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Die faschistischen Strömungen in den einzelnen europäischen Ländern bezogen sich damals aufeinander, sie ahmten das italienische oder das deutsche Beispiel nach und hatten Wechselbeziehungen untereinander. Darüber hinaus gab es Bemühungen um ein direktes Zusammenwirken. So veranstalteten am 16. und 17. Dezember 1934 in Montreux am Genfer See kleinere Gruppen aus Frankreich, der Schweiz und anderen Ländern eine Tagung unter dem Titel »Universeller Faschismus«. Sie priesen vor allem Mussolini, sandten aber nicht nur an diesen, sondern auch an Hitler sogenannte Solidaritätsadressen. Sie erstrebten in erster Linie deren Unterstützung für eine Stärkung der eigenen Position in den Auseinandersetzungen, die sie gegen konkurrierende Faschisten-Organisationen im eigenen Land führten. Zudem ging es offensichtlich auch darum, den Streit zwischen den beiden faschistischen Regimes um den jeweiligen Einfluß auf Österreich zu überwinden. Montreux zeigte, daß es Anfänge einer internationalen Kooperation des Faschismus gab. Worin bestanden Gemeinsamkeiten, worin Gegensätze? Gemeinsamkeiten lagen im Mythos von Nation und Rasse, im Kult von Aktion, Gewalt und Terror, in der entschiedenen Gegnerschaft zum Marxismus, zu Demokratie und Parlamentarismus und in der Idealisierung diktatorischer Herrschaftsausübung von »Führern«. Gemeinsam war allen Faschisten das Streben nach einer ethnisch reinen Volksgemeinschaft, die selbstverständlich alle Bevölkerungsteile anderer ethnischer, religiöser oder politischer Zugehörigkeit ausgrenzt, gemeinsam auch das Drängen, die staatliche Macht für eine neue Elite – man könnte auch sagen: für eine neue politische Klasse – zu erringen, an die Stelle bürgerlicher Honoratioren die Welt- und Bürgerkriegserfahrenen zu setzen, die Jungen an die der Alten. Über diese ideologischen Gemeinsamkeiten hinaus hatten die meisten faschistischen Bewegungen ein geopolitisch-annexionistisches Vorhaben auf ihr Banner geschrieben. Aus Deutschland wissen wir um den Traum von einem Großdeutschen beziehungsweise Großgermanischen Reich, aus Italien vom Wahn, das alte Römische Reich um das mare nostrum herum wiederherzustellen, aus den Niederlanden vom Wunsch nach einem Großniederländischen Kolonialreich, aus anderen Ländern von Forderungen nach einem Großungarn, Großrumänien, Großfinnland und so weiter; für Grenzverschiebungen nahmen sie Kriege nicht nur in Kauf, sie bereiteten sie direkt vor oder unterstützten andere Kriegführende. Gemeinsam war ihnen auch die Betonung sozialpolitischer Forderungen. Ihre Ergebnisse sollten begrenzt nur der eigenen Volksgruppe zugute kommen, die Lasten anderen aufgebürdet werden – gemäß der inneren Logik eines sogenannten völkischen Antikapitalismus. Damit konnte ein Einbruch in Arbeiterkreise gelingen, weniger in die Reihen der organisierten Arbeiterbewegung, die damals – und das wird oft nicht berücksichtigt – nicht einmal die Hälfte der zur Arbeiterklasse gehörenden Menschen zu erfassen vermochte. Es hat sich als folgenschwerer Fehler herausgestellt, daß Antifaschisten die faschistische Sozialpolitik in der Regel als bloße Demagogie abtaten und den realen Stand des Massenbewußtseins zu wenig analysierten. Trotz solcher übereinstimmender Momente konnte es keinen Verbund europäischer Faschismen geben; da sie sich alle auf jeweilige Nationalismen gründeten. Erst auf dem Weg zum Zweiten Weltkrieg und vor allem in dessen Verlauf wurde ein europäischer Faschismus sichtbar. Vor dem Krieg erschien er in Gestalt jener internationalen Verträge, die für den Antikomintern-Pakt und für die »Achsen« zwischen Berlin, Rom und Tokio geschlossen wurden, geleitet von der Vision einer »Neuordnung Europas« als Grundlage der angestrebten Vorherrschaft in der Welt, gerichtet gegen die »raumfremden Mächte USA und UdSSR«. Im Krieg wuchs er einerseits durch militärische Unterwerfung und andererseits durch unterwürfige Kollaboration; erinnert sei an den Norweger Vidkun Quisling, dessen Name europaweit zum Inbegriff der Kollaboration wurde, und ebenso an die nicht-deutsche Division »Wiking« der Waffen-SS, in der »Arier« aus mehreren »germanischen« Ländern dienten, vor allem Holländer, Flamen und Dänen. Erinnert sei auch an Truppen, die Fes oder Kosakenmütze als militärische Kopfbedeckung trugen, oder auch an die im November 1944 geschaffene Armee des russischen Generals Wlassow. Es war schließlich eine Folge des so nicht erwarteten Kriegsverlaufs und der drohenden