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Sogar die MormonenHorst Schäfer Auf eines konnten sich der Präsident der USA und sein Vize bisher verlassen: Anders als in Meinungsumfragen, in denen eine immer überzeugendere Mehrheit der US-Bürger die Kriegspolitik des Weißen Hauses ablehnt und den Abzug aus dem Irak fordert, anders als bei der Kongreßwahl im letzten November, als George Bushs und Dick Cheneys Republikanische Partei eine empfindliche Schlappe erlitt, anders auch als auf den Straßen von Washington, New York und vielen anderen Städten der USA, wo seit Jahresbeginn hunderttausende Demonstranten gegen den Irak-Krieg und eine drohende Iran-Invasion auf die Straße gingen und verlangten, daß ein großer Teil der auf unvorstellbare 630 Milliarden Dollar erhöhten US-Rüstungsausgaben besser für Entwicklungshilfe, Umweltschutz und Sozialleistungen und auch für den Wiederaufbau des im August 2005 vom Wirbelsturm »Katrina« zerstörten New Orleans aufgewandt wird, war in weiten Teilen des Mormonen-Bundesstaates Utah bisher von all dem wenig zu hören und zu spüren. Von hier kommt schließlich einer der konservativsten Republikaner, der seit mehr als 30 Jahren Utah im US-Senat vertritt, der Mormone Orrin Hatch. Hier gewannen die Republikaner seit Nixon nahezu jede Wahl, und noch 2004 erhielten Bush und Cheney 72 Prozent der Stimmen – so viel wie in keinem anderen Bundesstaat. Hier ist für Bush und Cheney »freundlichstes Territorium«, eben »Bushland«, und jeder Auftritt ein Heimspiel. Dachte man im Weißen Haus. Bis kurz vor Ostern in Utah durchsickerte, daß Vizepräsident Cheney Ende April in Provo (86 Prozent Bush-Wähler) nahe Salt Lake City auf der Jahresabschlußfeier der privaten Mormonen-Universität Brigham Young sprechen wird. Das Weiße Haus, so berichteten die Medien, habe sich dazu quasi selbst eingeladen. Jedenfalls fühlte sich die Leitung der Universität, die letztes Jahr am liebsten den Präsidenten zur Jahresabschlußfeier präsentiert hätte, von Dick Cheneys Bereitschaft geehrt und sprach flugs die offizielle Einladung aus. Doch jetzt stellte sich heraus, daß selbst die Mormonen angesichts von mehr als 3200 toten US-Soldaten und über 24.000 Verwundeten (von den mehr als 600.000 toten Irakern ist seltener die Rede) nicht mehr einmütig hinter der Kriegspolitik ihrer Regierung stehen. Unter Hinweis auf Cheneys Rolle als »Kriegstreiber« versammelten sich nach Bekanntwerden des Cheney-Auftritts Studenten mit ihren Professoren zu einer Protestaktion mit Plakaten wie »Cheney tötet unsere Soldaten« und »Cheney ist der Lehrmeister unseres bisher schlimmsten Präsidenten«. Ein Plakat mit einem Bild, das Cheney mit dem Präsidenten der Mormonenkirche, Gordon B. Hinckley, zeigt, wurde von den Sicherheitskräften der Universität beschlagnahmt. 3600 jetzige und ehemalige Studenten sowie Lehrkräfte unterschrieben innerhalb von knapp zwei Wochen eine Resolution, die die Ausladung des Vizepräsidenten verlangt. Das ist zwar eine Minderheit der insgesamt etwa 30.000 Studenten, aber eine US-Zeitung meinte dennoch, eine Abkehr der Mormonen von Präsident Bush sei in etwa zu vergleichen mit der Weigerung der Schweizer Garde, dem Papst länger Gefolgschaft zu leisten. Professor Warner Woodworth, einer der Organisatoren der Aktion, berichtete, daß er schon unzählige Protestbriefe von Studenten, Eltern und Dozenten erhalten habe, und erklärte: »Wir hier sind eine Einrichtung des Friedens, aber er (Cheney) repräsentiert eine Institution des Krieges, der Täuschung und der direkten Lüge.« Ebenso nachdrücklich hatte sich schon zuvor der Oberbürgermeister von Salt Lake City, Rocky Anderson, zuerst von den Mormonen und dann von der US-Regierung abgewandt. Er warf Bush »schwere Verbrechen«, »unglaublichen Machtmißbrauch«, »seine Rolle bei abscheulichen Verletzungen der Menschenrechte« sowie den Bruch internationaler Verträge, der US-Verfassung und der eigenen Gesetze vor. Als ob das noch nicht gereicht hätte, krönte er seine Aussagen im Fernsehsender CNN mit der Forderung nach einem Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) für Bush. »Wenn ein Amtsenthebungsverfahren je gerechtfertigt war, dann sicherlich in diesem Fall«, sagte er und wurde von Medien und konservativen Politikern sofort als Nestbeschmutzer gebrandmarkt, der das Ansehen Salt Lake City‘s und des Präsidenten beschädigt habe. Doch für die Gegner des Oberbürgermeisters und die Anhänger des US-Präsidenten steht weiterer Ärger ins Haus: Nicht nur in Salt Lake City, überall im Land wird der Ruf nach einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten lauter. Am 28. April ist Impeachment-Day, an dem in allen 50 Bundesstaaten mit Unterstützung einer wachsenden Gruppe von Senatoren und Kongreßabgeordneten größere Aktionen stattfinden, um Bush wegen Amtsvergehen anzuklagen. Würde die Demokratische Partei mit ihrer Mehrheit im Kongreß mitmachen, wäre George Bush nicht mehr lange im Weißen Haus. Doch bisher ist nicht zu erkennen, daß die Demokraten sowohl beim Irak-Krieg als auch beim damit zusammenhängenden Amtsenthebungsverfahren dem Willen der Mehrheit der US-Bürger nachkommen werden. Nach Gallup-Umfragen sind 60 Prozent der US-Bürger gegen den Krieg. Es gibt allerdings auch einige warnende Stimmen. Sie verweisen darauf, daß bei einem erfolgreichen Verfahren gegen Bush automatisch der Vizepräsident die Geschäfte im Weißen Haus übernimmt – man würde also »vom Regen in die Jauche kommen«, wie die Zeitung Sun-Sentinial aus Florida am 12. April andeutete. Dieser Gefahr will man dadurch begegnen, daß man den Vizepräsidenten in das Amtsenthebungsverfahren einschließt. Die Forderung der Demonstranten am 28. April und auch zwei Tage zuvor beim geplanten Auftritt von Cheney an der Mormonen-Universität in Utah wird also lauten: »Impeach Bush and Cheney«.
Erschienen in Ossietzky 8/2007 |
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