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Materiell wohlsituiert, wurde sie mit dem Besuch eines Colleges, einem längeren Aufenthalt in Paris und wachsendem Interesse an der Politik zur Anhängerin der von Emmeline Pankhurst geführten britischen Frauenrechtsbewegung. Die junge Frau setzte sich mit dem Wunsch nach einer Schwestern-Ausbildung und künftiger beruflicher wie finanzieller Selbständigkeit gegen standesbedingte Vorbehalte durch. Während eines Besuches bei einer Freundin in der Hansestadt, wo sie Unterricht in Englisch und im Bridge-Spiel erteilte, ergab sich jenes Treffen. Die Hochzeit fand am 19. August 1913 in Fairhaven, England, statt. Bereits im ersten Gespräch hatte Maud bemerkt, daß der 22-Jährige viel über die engliche Sufragettenbewegung wußte: »Es schien mir damals, daß er überhaupt alle Organisationen, die für die Befreiung unterdrückter und leidender Menschen wirkten, kannte. Trotz seiner Jugend hatte er sich schon ein festes Ziel gesteckt: die soziale Ungerechtigkeit, wo immer sie auftrat, anzuprangern und zu bekämpfen.« Bei den folgenden Begegnungen erfuhr sie, daß er die Reifeprüfung verfehlt hatte und als Schreiber beim Grundbuchamt Hamburg arbeitete, jedoch bereits Zeitungsartikel schrieb. Carl war beim Monistenbund engagiert, hielt Vorträge – sie erinnerte sich an einen über »Militärdiktatur und Bürgerrechte« – und leitete die Ortsgruppe Hamburg der Demokratischen Vereinigung: »Die Ziele dieser kleinen Partei entsprachen so ganz seinen eigenen Vorstellungen: Staatsbürgerliche Gleichheit, Freiheit, Beseitigung von Klassenvorrechten und wirtschaftlichen Vorrechten. Zu den Mitbegründern dieser Partei gehörten auch Hellmut von Gerlach, Rudolf Breitscheid und Minna Cauer.« Über »diese deutsche Frauenführerein« habe sie den Zugang zu dem Kreis gefunden, der »so entscheidend auf Carl einwirkte«. Die Demokratische Vereinigung (DV) verdient als die Partei Ossietzkys am Beginn seines politischen und publizistischen Weges vor dem Ersten Weltkrieg Aufmerksamkeit. Darüber hinaus jedoch auch als einziger ernstzunehmender Versuch, im deutschen Kaiserreich zwischen 1871 und 1918 eine wirklich liberaldemokratische Partei zu gründen. Sie ging aus dem Widerstand bürgerlich-demokratischer, antijunkerlich-republikanischer und pazifistischer Gruppen und Persönlichkeiten gegen die seit den Zolltarifkämpfen und kolonialistischen Exzessen um 1900 offenbar unaufhaltsame Rechtsentwicklung der liberalen Parteien hervor. Im Ergebnis von Auflösung und Neuwahl des Reichstages Ende 1906/Anfang 1907 waren die drei freisinnigen Parteien unter nationalistischen Vorzeichen in den von Reichskanzler Bernhard von Bülow inszenierten und dirigierten konservativ-liberalen Block eingetreten. Dieser Schritt verschärfte die innerparteilichen Spannungen bis zum offenen Bruch. Der Sozialliberale Verein in Berlin trat unter dem Vorsitz von Breitscheid Ende April 1908 aus der Freisinnigen Vereinigung aus und konstituierte sich am 16. Mai 1908 als Demokratische Vereinigung (Sozialliberaler Verein in Berlin). Die DV bezweckte laut Satzung »den Zusammenschluß aller Männer und Frauen, die gewillt sind, energisch an der Demokratisierung von Reich, Staat und Gemeinde mitzuarbeiten«. Breitscheid wurde zum Vorsitzenden gewählt, Theodor Barth und Hellmut von Gerlach gehörten dem Vorstand an. Die Generalversammlung beschloß am 25. Oktober 1908 die Umwandlung in eine Partei auf Reichsebene und bestätigte den gewählten Vorstand. Das Programm von 1910 umriß radikaldemokratische, sozialreformerische und antimilitaristische Ziele. Die Partei orientierte sich auf das Zusammengehen mit der Sozialdemokratie, deren Linke eingeschlossen. Nach dem Erscheinen einer Probenummer am 11. Dezember 1909 gab Breitscheid ab Jahresbeginn 1910 Das Freie Volk. Demokratisches Wochenblatt heraus. Zu den Mitarbeitern gehörten Tony Breitscheid, Minna Cauer, Hellmut von Gerlach, Friedrich Glaser und Wilhelm Herzog. Im Mai 1910 erschien ein Artikel von Heinrich Mann über »Frankreich und Deutschland«. Carl von Ossietzky begann seine Mitarbeit in Nr. 8 vom 25. Februar mit einem »Temperamentsausbruch« zur Ablehnung des Stückes »Alles um Liebe« von Herbert Eulenberg durch das Hamburger Publikum: An der Wiener freien Volksbühne, schrieb er, wurde das Stück »begeistert aufgenommen. Vom Arbeiterpublikum!! Das zahlungsfähige Hamburger Bourgeoispublikum sollte sich aufrichtig schämen.