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Kurze Zeit danach saß unser wiederauferstandener Autor frisch und munter am 1. 4. 2007 in der Runde bei Sabine Christiansen zwischen dem motzend-kotzenden SPD-Stiegler, seinem heiligen Bruder Peter Hahne, einem beschleunigt reagierenden Spiegel -Redakteur Gabor Steingart, der charmierend aufmüpfigen CSU-Pauli und einer Sahra Wagenknecht, der Hahne speichelflockig linke Armutslyrik ankreidete, indessen sie mit nichts als blanken Fakten um sich warf. Mittendrin also der ewige Sachse Karl May, ein tapferes Schreiberlein des Pazifismus – alles ist möglich, wenn unsere wiedergeborenen Jagdflieger ergebenstgehorsam Richtung Hindukusch starten dürfen. »Einsatz!« gellt es uns in den Ohren, küßt den herzigen Knut, aber beeilt euch, denn bald wird er euch beim Zurückküssen die Nase abbeißen. Die jungen Tornado-Piloten haben vorm Abflug alle ihr Testament gemacht – Todesahnungen und Todesworte umschwirren uns wie aufgescheuchte Hornissen. In der FAZ war auch schon von einem »Schreibmedium Gitti« zu lesen, das »Antworten aus dem Jenseits erhält«. Ja dann! Es wurde der »Masseur Gottes« beschrieben. Wenn's denn wohltut? Auf der selben Seite erfuhr ich vom »Tod als poetische Inspiration«, was mir fast plausibel ist, denn, ging es weiter, wir »müssen mit dem Sterben leben«, was ich vom Masseur Gottes gern lernen will, allerdings wurde über den Arbeitgeber des Masseurs zugleich gemeldet: »Der Allmächtige ist abwesend«, was vielleicht erklärt, weshalb es später hieß: »Wer die Geschichte von Jesus Christus studiert, denkt doch unwillkürlich, wie eilig es der Mann hatte, sich in den Himmel abzusetzen.« Was aber soll das bringen, wenn der Allmächtige abwesend ist? Was nutzt die Flucht in den Himmel, wo doch verkündet wurde: »Die Toten kehren wieder zum Tanz.« Eine Frage lautete: »Können Engel eigentlich weinen?« Am selben Tag meldete die Zeitung den Tod der Schauspielerin Carola Höhn und druckte dazu ein Foto der Publizistin Carola Stern. Geisterstunde. Da war das Blatt noch urteilssichererer mit der Information: »Gott will es so, sagte der Papst ... « Der muß es schließlich wissen. Wer denn sonst? Ich schlußfolgere: Kehren die Toten zum Tanzen wieder, können Engel auch weinen. Schließlich erklärte Kardinal Ratzinger bei der Trauerfeier für Johannes Paul II.: »Sie können sicher sein, daß unser geliebter Papst jetzt am Fenster des Hauses des Vaters steht und uns sieht und segnet.« Allerdings las ich auch: »Der Glaube schläft nur.« Das paßt gut zu den Briten, die »Mobiltelefone mit ins Grab nehmen«, offenkundig, um für die Lebenden weiter erreichbar zu bleiben oder »zwecks Verabredung mit Verblichenen«. Der stern erzählte die »Geschichte der Heilands-Emma und ihrer Wundmale«, was der Spiegel gleichsam bestätigte mit der schönen Tatsachenfeststellung vom »Glück durch Glauben« sowie durch einen Reisebericht der »Aliens vom Blauen Mond«, endend mit der verständlichen Frage:»Wenn es viele intelligente Lebensformen im Weltall gibt, warum sind dann nicht einige davon längst hier?« Mögliche Antwort: Weil bei uns auf Erden zu viele unintelligente Lebewesen das Sagen haben. So richtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Glaubenskräfte gleich wieder aufs Jenseits und fragte: »Was wird aus uns, wenn wir sterben?« Als illustre Auskunft erhält der FAS- Leser einen »Baedecker fürs Jenseits«, der mit der Bezahlung des Blattes als rechtlich wohlerworben gilt. Den Gipfel erreichte der stern mit dem Bekenntnis eines Bestsellerautors, der abendländisch kurz und knapp mitteilte: »Ich mag den Tod.« Kein Wunder, wenn so viel Ergebenheit den US-Hetzprediger Fred Phelps zum Weltrekordler der Infamie werden läßt: »Gott tötet in seinem Haß auch Unschuldige« – der Mann kennt sein Altes Testament samt G.W. Bush aus dem ff. Wie der islamische Iraner Mohamad Chatami seine Suren kennt: »Religion muß absolut sein.« Zwischen so stolzen Absolutisten stehen wir sächsischen Ungläubigen wie Karl May zwischen Pleiße und Elbe auf der Suche nach dem Schatz im Silbersee – Wasser muß es sein, aber nicht aus dem Taufbecken. Wir beschließen den anhaltend lustigen Totentanz der Medien mit einer FAZ -Meldung, die einen »Bestseller über das Sterben« anzeigt. Acht Tage zuvor hatte Alexander Garland schon die zugehörige Parole formuliert: »Der Letzte macht das Licht aus.« Wir wüßten nur gern, wer der Letzte ist, geht es überhaupt um Tote oder Lebende mit all ihren Engeln, Göttern und Teufeln? Wenn im führenden Blatt für die gehobenen Stände so übersinnlich und theologisch dahergequasselt wird, weichen wir aus nach Übersee und holen uns Auskunft bei einem ebenfalls verstorbenen, jedoch unsterblichen Profi: Ein Interviewer wollte originell sein und fragte Mark Twain, was er von der Hölle und vom Paradies halte. Das kann ich Ihnen nicht sagen, erwiderte der Autor, denn ich habe da wie dort Freunde und muß darum die strengste Neutralität wahren. Karl May ist jetzt in unseren tv-Sendungen wegen der Neutralität und der Ausgewogenheit wichtig. Deutschland steht durch die Jahrhunderte im Kampf gegen Franzosen und Russen, gegen Juden und Bolschewiken, gegen Islamisten in Asien und anderswo – zwei Bundeswehr-Offiziere immerhin verweigern heute den ewigen Kriegskreislauf und brauchen Verstärkung aus dem Jenseits. Bertha von Suttner, die unbeugsame Pazifistin, Autorin das Buches »Die Waffen nieder« , schrieb über den am 22. 3. 1912 in Dresden verstorbenen May, mit dem sie sich einig wußte im Kampf um den Frieden: »In dieser Seele lodert das Feuer der Güte.« So kommt es, daß selbst wir Atheisten daran glauben können, mögen auch die kriegsgläubigen Christen den Medienhimmel beherrschen. Sie können nur noch durch wiedergeborene Pazifisten gerettet werden. Der sächsische Karl May und sein roter Bruder Winnetou reiten voran, den in seinem Tornado durch eine Stinger abgeschossenen Jesus mit einem Fallschirm sicher zur Erde schweben zu lassen. Am 5. April 2007 las ich in der FAZ: »Gott war ein Bolschewik.« Wenn ER – dann wir schon lange.
Erschienen in Ossietzky 8/2007 |
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