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DDR-AufarbeitungspanoptikumRalph Hartmann Uniformen des Berliner Wachregimentes »Feliks Dzierzynski« und die Kunstoff-Arbeitsschürze der Aktivistin Frida Hockauf aus dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Mechanische Weberei Zittau, eine Gitarre aus dem VEB Musima Markneukirchen und ein »Trabant«-Kübelwagen der Grenztruppen der DDR, Thälmanns dunkelblaue Schirmmütze, Ulbrichts weiße wollene Pudelmütze und Honeckers rohseidener Doktorhut aus Tokio, eine DDR-Wohnzimmer-Schrankwand, eine Gardine mit eingewebtem SED-Emblem und eine aus dem Palast der Republik gerettete Klopapierrolle – das und vieles andere ist Unter den Linden, im Herzen der Bundeshauptstadt, in der Ausstellung »Parteidiktatur und Alltag in der DDR« des Deutschen Historischen Museums zu bestaunen. Mit der Schau, so Museumsgeneraldirektor Hans Ottomeyer, soll ein Beitrag zur historischen Bewertung der DDR sowie zur weiteren Aufklärung geleistet werden. Es sei wichtig, gerade denen, die nach 1990 geboren wurden, »ein Bild dieses zweiten deutschen Unrechtsstaates zu vermitteln«. Das ist unglaublich gut gelungen und erfreut auch die Bundesbeauftragte für die MfS-Unterlagen, Marianne Birthler. Sie begrüßte die Ausstellung, machte jedoch auch darauf aufmerksam, daß es ehemalige DDR-Bürger gibt, die nicht unmittelbar von Repressalien betroffen waren und meinen, es sei nicht alles schlecht gewesen. Denen sage sie: Wenn er sich nicht bewege, dann merke der Hund die Kette nicht. Nun also können die Hunde die Kette sehen: in der Ausstellung Unter den Linden. Nahezu alle bundesdeutschen Medien machen auf die Exposition aufmerksam und nicht wenige preisen sie an. Auch die Märkische Allgemeine, nach deren Einschätzung sie dem »Gedächtnisverlust« abhilft, denn »letztlich geht es natürlich um das – im 19. Jahrhundert erdachte und im 20. Jahrhundert realisierte – Konstrukt des totalen Staates, um das Leben in und mit der ›Parteidiktatur‹, um Repression, Rückzug und Revolte. Es ist keine enzyklopädische, aber doch eine repräsentative Bestandsschau des Hauses, eine kluge Auswahl von 540 Exponaten...« Leider sind auch kritische Stimmen zu vernehmen. So meint die Illustrierte Stern , daß die Ausstellung viele staunenswerte Dinge zeige und fast nichts erkläre. Bemängelt wird auch im Vorwärts , daß zum Beispiel Theater, Literatur und Musik kaum gestreift werden. Aber weshalb sollte man sie denn beachten? Spielten sie doch in der DDR bekanntlich keine Rolle, wie auch der Sport, der überhaupt nicht vorkommt. Der Kunstkritiker Carsten Probst ließ sich im Deutschlandfunk gar zu dem Urteil hinreißen: »Es ist eine ziemlich uninspirierte und letztlich auch von der intellektuellen Aufarbeitung, von der Thesenhaftigkeit her vollkommen grobklötzige Ausstellung geworden, die keinem weiter ambitionierten Geschichtsdeutungsanspruch gerecht wird.« Diese Mäkelei ist im höchsten Maße ungerecht. Schließlich ist es das Anliegen der Ausstellungsmacher, wie einer von ihnen, Jörn Schütrumpf, treffend bemerkte, den »gemeinsamen Nenner« von »17 Millionen mal Alltag in der DDR« zu ergründen und zu dokumentieren. Diese Absicht ist perfekt, ja glanzvoll verwirklicht, was allein schon die Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen im untergegangenen Staat beweist. In der Mitte der ersten Ausstellungsetage steht in einer Vitrine mit der Aufschrift »Kollektiv« symbolisch ein Bierkasten, während an den Wänden Büsten von Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und anderen Staatsrepräsentanten aufgereiht sind. Geradezu genial! Von beneidenswerter Treffsicherheit der beiden Kuratorinnen Regine Falkenberg und Carola Jung zeugt auch ein Hundertmarkschein, der in einem durchsichtigen Kasten von der Decke baumelt. Erstere kommentierte das Exponat mit dem schönen Satz: »Das ist ein Hinweis darauf, daß es bei aller Ideologie auch ums Geldverdienen ging.« Wer hätte das gedacht? Nicht weniger treffend sind die zu studierenden Witze aus DDR-Zeiten, beispielsweise der inzwischen, weil so DDR-realitätsnah und Hartz-IV-fern, in fast allen Medienberichten über die Ausstellung wiedergegebene: »Warum steht der Mensch im Sozialismus im Mittelpunkt? Damit man ihn von allen Seiten treten kann.« Ja, so war es in der DDR – Kurator Jörn Schütrumpf muß es wissen, schließlich war er von 1982 bis 1990 Mitarbeiter am Zentralinstitut für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Kenntnisreich hat er auch die passende Kommentierung für eines der wenigen Bilder in der DDR-Schau parat. Das Werk stammt von Wolfgang Mattheuer, früher hing es im Palast der Republik, und es heißt »Guten Tag«. Man sieht darauf eine junge Familie beim morgendlichen Spaziergang, die eine Industriestadt hinter sich läßt. »Es könnte auch die Gesellschaft sein«, meint das verdienstvolle Mitglied des Ausstellungsteams. Dieses Doppeldeutige sei für die DDR ein sehr passendes Symbol gewesen. Die Botschaft trifft ins Schwarze. Und es gibt noch eine erfreuliche: Besucher bis zu 18 Jahren haben freien Eintritt in das DDR-Aufarbeitungspanoptikum. So können die Schulklassen an ihren Wandertagen nicht nur wie üblich den Stasi-Oskar-Film »Das Leben der Anderen« sehen oder die Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen besuchen, sondern nun auch in die Ausstellung Unter den Linden wandern und sich ein Bild machen. Wie sagte doch Generaldirektor Ottomeyer? »Durch sehen erkennen.« Mit parteilicher Propaganda, die der DDR ständig und auch in der Ausstellung vorgeworfen wird, hat das selbstverständlich nichts zu tun. Das ist »politische Bildung«, deshalb auch stand die Landeszentrale Berlins dieses Namens dem Historischen Museum hilfreich zur Seite. Vielen herzlichen Dank dafür.
Erschienen in Ossietzky 8/2007 |
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