Mit Prämien gegen Streiks

Werner René Schwab   

Beim großen Bergarbeiterstreik in Deutschland im Jahre 1900 verlangten die Unternehmer vom Kaiser den Einsatz von Geschützen gegen die Ruhrkumpels, und 1933 dankten sie Hitler dafür, daß er Streiks und gleich auch die Gewerkschaften verbot. So brutal wird der Klassenkampf von oben gegenwärtig nicht geführt, aber man verfügt noch über manche anderen Mittel und Möglichkeiten. Als zweckdienlich hat die Drohung erwiesen, Produktionskapazitäten oder gar ganze Fabriken ins Ausland zu verlegen. Hauptsache, es gelingt, streikbereite  Beschäftigte zu ängstigen und einzuschüchtern. Eine wirksame Methode kann auch die Korruption sein. Kapitalisten hängen ja ohnehin zumeist dem Glauben an, mit Geld lasse sich alles erreichen, und in diesem Glauben sind sie auch in jüngster Zeit bestärkt worden: Es lassen sich Betriebsräte bestechen (siehe VW). Es lassen sich arbeitgeberfreundliche »Arbeitnehmervertretungen« gründen und finanzieren (siehe Siemens). Warum also nicht Streiks mit Hilfe von Geld ins Leere laufen lassen? Der Staat ist zwar angeblich neutral, aber wem sein Wohlwollen gehört, können wir an den folgenden beiden Beispielen. 

Die vor wenigen Jahren privatisierte Deutsche Telekom AG will bekanntlich 50.000 Beschäftigte ausgliedern, die dann in einer neuen Gesellschaft zum Wohle der Aktionäre für bis zu 30 Prozent weniger Einkommen vier Stunden in der Woche länger arbeiten sollen. 96 Prozent der gewerkschaftlich Organisierten sprachen sich gegen diese Zumutung aus, mit Streikaktionen wollen sie wenigstens das Schlimmste verhindern. Und was ist die Reaktion der Unternehmensleitung? Sie bietet jedem Streikbrecher 300 Euro Prämie an und Teamleitern gar 1400 Euro, wenn von ihrer Gruppe niemand in den Ausstand tritt. Unseren maßgebenden Politikern wird man unterstellen dürfen, daß sie die Unternehmensleitung zumindest nicht daran gehindert haben. Denn noch haben Bund und Länder die Mehrheit an den Telekom-Aktien und damit entsprechenden Einfluß bei der AG.

Was Bund und Ländern recht ist, ist Kommunalpolitikern billig. Also bedienen sich bereits die ersten gewählten »Stadtväter« der gleichen Methoden. So zahlte im vergangenen Jahr beim Ausstand des öffentlichen Dienstes der grüne Oberbürgermeister von Freiburg, Dieter Salomon, in dieser Wahlfunktion auch Chef der Abfallwirtschaft und Stadtreinigungs GmbH, mit freundlicher Unterstützung seiner Partei, der CDU und FDP und unter dem Beifall der Industrie den Streikbrechern bei der Müllabfuhr, die ihren Kollegen in den Rücken fielen, 30 Euro Sonderprämie pro Tag. Nur wenige ließen sich korrumpieren. Aber wieder wurde deutlich, wie viele Waffen die Unternehmer im Arsenal haben.

Erschienen in Ossietzky 11/2007