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Todestag geehrt. »Wir stehen zu unserer Heimatdichterin«, sagte dieser Mann, betonte aber zugleich, daß er damit nicht unbedingt etwaige antisemitische Äußerungen der Geehrten meine. Nur die journalistische Sensationslust von »Schmierfinken«, so sprach Bürgermeister Petterich zur Süddeutschen Zeitung , sehe darin ein Problem. 1942 wurden die Burgkunstadter Juden abtransportiert. Trotz dieses ehrlichen Bemühens war die Eiterbeule 1945 in diesem Land nicht restlos ausgedrückt. Und so brachten das Judentum und seine Helfer über die Dichterin allerlei Not und Jammer– sie bekam wegen »antisemitischer Hetze« Schreibverbot. Doch heute zeugt auch die Kuni-Tremel-Eggert-Straße mitten im Ort, daß Burgkun- stadt sich bekennt: »Wir sind stolz auf das Vermächtnis unserer Heimatdichterin«, sagt die Vorsitzende der Kulturgemeinde, Heidi Kraus. Die Straße der Dichterin, deren Werke in Millionen-Auflage vom parteiamtlichen Franz-Eher-Verlag verbreitet wurden, liegt nur fünfhundert Meter vom Bahnhof, über den man – am besten schleunigst – das hinterfränkische Burgkunstadt verläßt, diese Stadt mit »Charme & Charakter« (Eigenwerbung). Kommt man von dort in Deutschlands Metropole, findet man in Berlin-Steglitz eine Straße, von der die Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland Wegweisendes für Burgkunstädter und sonstige Deutsche zu berichten weiß. Es ist die nach dem Begründer des modernen Antisemitismus benannte Heinrich-von-Treitschke-Straße, gegen die dort seit Jahrzehnten protestiert wurde. Auch die Grünen beteiligten sich am Protest. Doch jetzt kann man auf sie zählen: »In ihrer › Zählgemeinschaftsvereinbarung ‹ haben CDU und Grüne vereinbart, die Treitschkestraße während der Legislaturperiode nicht umzubenennen.« ( FAZ ) Zählgemeinschaft – das ist das treffende Wort. Auf die Grünen kann man immer zählen, wenn man nur mit ihnen koaliert. Dann ist die Friedensbewegung von gestern gern auch die Kriegsbewegung von heute, die mit dem Kampfruf »Nie wieder Auschwitz« wieder Bomben auf Belgrad wirft. So sind die Grünen. Und für die FAZ ist Treitschke in erster Linie ein »ordo-liberaler Marktwirtschaftler«, schon darum kann er kein schlechter Mensch gewesen sein. Das Blatt freut sich, daß Martin Sabrow, Direktor des amtlichen Zentrums für zeithistorische Forschung in Potsdam, sich aus drei Gründen für die Beibehaltung des Namens Treitschkestraße ausgesprochen hat: Erstens, weil Treitschke auch heute »als einer der bedeutendsten deutschen Historiker« gilt. Zweitens, weil seine »engagierte Geschichtsschreibung« als »modern« erscheint. Drittens, weil dieser »Meister der Charakteristik« sich als teilnehmender Beobachter dem Objektivismus Leopold von Rankes entgegenstellt. Die Treitschke-Straße muß bleiben, weil Treitschke mit dem Aufsatz »Unsere Aussichten«, der 1879 den »Berliner Antisemitismusstreit« auslöste, nach FAZ -Erkenntnis keinen rassischen Antisemitismus propagierte, sondern sozusagen im Gegenteil die Juden zur vollständigen Assimilation aufforderte, »also im Sinne der moralischen Einheit des monarchischen Staates einen Standpunkt« vertrat, »den man anderenorts republikanisch hätte nennen« können. Moralische Einheit? Aber gewiß, Treitschke schrieb es 1879: Es sei ein »Gewinn, daß ein Übel, daß Jeder fühlte und Niemand berühren wollte, jetzt offen besprochen wird«. Ja, Treitschke sprach es als erster deutlich aus. Was bis dahin nur der »kleine Mann« sich »nicht mehr ausreden« ließ, das erfaßt nun alle wahrhaft Deutschen: »Bis in die Kreise höchster Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuths mit Abscheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: die Juden sind unser Unglück!« Der engagierte FAZ -Leser Andreas Auler aus Düsseldorf, Fachanwalt für Produktpiraterie, stimmt zu: »Angesichts der in den neuen Bundesländern immer noch zahlreich vorhandenen Liebknecht-, Luxemburg-, Marx- und Engels-Straßen kann man nur verwundert zur Kenntnis nehmen, wie wieder einmal versucht wird, mit der Faschismuskeule und unter Außerachtlassung der zeittypischen Umstände eine anerkannte Geistesgröße, die Heinrich von Treitschke unbestritten war und ist, zu demontieren.« Treitschke verlangte, daß »unsere jüdischen Mitbürger« – hinter dieser Anmache steckt immer ein antisemitischer Kopf – »sich rückhaltlos entschließen, Deutsche zu sein«. Und fand doch, daß diese Aufgabe »niemals ganz gelöst werden« könne, denn: »Eine Kluft zwischen abendländischem und semitischem Wesen hat von jeher bestanden, seit Tacitus…« Den Radau-Antisemitismus der Straße konnte Treitschke gut verstehen, wenn auch – wie die FAZ – nicht gänzlich billigen: »Ein erfreulicher Anblick ist es nicht, dies Toben und Zanken, dies Kochen und Aufbrodeln unfertiger Gedanken im neuen Deutschland«; er meinte das von 1870. »Aber wir sind nun mal das leidenschaftlichste aller Völker«, beruhigte er sich. Und der »Instinkt der Massen« habe doch eine schwere Gefahr des neuen deutschen Lebens richtig erkannt. Julius Streicher, der sich am besten auf das Toben und Zanken, auf das Kochen und Aufbrodeln verstand, machte dankbar das Treitschke-Wort zum Untertitel seines Stürmer : »Die Juden sind unser Unglück.« Vielleicht einigen sich die Steglitzer Abgeordneten doch noch auf einen würdigen Kompromiß und nennen die Heinrich-von-Treitschke-Straße um in Julius-Streicher-Straße.
Erschienen in Ossietzky 9/2007 |
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