen groß. Die Redaktion war klein. Neben dem Chefredakteur (einem kleinen Mann, von dem das sympathische Denkmal an der Ossietzkystraße in Berlin-Pankow eine realistische Vorstellung gibt) gehörte ihr von 1928 bis 1933 der junge Kulturredakteur Rudolf Arnheim an, der nebenher bei Tageszeitungen Geld verdiente. Und Fräulein Hünicke, die unentbehrliche Sekretärin. Hinzu kam als Redaktionsassistent Walther Karsch, später Herausgeber des Tagesspiegel. Zu Kurt Tucholsky bestand brieflicher Kontakt. An Rudolf Arnheim haben wir anläßlich seines 100. Geburtstags ausführlich erinnert (»Für Ossietzky wie ein Sohn« in Heft 14/04). An seinem Alterssitz in Ann Arbor im US-Bundesstaat Michigan ist er jetzt, fast 103 Jahre alt, gestorben. Wer Weltbühne-Hefte aus jener Zeit oder eines der im Geburtstagsglückwunsch erwähnten Arnheim-Bücher besitzt oder wer Arnheim-Texte aus dem Internet zu holen versteht, lese jetzt ein paar Seiten von ihm (zum Beispiel was er in der bilderlosen Zeitschrift über die Bilderwelt schrieb). Es tut gut. Red.
Erschienen in Ossietzky 12/2007 |
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