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Deshalb beauftragte ihn der erste Bundespräsident Theodor Heuss 1950 damit, den Text für eine neue Nationalhymne zu schreiben. Der prompt gelieferte Text wurde der Öffentlichkeit vorgestellt, verschwand aber bald wieder. Dieses Bild des allerchristlichsten Dichters wird im christlichen Schrifttum bis auf den heutigen Tag verbreitet. Neuerdings kann man jedoch auch anderes über ihn erfahren: Seit 1936 nahm dieser vermeintliche NS-Gegner an den »Lippoldsberger Dichtertagen« teil, zu denen der »Volk-ohne-Raum«- Schreiber Hans Grimm jährlich einlud. Alles, was Rang und Namen unter den NS-Barden hatte, traf hier zusammen; einige erhielten später Platz auf der »Gottbegnadeten-Liste«, in die Hitler und Goebbels die für die NS-Herrschaft wichtigsten Künstler eintrugen. R. A. Schröder schaffte es nicht auf diese Liste, ein treuer Gefolgsmann des »Führers« war er aber allemal. Seine Treue entfaltete sich ab 1936 in der Zusammenarbeit mit Heinrich Spitta, Kirchenmusiker, Sproß eines angesehenen niedersächsischen Theologengeschlechtes, der es zum »Komponisten der HJ« bringen sollte. Er vertonte von den Schröder- Texten zunächst das »Heilig Vaterland«, das wegen seines Schlußverses (»Sieh uns all entbrannt, Sohn bei Söhnen stehn, Du sollst bleiben, Land. Wir vergehn«) während des Totalen Krieges ab 1942 zum »Kernlied der NSDAP« wurde und nach 1945 eine Wiederauferstehung in rechtsradikalen Kreisen erlebte. Aus dem Jahre 1936 stammt auch ein ähnliches Lied von Schröder, »Herz der Völker, Vaterland«, und danach entstand vor allem das »NS-Kampf-Lied«, das das Volk auf die geplanten Raubkriege einstimmen sollte: »Die Zeit ist reif und reif die Saat. Ihr deutschen Schnitter, auf zur Mahd: Der Führer hat gerufen.« Daß Schröder zur gleichen Zeit auch noch einen anderen Ruf hörte, nämlich den von »Gott-Vater, dessen Wink und Ruf das Licht aus Finsternissen schuf« (heute noch im evangelischen Kirchengesangbuch unter Nr. 184 zu finden), verdeutlicht, wie eng Führer- und Gottesverehrung zusammenhingen, gerade auch in der »Bekennenden Kirche«. Ein Beispiel dafür ist das Glückwunschschreiben der BK »Zum 50. Geburtstag des Führers« (1939): »... Es ist heute dem Letzten offenbar geworden, daß die Gestalt des Führers, mächtig sich durchkämpfend durch alte Welten, Neues mit innerem Auge schauend und seine Verwirklichung erzwingend, auf den wenigen Seiten der Weltgeschichte genannt ist, die den Anfängern einer neuen Zeit vorbehalten sind. Die deutsche Sendung in der Völkerwelt ist von einer mächtigen und festen Hand neu in die Waagschale der Geschichte geworfen...« Neben der Verehrung des »Führers« und der Rechtfertigung seiner Kriege war es ein wichtiges Anliegen der Kirchen, den Antisemitismus und Rassismus als gottgewollt und bibel- und luthergemäß zu verbreiten; schließlich werden ja die Juden im antijudaistischen Johannes-Evangelium (das übrigens Papst Benedikt XVI. in seinem neuen Jesus-Buch zum Ausgangspunkt seines persönlichen Glaubens nimmt) im 8. Kapitel, Vers 44, von Jesus als »Söhne des Teufels« gebrandmarkt. Gelegenheit, das Bekenntnis zum Antisemitismus auch praktisch umzusetzen, fand der Dichter Schröder im Oktober 1937 beim »Fest der deutschen Kirchenmusik«, zu dem er die meisten Texte beisteuerte. Das Fest wurde »in der frohen Überzeugung begangen, daß die Kirchenmusik dem neuen Deutschland Adolf Hitlers einen wichtigen Dienst zu leisten schuldig und berufen ist« (Oskar Söhngen, führender deutscher Kirchenmusiker vor und nach 1945, in seiner Eröffnungsansprache). Dieser Dienst bestand darin, alle Erinnerungen an jüdische Komponisten und Textdichter in der Kirchenmusik auszulöschen. Ein Opfer des Schröderschen Glaubenseifers wurde der Dichter Jochen Klepper. Der stand zwar, wie er 1934 selbst betonte, »hinter dem neuen Staat«, doch er hatte eine Jüdin zur Frau und war nicht bereit, sich von ihr zu trennen. 1942, vor ihrer Deportation, sah er im gemeinsamen Selbstmord den letzten Ausweg. In Bezug auf R. A. Schröder (und Kurt Ihlenfeld) notierte er am 4. Oktober 1937 verbittert in seinem Tagebuch: »...Hier, hier sind vor allem die, zu denen ich gehöre; und von ihnen werde ich am verletzendsten ausgeschaltet.« Viele dieser Daten zu Schröders NS-Karriere erfährt man neuerdings aus dem »Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945« des Theologen und Soziologen Ernst Klee. Es ist die Fortsetzung seines »Personenlexikons zum Dritten Reich«, das 2003 herauskam und wie der neue Band etwa 4000 Kurzbiographien enthält. Darin wird der Werdegang der in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Personen nachgezeichnet, und ihre Werke werden mit charakteristischen Zitaten vorgestellt. Neben den »Gottbegnadeten« wie den Dichterinnen Agnes Miegel und Ina Seidel, dem Dichter Gerhart Hauptmann, den Schauspielern Gustaf Gründgens und Heinz Rühmann, den Dirigenten Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan finden wir die treuen Gefolgsleute ihres Führers wie R. A. Schröder und Manfred Hausmann und viele, viele Mitläufer, die alle das NS-Regime stützten und nach 1945 ihr Theater weiterspielten, als wäre nichts geschehen. Dazwischen stehen die Opfer des Regimes, diejenigen, die verfolgt, vertrieben, durch die Aufnahme ins »Lexikon der Juden in der Musik« gebrandmarkt und großenteils ermordet wurden. Die beiden Bände werden für alle unverzichtbar bleiben, die sich mit der Nazi-Zeit beschäftigen und dazu zuverlässige Daten zu den damaligen Akteuren brauchen. Hilfreich werden sie auch für jeden sein, wenn ihm Geschichtsfälscher vom Schlage des Ministerpräsidenten Oettinger wieder einmal etwas vom Widerstand eines Filbinger oder eines R.A. Schröder weismachen wollen.
Ernst Klee: »Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945«, S. Fischer, 720 Seiten, 29.90 €
Erschienen in Ossietzky 11/2007 |
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