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Es wird also weitere Staatsakte jener Art geben, wie er am 23. Mai in Köln-Wahn stattgefunden hat. Ich bin als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags der Einladung gefolgt und habe an der Feier teilgenommen. Ich wollte den trauernden Familien mein Mitgefühl und Anteilnahme an ihrer Trauer ausdrücken. Aber was dort stattfand, bedarf eines Nachworts. Ich weiß nicht, ob sich die Angehörigen der drei toten Soldaten dieses graue Zeremoniell im öden Hangar der Flugbereitschaft auf dem Flughafen Köln-Wahn gewünscht haben. Ich weiß auch nicht, ob ihnen bewußt geworden ist, was mit ihnen dort vor den Fernsehkameras veranstaltet wurde. Aber ich gehe davon aus, daß sie mit der öffentlichen Inszenierung ihrer Trauer einverstanden waren, die für gewöhnlich den Kirchen vorbehalten ist. Diese waren mit zwei Militärbischöfen und einem Militärdekan reichlich vertreten (reichlicher vermutlich als in Zukunft, wenn die Trauerfeiern häufiger werden). Es ist auch kaum etwas dagegen zu sagen, daß die Bundeswehr von ihren toten Angehörigen Abschied nimmt, wenn einem auch das eiserne Ritual nicht gefallen mag. Zum Ärgernis wird die ganze Veranstaltung jedoch, wenn sie als Staatsakt politisch mißbraucht wird. Trauer ist eigentlich ein persönlicher Umgang mit dem Schmerz, dem Verlust und den Fragen nach dem Warum und Wozu des Todes. Wir können sie teilen aus Mitgefühl und Verständnis für die Verzweiflung der Hinterbliebenen – vielleicht auch aus Schuldgefühl, denn schließlich war es die Politik, die die Toten in die voraussehbaren tödlichen Gefahren geschickt hat. Die Politik mag nach wie vor davon überzeugt sein, richtig zu handeln, wie Verteidigungsminister Jung unablässig wiederholt. Wenn er jedoch die Trauer um die Toten dazu benutzt, den gewaltsamen frühen Tod mit der »besseren und friedlichen Zukunft Afghanistans« und der »Sicherheit unseres eigenen Landes« zu legitimieren, so ist zumindest letzteres tief verlogen. Die »bessere und friedliche Zukunft Afghanistans«? Wer das Land kennt und die Ereignisse dort nüchtern verfolgt, sollte sich angesichts der zunehmenden Gewalt und ihrer Ausbreitung im ganzen Land zu einer solchen Propaganda vor Särgen nicht mehr hinreißen lassen. Und unsere Sicherheit hat mit dem Krieg in Afghanistan nur insofern etwas zu tun, als nun die Terrorgefahr auch bei uns gestiegen ist, wir also weniger sicher sind. Die Verteidigung unserer Sicherheit am Hindukusch bleibt Un-Sinn und gefährliches Geschwätz, auch und gerade wenn es jetzt neben Soldatenleichen wiederholt wird. Der Verteidigungsminister instrumentalisiert damit die Trauer für eine zweifelhafte Begründung eines militärischen Einsatzes (eines Krieges), den die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ablehnt. Was als rationale oder humanitäre Notwendigkeit nicht mehr einsichtig ist und die Menschen nicht überzeugt, versucht das heilige Dreieck von Kirche, Politik und Militär dermaßen zu überhöhen, daß die Ablehnung verstummt. Dies macht eine solche Staatstrauer so abgeschmackt und unglaubwürdig. Das Wissen um weitere Tote im Einsatz rund um die Welt, deren Opfer immer fragwürdiger werden, hat offenbar die Planungen für ein Denkmal beflügelt, welches man je nach Geschmack Krieger-, Helden- oder Soldatendenkmal nennen mag. Es ist auf jeden Fall alles in einem und soll in Stein, Marmor oder Metall verewigen, was ein Staatsakt nur für den Tag und in vergänglicher Weise stiften kann: den Sinn des Tötens. Es ist der permanente Staatsakt für eine neue Epoche, die 1999 mit dem Überfall auf Jugoslawien begann. Hier geht es nicht mehr um Trauer, um den Ort für die Totenklage und die Mahnung an die Nachwelt: »Nie wieder Krieg«. Hier geht es um die militärischen Insignien des Stolzes, der Ehre, des Dienstes am Vaterland und die Abwehr der Kritik – kurz: um den Anachronismus dieser neuen Epoche. Er erinnert fatal an jene unrühmliche und für überwunden geglaubte Epoche des Militarismus, aus der noch heute die Monumente auf unseren Plätzen stehen, auf denen man lesen kann: »Deutschland soll leben, und wenn wir sterben müssen«. Selbst wer von dem weltweiten Einsatz der Bundeswehr überzeugt ist, sollte aus unserer Geschichte die Unzeitgemäßheit dieser überkommenen Rituale und Denkmäler gelernt haben. Wir dürfen nicht an diese unsägliche Tradition anknüpfen, aus der wir uns nicht aus eigener Kraft befreien konnten und für deren Opfer wir uns erst kürzlich zu Mahnmalen entschlossen haben. Die große Mehrheit der Deutschen, die immer noch auf dem Verteidigungsauftrag des Grundgesetzes beharrt und den Einsatz der Bundeswehr rund um die Welt ablehnt, ist nicht an einem Denkmal interessiert, sondern an einer Politik, die diesem Auftrag nachkommt – und für die toten Soldaten ist die wirkliche Trauer und das ernsthafte Nachdenken über den Sinn ihres Opfers am Platz. Wir brauchen kein Denkmal für die zukünftigen Toten, welches letztlich die fehlende völkerrechtliche oder politische Legitimation weltweiter Bundeswehreinsätze nachreichen will und nur als Zeichen für den Aufbruch in eine neue Epoche des Interventionismus im Gefolge des US-Imperialismus verstanden werden kann.
Erschienen in Ossietzky 11/2007 |
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