« 1913 war Ossietzky im Kreis der ständigen Mitarbeiter von Das Freie Volk bereits für internationale und weltanschauliche Fragen sowie Kulturpolitik zuständig. In »Das Erfurter Urteil« vom 5. Juli 1913 kritisierte er entschieden ein maßloses Kriegsgerichtsurteil gegen drei Landwehrleute. Der Artikel brachte ihm und dem Redakteur Glaser eine Anklage des preußischen Kriegsministers von Falkenhayn und schließlich beiden im Mai 1914 eine Geldstrafe ein. »Durch diesen Prozeß ließ er sich in seiner Arbeit für die Demokratische Vereinigung überhaupt nicht beirren.« So erinnert sich Maud v. O. nach Jahrzehnten: »Schon ein paar Tage später fuhr er als Delegierter der Hamburger Gruppe nach Dortmund zur Parteiversammlung. Er unterbreitete dort den Vorschlag, die Demokratische Vereinigung solle der Deutschen Friedensgesellschaft beitreten.« Inzwischen hatte er sich ungeachtet der eigenen Verfolgung im Februar 1914 mit Rosa Luxemburg solidarisiert, die ebenfalls wegen ihrer antimilitaristischen Aktivitäten vor Gericht stand. Die DV erreichte im Juni 1911 mit etwa 11.000 Mitgliedern ihren Höhepunkt. Mit knapp 33.000 Stimmen konnte sie in der Reichstagswahl 1912 kein Mandat erzielen. Breitscheid wechselte zur SPD, Gerlach übernahm den Parteivorsitz. Mit dem Ausbruch des Weltkrieges erreichte der nationalistische Taumel auch Mitglieder der kleinen demokratischen Partei und verstärkte den Niedergang. Ein Aufruf »An die Partei!« von Vertretern der Parteiführung, veröffentlicht in Das Freie Volk vom 8. August 1914, appellierte, »treu zum Vaterlande zu stehen«. Parteiarbeit wurde in der Kriegszeit für unmöglich erklärt und die Einstellung des Blattes mitgeteilt. Dem Aufruf fehlte die Unterschrift des Vorsitzenden Gerlach; von ihm und Ossietzky stand in dieser letzten Ausgabe kein Beitrag mehr. Eine Versammlung unter Leitung Gerlachs entschied sich im November 1918 für die Auflösung und appellierte an Mitglieder und Sympathisanten, sich der neuen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) anzuschließen. Das historisch-politische Scheitern der DV wurde zu einem weiteren Indiz der antiliberalen und nationalistischen Orientierung der großen Mehrheit des deutschen Bürgertums – seine politische, wirtschaftliche und intellektuelle Elite inbegriffen. Carl von Ossietzky dagegen engagierte sich – wie Minna Cauer, Ludwig Quidde, Kurt Tucholsky und andere – im 1921 gegründeten überparteilichen Republikanischen Reichsbund, der im Umkreis von SPD und DDP, teilweise auch des Zentrums, republikanische Gesinnung zu fördern und zu verbreiten strebte – gegen den vorherrschenden Einfluß antidemokratischer, gegenüber der Republik grundsätzlich skeptischer bis feindseliger Richtungen, Stimmungen und Organisationen. Angesichts der Halbheiten im Verhalten der Führung und zweifelhafter Arrangements mit rechten Tendenzen der Parteien konstituierte sich im Januar 1924 ein entschieden demokratischer und pazifistischer Kreis als Republikanische Partei Deutschlands (RPD). In einem Aufruf vom 6. Februar 1924 proklamierte sie eine »neue Republik« als Leitbild und lehnte Kompromisse mit Gegnern der republikanischen Staatsform ab. Gefordert wurde eine ehrliche Friedenspolitik sowie – gegen den »Imperialismus der Industriekapitäne« und sozialreaktionäre Bestrebungen der Unternehmer – die konsequente demokratische und soziale Ausgestaltung der Republik. CvO schloß sich wie beispielsweise auch Fritz von Unruh, Emil Ludwig und Walter Mehring dieser Partei an, übernahm die Verantwortung für die Propaganda zur Reichstagswahl im Mai 1924 und kandidierte im Wahlkreis Potsdam II; frühzeitig und zutreffend wurden die Gefahren benannt, die der Republik von rechts drohten. Nach dem Wahlfiasko (0,2 Prozent der Stimmen) löste sich die RPD im Juni 1924 auf. Es war Ossietzky nicht erspart geblieben, einmal mehr persönlich die Außenseiterrolle von liberalen Demokraten und Pazifisten in der deutschen bürgerlichen Gesellschaft der damaligen Jahrzehnte zu erfahren.
An Hellmut von Gerlach, dem der vom Kriegsministerium verfolgte CvO schließlich die Leitung der Weltbühne übertrug, wird am 1./2. Juni in Berlin eine Konferenz erinnern, zu der die Deutsch-Polnische-Gesellschaft, die Deutsche Journalisten-Union, die Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft, WeltTrends, die Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinte Kriegsdienstgegner, die Internationale Liga für Menschenrechte und die Redaktion Ossietzky einladen.
Erschienen in Ossietzky 8/2007 |
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