Niederlage, daß die deutschen Faschisten zunehmend das Thema »Europa« für sich entdeckten und ihren Krieg für das geplante »Großgermanische Reich« als einen »Kreuzzug der europäischen Zivilisation gegen den asiatischen Bolschewismus« deklarierten. Nach den verlorenen Schlachten von El Alamein und Stalingrad verkündete Goebbels nicht nur den »totalen Krieg«, sondern auch, daß nunmehr Europa »zum Entscheidungskampf angetreten« sei. Keineswegs zufällig stützten sich nach 1945 orthodoxe und neue Nazis auf das Schlagwort »Nation Europa«. Die Idee, dass sich die »Nation Europa« zur dritten Weltmacht aufschwingen müsse, geht auf den britischen Faschistenführer Sir Oswald Mosley zurück. In Deutschland gründete 1951 der ehemalige SS-Sturmbannführer Arthur Erhardt eine Zeitschrift mit diesem Titel, später geändert in Nation & Europa. In seinem dort (Heft 6/1992) veröffentlichten »Politischen Testament« erklärte er, um die natürliche Führungsmacht Deutschland herum sei eine »europäische Großnation« notwendig und auf der Grundlage einer »blutmäßig bedingten weitgehenden Wesensgleichheit unserer Völker« auch möglich. Das Blatt gab damals, nach den großen Veränderungen jener Jahre, die Parole aus: »Die Zeit ist reif für eine grundlegende Umorientierung der europäischen Völker – weg vom raumfremden, überstaatlichen Weltpolizisten, hin zu einer neuen kontinentalen Großraumordnung, die europäischen Interessen endlich Vorrang einräumt und Europa wieder in den Rang einer souverän handelnden Größe erhebt.« Angesichts dieser geschichtlichen Entwicklung fragt man sich, in welchem Sinne die vor kurzem entstandene rechtsextreme Fraktion des Europa-Parlaments (mit Abgeordneten aus Frankreich, Italien, Belgien, Rumänien, Bulgarien und Österreich sowie einem Briten) den Begriff »Tradition« versteht, den sie in ihren Namen aufgenommen hat, zusammen mit den Begriffen »Identität« und »Souveränität«. Die Beteiligten setzen auch heute auf ultranationalistische, teils auf völkische Positionen, ja sogar Forderungen nach Grenzveränderungen werden nicht ausgeschlossen, wie das in den internen Debatten der ITS-Fraktion über Südtirol oder die Oder-Neiße-Linie deutlich wird. Und bekanntlich heißt es in heimischen Gefilden bei der NPD sehr oft: »Deutschland ist größer als die Bundesrepublik.« Solches Gegeneinander stellt zwar eine gemeinsame Strategie- und Handlungsfähigkeit in Frage, andererseits sollte aber der Wert der öffentlichen Mittel, die der Fraktion zufließen, ebenso wenig unterschätzt werden wie die symbolische, Erfolg versprechende Wirkung dieses Zusammenschlusses. Sicher, in naher Zukunft sind die Chancen für die Herausbildung eines im europäischen Maßstab einheitlich agierenden Rechtsextremismus nicht groß zu sein, doch ein Kollaps solcher Bemühungen im Europa-Parlament, wie er vor Jahr und Tag noch möglich erschien, zeichnet sich derzeit nicht ab. Die politisch-theoretische und auch verschleiernd-demagogische Formulierungskunst rechtsextremer Vordenker hilft über interne Gegensätze hinweg. Zudem sehen sie durchaus Wege, die von einem Europa der Regionen hin zu einem Europäischen Reich führen können, das als Ethnoföderation von Volksgruppen angesehen wird und eine Zerschlagung aller ethnisch nicht homogenen Nationalstaaten einschließen würde. Altes völkisches Denken also auf neuer Ebene, selbstverständlich wieder verbunden mit Großmachtphantasien nach außen und undemokratisch-autoritären Machtbestrebungen nach innen. Die rassistische Sehnsucht nach einem »weißen Europa« entäußert sich in machtpolitisch bedingten Feindbildern mit starker antiamerikanischer Färbung. Wie auf der regionalen und auf der nationalen Ebene gilt es danach zu fragen, welche Faktoren in Europa faschistische Erscheinungen befördern oder gar fördern. Ein deutliches Beispiel lieferte die konservative Die Welt am 15. Januar dieses Jahres mit ihrer Warnung, die EU-Kommission solle sich nicht zu sehr darum bemühen, ein einheitliches Strafmaß für rechtsextreme Übergriffe durchsetzen, sie solle auch nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung einheitlich regeln und die Leugner des Holocaust nicht nach einheitlichen Grundsätzen verfolgen. Die Begründung: Auf diesem Wege würde die »Gesinnungsgemeinschaft der Anständigen zur Gesinnungsdiktatur der politisch Korrekten« ausgebaut. Wenige Wochen zuvor hatte Der Spiegel bereits gegen den »Aktionismus der Anständigen« gewettert ...
Erschienen in Ossietzky 11/2007 |
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