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Die Anhänger sollten gleich nach der Demo in Moskau per Zug oder Bus zum weiteren Protest nach St. Petersburg fahren. Alle drei Gruppen erhielten die behördliche Genehmigung für ihre Kundgebungen. Ein anschließender Marsch durch die Moskauer Stadtmitte wurde ihnen allerdings untersagt. Beide Seiten – die rund 3000 Demonstranten und die Moskauer Behörden – dürften jedoch gewußt haben, was nach der Kundgebung passieren würde. Die Einheiten der Sonderpolizei (OMON) sperrten die zentralen Straßen. Die Demonstranten zogen trotz des Verbots ins Zentrum und versuchten, die polizeiliche Blockade zu durchbrechen. Steine und Flaschen flogen gegen die Ordnungshüter. Die Polizei griff zu ihren Knüppeln. Etwa 300 Demonstranten wurden in Gewahrsam genommen und nach drei Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei den Festnahmen soll die OMON besonders brutal vorgegangen sein. Durchaus möglich. Aber vermutlich nicht härter als ihre deutschen oder französischen Kollegen bei ähnlichen Gelegenheiten. Die deutschen Medien und Politiker begannen, sich unisono über die Verletzung der Menschenrechte und die Rückkehr zum autoritären Regime im putinschen Rußland zu empören. Auch die EU brachte ihre Besorgnis zum Ausdruck. Heuchelei. Ich spüre einen neuen kalten Krieg gegen Rußland, der hauptsächlich in den Medien geführt wird. Er spitzt sich zu. Aber auch die Vorgehensweise der russischen Behörden bleibt unverständlich. Was wäre passiert, wenn die »Uneinverstandenen« (so nennen sich die Anführer der Protestierenden) durch die Stadtmitte marschiert wären? Offiziell mußte die zu erwartende Störung des Verkehrs als Grund für das Demonstrationsverbot herhalten. Doch viel länger, als die Demonstration gedauert hätte, legte der Knüppeleinsatz den Verkehr lahm. Angetrieben von eingefleischtem Untertanengeist und vorauseilendem Gehorsam wollten die Behörden nicht zulassen, daß auf der Straße Parolen wie »Nieder mit Putins Regime« skandiert werden, obwohl die Öffentlichkeit für solche Proteste kaum zu haben ist, sondern sie, vor allem wenn sie dahinter eine Einmischung von außen vermutet, eher ablehnt. Das US-Außenministerium hat jüngst öffentlich mehrere Millionen Dollar zur weiteren Unterstützung der Demokratiekämpfer in Rußland zugesagt. Doch die drei Splittergruppen werden das Ergebnis der bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen kaum beeinflussen. Sie könnten aber den US-Geldgebern einen anderen Dienst erweisen, indem sie mit Krawallen den gewünschten Vorwand liefern, die Wahlen als undemokratisch abstempeln zu können. So vermarkten sie eigene Verfassungsrechte im Tausch gegen die grünen Banknoten. Versucht man herauszubekommen, was die »Uneinverstandenen« eigentlich wollen, so hört man nur ihr Nachplappern: »mehr Demokratie«, »mehr freie Marktwirtschaft«, »mehr Menschenrechte«. Sonst nichts. Kein Programm, weder für Rentner und Kranke noch für Obdachlose oder für die vielen Opfer von Betrug und Korruption. Ihr Anliegen ist es, die Staatsmacht als solche zu hassen und die politischen Verhältnisse zu destabilisieren. Die Anführer der »Uneinverstandenen« machen kein Hehl daraus, daß sie die Oligarchie, die sich unter Jelzin in den 90er Jahren etablierte, wiederherstellen wollen, schreibt Sergej Markow, Leiter des Instituts für politische Studien. Einer der »Uneinverstandenen«, Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow, der gern westliche Korrespondenten mit Interviews versorgt, kann seinen Haß gegen Rußland kaum verbergen. Sein neu gewonnener Mitstreiter ist der Schriftsteller Eduard Limonow, der noch vor kurzem mit Slogans wie »Stalin, Berija, GULAG« drohte. Nun ist er zu einem »lupenreinen Demokraten« geworden. Keiner von beiden hätte die Chance auf ein Abgeordnetenmandat, nicht einmal auf kommunaler Ebene. Am interessantesten aber ist die Galionsfigur, Ex-Premier Michail Kassjanow. Jahrelang hat er mit Keep-smiling und einem unsichtbaren »Sie wünschen, bitte?« auf der Brust selbstlos Jelzin (und später eine Weile Putin) gedient. Seine Verdienste für das russische Volk sind mit der Lupe nicht zu finden. Aus dem Establishment hinauskatapultiert wechselte er sofort zu den »Uneinverstandenen«. Dort füttert er jetzt als leidenschaftlicher Interessenvertreter des Volkes die Journalisten mit Geschichten, kann jedoch den Geruch von Korruption und Amtsmißbrauch nicht ganz abschütteln. Ich gratuliere den Amerikanern zu solchen Verbündeten.
Erschienen in Ossietzky 9/2007 |
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