Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Engel mit einem FlügelAnne Dessau Die Post brachte mir ein Päckchen, darin ein broschiertes Buch und vier handbeschriebene Briefseiten. Der Buchtext in kyrillischen Buchstaben, starke Illustrationen im Stile von Tarot-Karten plus christlicher Symbolik, die mir fernliegt. Auf dem Titel, gleichfalls kyrillisch – spiegelverkehrt, als Schattenbild der fremden Sprache – die deutsche Variante: Anne Dessau. Engel mit einem Flügel. »Wir sind alle Engel mit einem Flügel und müssen uns umarmen, wenn wir fliegen wollen«, lautet ein Spruch des italienischen Schriftstellers Luciano De Crescenzo. Sein Credo gab den Namen für Film und Buch, die beide Anfang der neunziger Jahre in Berlin erschienen. Erzählt wird die authentische Geschichte eines jungen Paares, das zwei Kinder adoptierte. Ein ärztliches Gutachten bestätigt den Verdacht, daß eines der Kinder schwerstgeschädigt ist. Daraufhin verläßt der Vater die Familie. Die Mutter bleibt allein mit den Kindern. Da liegt also in ukrainischer Übersetzung das Buch vor mir, das 1991 nach dem gleichnamigen, 1989/90 von mir für das Fernsehen der DDR geschriebenen, von Dagmar Wittmers inszenierten Spielfilm veröffentlicht worden war – zu einer Zeit, als sich unser Leben vom DDR-Bürger zum Bundesbürger wendete. Daß der »Engel« inzwischen Ländergrenzen überflogen hat, wußte ich nicht, bis das Päckchen kam. Der beiliegende Brief der Initiatorin und Übersetzerin Oxana Winjarska klärte mich über die Flugroute »meines Engels« auf: »Mit Ihnen bin ich schon 13 Jahre bekannt durch Ihr Buch ›Engel mit einem Flügel‹,« schrieb sie. »Es erschien in der Buchhandlung ›Druschba‹ (Freundschaft), wo die Regale damals, ohne Übertreibung, leer waren. Es mangelte an allem. Bücher konnte man nur ›schwarz‹ bekommen. Plötzlich waren deutsche Bücher ausgestellt, die Deutsch sprechende Bevölkerung der Stadt rannte dorthin. Damals ahnte ich nicht, wie sich die Engel-Geschichte für mich entwickeln würde. Ich bin Sozialpädagogin für behinderte Kinder im Zentrum ›Quelle‹. Ich habe Ihr Buch, jeden Satz in ihm, mit Kopf und Herz gespürt. Ich mußte Ihren ›Engel‹ in der Ukraine fliegen lassen. 13 Jahre suchte ich Sie, um die Erlaubnis für die Übersetzung zu erbitten ... endlich habe ich Ihre Adresse. Deutsche Freundinnen aus Nürnberg, Jena, Zschopau/Erzgebirge halfen mir bei der Suche ... Sie gaben mir Geld für die Druckkosten. Tausend Exemplare sind es bis jetzt. Sie werden verschenkt auf Kongressen und Seminaren an betroffene Mütter, Familien. Das Echo ist überwältigend ... der Engel fliegt durch die Ukraine, er ist ein Mutmacher ... Eine Kollegin (Psychologin) aus Charkow fragt um Erlaubnis, das Buch ins Russische zu übertragen ... Eine andere aus Lwiw, Psychologin im Zentrum ›Welt der Familie‹, fragt an, ob sie ihre Veranstaltungen unter das Motto des Engels stellen kann... Eine Ärztin aus Khmelnytsky, 300 Kilometer von hier, berief eine Konferenz zur Frühförderung ein; sie leitet dort eine genetische Klinik. Sie schreibt: Der ›Engel‹ ist ein Bestseller bei den Fachleuten und den Eltern der kranken Kinder ... die Eltern geben das Buch untereinander weiter, keine Stunde bleibt es in der Bibliothek. Der Engel fliegt und fliegt durch die Ukraine, verbindet unaufhörlich Betroffene, stärkt sie ... ich erwarte aufgeregt das Video mit dem Film ... Wann werden wir uns sehen? Oxana.« 2007 fliegt der Engel immer noch durch Oxanas Land. Bei den letzten Elternseminaren waren Menschen aus zwölf Städten anwesend. Sie fuhren mit dem Buch nach Hause. Mittlerweile zeigt Oxana auch den Film, den die Westberliner Akademie der Künste 1991 als besten Fernsehfilm des Jahres beurteilte; Dagmar Wittmers wurde damals für die beste Regie ausgezeichnet. Oxana Winjarska wird nicht müde, ihn wieder und wieder zu übersetzen, der Botschaft Flügel zu verleihen. Und es bewegt mich, wenn sie mir schreibt, wie die Arbeit, die ich vor langer Zeit auf den Weg gebracht habe, weiterwirkt.
Erschienen in Ossietzky 8/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |