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Der Landsberger »Schlageter-Stein« ist einer von 17, die noch in bundesdeutschen Städten und Gemeinden herumstehen. Rund 120 waren es einst – von Nazis und völkischen Kreisen aufgestellt, um an ihren »Märtyrer« Albert Leo Schlageter zu erinnern, den Freikorps-Kämpfer, Kapp-Putschisten und Terroristen, der 1923 im Ruhrgebiet von der französischen Besatzungsmacht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Während der Zeit des NS-Regimes waren die »Schlageter-Steine« Orte für kultische Feiern. Ausgerechnet in Landsberg hat solch ein Monument die Zeitläufte überstanden. In Landsberg hatte Hitler einst in komfortabler Festungshaft »Mein Kampf« zu Papier gebracht. Während der letzten Jahre der Naziherrschaft war Landsberg umgeben von Außenlagern des KZ Dachau, in denen jüdische Gefangene aus osteuropäischen Ländern in Erdlöcher gepfercht und zur »Vernichtung durch Arbeit« in umliegende Rüstungsbetriebe getrieben wurden. In Landsberg internierten dann die alliierten Befreier die NS-Größen, bevor sie ihnen die Prozesse machten. Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bemüht, mit dieser Vergangenheit kritisch umzugehen. Davon zeugen Mahnmale, Gedenkstätten, Veranstaltungen, unterschiedliche Geschichtsinitiativen. Und es mag durchaus sein, daß das Vorhandensein eines »Schlageter-Steins« den Verantwortlichen gar nicht mehr bewußt war. Um so unverständlicher ist es aber, wie die von einem SPD-Bürgermeister regierte Kommune auf den »Denkmals-Sturz« reagiert hat. Vorangegangen war ein Schreiben Wolfram Kastners an den Bürgermeister, in dem der Künstler eine erklärende Tafel neben dem Stein angeregt hatte. Der »grabsteingroße Klotz« ( FAZ ) also als Gegenstand für historische Information und Auseinandersetzung. Dem wollte der zuständige Ältestenrat der Stadt nicht zustimmen. Begründung: Das könne ja zu »rechten Exzessen« führen. Derzeit geht alles einen Gang, den der Künstler Kastner kennt: Er und seine Mitstreiter sollen wegen »Sachbeschädigung« bestraft werden und je 2000 Euro zahlen. Der Bürgermeister, so Kastner, habe ihr Handanlegen an den Stein als einen Akt von »Lynchjustiz« bezeichnet. Schon eigentümlich in einem Ort, in dessen Umfeld so viele Menschen gewaltsam vom Leben zum Tode befördert wurden, wenn es nun um den Umgang mit einem steinernen Nazi-Relikt geht. Sachbeschädigung: Mit einschlägigen Strafbefehlen könnte Wolfram Kastner eine Atelierwand dekorieren, wäre zwischen seinen meist politisch-satirischen Gemälden und Objekten noch Platz. Der Salzburger Fall ist von besonderem Reiz: Weil die österreichischen Behörden in Sachen Kranzschleifen keinen besonderen Ermittlungsbedarf sahen, sprang grenzübergreifend die bayerische Staatsanwaltschaft ein. Und bayerische Gerichte verurteilten den Künstler zu einer höheren Geldstrafe. Kastner will nicht aufgeben und arbeitet jetzt an einer Verfassungsbeschwerde. Solche Fragen werden letztlich nicht nach einem ehernen objektiven Recht entschieden, das es nicht gibt (höchstrichterliche Urteile, die den Neonazi-Slogan »Ruhm und Ehre der Waffen-SS« nicht justiziabel fanden, haben das bestätigt), sondern es kommt auf die gesellschaftlichen »Klimaverhältnisse« an. Nach wie vor hofft Kastner deshalb auf die Unterstützung seiner Gewerkschaft ver.di, die ihm für die ersten Instanzen seiner Prozesse Rechtsschutz gewährt hatte, sich aber bei der Verfassungsbeschwerde nicht engagieren will. Er sieht sich übrigens nicht als »Aktionskünstler«, auch wenn ihn Medien gern so bezeichnen. Lieber hält er es mit Paul Klee: Kunst mache etwas sichtbar, was man sonst nicht sieht. Ihm gehe es deshalb bei seiner Kunst im öffentlichen Raum nicht in erster Linie um Medienwahrnehmung und noch viel weniger um Konfrontation mit den Staatsorganen, sondern um die unmittelbare Diskussion mit den Menschen, die mitbekommen, was er macht. Allerdings kämen bei seinem öffentlichen »Kunst-Werken« Polizei und Staatsschutzbeamte der Inhalte wegen schon recht oft vorbei. Weshalb er wiederum froh darüber sei, daß dies dann in Medien dokumentiert werde und folglich größere Debatten auslöse. Drei Tage vor dem Papstbesuch in München gab es wieder so einen Fall, als Wolfram Kastner in päpstlichen Gewändern durch die Innenstadt wandelte, flankiert von einem Kollegen, der als Adolf Hitler maskiert war. Sie informierten die Umstehenden über das Konkordat, das einst der Vatikan und das NS-Regime geschlossen hatten, und über dessen Auswirkungen bis heute. Polizei und Staatsschutz waren prompt da, Anzeigen wurden erstattet. Wegen des Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes, wegen Verwendung verbotener Kennzeichen (das Hitler-Bärtchen) und wegen einer unangemeldeten Versammlung. Letzteres ist in Form eines Strafbefehls übrig geblieben: 1500 Euro. Und der schöne Satz im Polizeiprotokoll: »Auf Anfrage gab Wolfram Kastner sofort zu, daß er nicht der Papst ist.«
Erschienen in Ossietzky 9/2007 |
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