Jagd auf Defaitisten

Arno Klönne

Um das gleich klarzustellen: Zur Oskar-Fan-Gemeinde gehöre ich nicht. Manche Äußerungen des Politikers Lafontaine haben mir mißfallen. Aber wo er Recht hat, hat er Recht. Angesichts des offiziellen Trauerzeremoniells für die in Afghanistan getöteten deutschen Soldaten hat er auf einen Zusammenhang hingewiesen: Durch den Tornado-Einsatz sei dort »die Bundeswehr mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt«. Terrorismus sei es (laut eigener Definition des Deutschen Bundestages), »rechtswidrig Gewalt anzuwenden, um politische Belange durchzusetzen«. Und eben dies praktiziere das US-Militär in Afghanistan, dem die Bundeswehr mit Kriegsflugzeugen zu Hilfe komme. Der Leitsatz, am Hindukusch werde die Bundesrepublik »verteidigt«, sei vollkommen töricht.

Darf ein Politiker so etwas sagen? Nein, ereifern sich Sprecher von CDU/CSU/SPD/FDP und Grünen. »Verantwortungslos« sei das, »unmoralisch«, »charakterlos«. Und die Bild-Zeitung heult auf, Lafontaine habe die Mütter der toten Soldaten beleidigt.

Als Hyperdemagoge, ein bißchen zu aufgeregt, tritt Sigmar Gabriel auf (bei der Zusammenstellung der neuen SPD-Spitze ist er zu kurz gekommen). Lafontaine, erzählte er der Frankfurter Rundschau, sei »kein linker Befreier, sondern ein Helfershelfer der Taliban«.

Ob in solchen großen Worten vielleicht ein bißchen Heuchelei mitschwingt? Die PolitikerInnen und Medienleute, die auf Lafontaine zeigen und rufen »Jagt ihn – ein Defaitist«, haben, wenn sie einigermaßen bei Verstand sind, längst selbst Zweifel an den US-geführten militärischen Operationen in Afghanistan. Ihre Durchhalteparolen dienen dazu, sich aus der Verantwortung davonzustehlen. Und die Soldatenmütter sollen dazu dienen, Kritik an der deutschen Militärpolitik in Mißkredit zu bringen. Mit ihnen wird das betrieben, was die grüne Politikerin Renate Künast dem linksparteilichen Konkurrenten Lafontaine in dieser Sache – zu unrecht – vorgeworfen hat: Schindluder.

Inzwischen sind es laut Emnid 68 Prozent der deutschen Bevölkerung, die den Militäreinsatz in Afghanistan ablehnen. Und da greifen schwarz-rosa-gelb-grüne PolitikerInnen zu einem Mittel, das aus schwarzweißrot-braunen Zeiten stammt: Sie nehmen Kriegsopfer auf deutscher Seite propagandistisch in ­Anspruch, um »Wehrkraftzersetzer« moralisch anzuklagen. Die deutschen Soldaten, sagt Peter Struck, dürften »nicht umsonst gestorben sein«. Die aber, ein für­allemal ­sprachlos, können sich gegen solche Politikerreden nicht mehr ­wehren.

Erschienen in Ossietzky 11/2007