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Heine schildert, wie »die Weiber weinend den Soldaten entgegentraten und ihnen zuriefen: ,Wir brauchen keine Kugeln, wir brauchen Brot‹. Die Männer kreuzten ergebungsvoll die Arme und sprachen: ,Den Hunger müßt Ihr totschießen, nicht uns und unsere Kinder.‹« Da geschah es: »Es ist kaum glaublich, und es ist dennoch wahr, daß englische Rotröcke nicht den Befehl ihrer Offiziere, sondern der Stimme der Menschlichkeit gehorchten.« 50 Soldaten schossen nicht – und wurden eingekerkert. Ich treffe Günter aus Köln, der mir von einem Erfolg berichtet, wie ihn in der heutigen Zeit niemand für möglich gehalten hätte. Die Initiativen »Bundeswehr wegtreten« und »Pax an« hatten beim Direktor der Kölner Arbeitsagentur gegen die Feldjäger der Bundeswehr protestiert, die im Arbeitsamt seit einigen Monaten den Arbeitslosen entgegentreten, die in die Nähe der dortigen Bundeswehrberatungsstelle kamen. Die hatten bisweilen zwar nicht gerufen Wir brauchen keine Kugeln, sondern Brot aber doch: Wir brauchen keine Soldaten, sondern Arbeit. Nun hat der Arbeitsagenturdirektor an »Pax an« geschrieben, daß er die Beratungstätigkeit der Bundeswehr in seinem Haus, zu deren »Schutz« die Wehrdienstberater ihre Feldjäger bestellt hatten, unterbrochen habe, bis das Hausrecht wieder von der Militärpolizei auf die Arbeitsagentur übergeben werde. Im Behördendeutsch: »Bis zur Klärung der Rahmenbedingungen zur Durchführung von zukünftigen Informationsveranstaltungen in meinem Hause habe ich die Sprechstunden der Bundeswehr – ungeachtet meiner fachlichen Meinung zur Notwendigkeit einer qualifizierten Beratung auch in diesem Berufsfeld – derzeit ausgesetzt.« Am Rednerpult des Ostermarsches Rheinland steht Helmut Prieß, Oberstleutnant a.D. vom Darmstädter Signal. Er geht noch mal alle Stationen durch, die von der Bundeswehr durchlaufen wurden, bis sie Deutschland am Hindukusch zu verteidigen hatte. Niemand, der die Ostermärsche schon zu Zeiten vor der Wende mitgemacht hat, hätte sich vorstellen können, daß unser Land einmal wieder einen solchen Weg ins Militaristische und ins Kriegführen gehen würde. Doch es sind noch immer Überraschungen, böse Überraschungen denkbar. * Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit wird die Bundeswehr zum Instrument der Innenpolitik und die Polizei zu einem der Außenpolitik, wobei Bundeswehr und Polizei unter ein Kommando geraten: das der Militärs. Mit ZMZ (Zivil-Militärische Zusammenarbeit) werden bis zum Sommer Strukturen für den Einsatz der Bundeswehr im Innern geschaffen. Millionen von Bürgern werden in den Reservistenstatus versetzt und können nun kurzfristig einberufen werden, so sie männlich und unter 60 Jahren sind. Das sieht ein Gesetz aus den »blutrot-olivgrünen« Jahren 1999 bis 2005 vor. Schon die Fußball-WM wurde genutzt, um militärisches Vorgehens gegen größere Bevölkerungsgruppen zu testen. An den Spielstätten wurden 7.000 Feldjäger, Pioniere, Sanitätssoldaten – mit Waffen und Gerät – zusätzlich zu einem gewaltigen Polizeiaufgebot bereitgehalten. Die CDU geht noch weiter: Vor drei Jahren beschloß sie ein Papier zur »Terrorismusbekämpfung«, das vorsieht, in allen größeren Städten und Landkreisen Regionalstützpunkte einer neu zu schaffenden Heimatschutzstruppe zu errichten, die im »Ernstfall« rund 250.000 Soldaten und Wehrpflichtige umfassen soll. Das von der Bundesregierung beschlossene »Weißbuch der Bundeswehr« geht auch darüber hinaus. Es sieht noch größere Mannschaftsstärken und weitere Aufgaben der Truppe vor. Ehemalige Bundeswehrsoldaten und andere tauglich gemusterte Reservisten sollen zur »Hilfeleistung im Inland« (wie das neue, von den Medien kaum erwähnte Reservistengesetz diesen neu entstehenden Wehrdienst nennt) ständig einsatzbereit sein. 140.000 Reservisten sind im Deutschen Reservistenverband organisiert. Rund 500 hauptamtliche, von der Bundeswehr bezahlte Kader leiten den Verband. Auf kommunaler Ebene werden gegenwärtig Bundeswehrreservisten und Feuerwehr sowie Technisches Hilfswerk koordiniert. Wie die Freiwillige Feuerwehr sollen sich die Reservisten als »Ehrenamtliche« verstehen, die in kürzester Zeit in großer Zahl mobilisiert werden können. In Dortmund leitet ein Oberstleutnant, im Zivilberuf Pfarrer und Klinikseelsorger, die »ehrenamtliche« Territorialarmee. Er und seine zwölf Stellvertreter haben schichtweise ständig Alarmbereitschaft und müssen innerhalb von 30 Minuten vom »ehrenamtlichen« Offizier zum Hauptamtlichen werden. Die hauptamtliche Leitung auf Landesebene kann in den Kreisen, Städten und Regierungsbezirken auf Stabselemente aus dem Reservistenkader zurückgreifen und insgesamt 31 Bezirks- und 426 Kreisverbindungskommandos in Bewegung setzen, die den Stadtverwaltungen und Regierungsbezirken »zur Seite« gestellt, aber ausschließlich von der Bundeswehr geleitet werden. Die Truppe als innenpolitischer Sicherheits-, sprich Machtfaktor! Mit zunächst 5.500 hauptamtlichen, ständig aktiven Dienstposten starten diese Inlandskommandos im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ). Bis 2009 ist zusätzlich auf Bundesebene geplant, neun spezialisierte Bataillone aus dem Sanitätsbereich und fünf Pioniereinheiten sowie zwei Spezialstützpunkte für die ABC-Waffen-Abwehr zu schaffen, alles im Rahmen von ZMZ. Bundesländer sollen diese Einheiten anfordern können. Ein erster großer Einsatz ist für Sommer 2007 angekündigt. Der Inspekteur und Vizeadmiral Wolfram Kühn teilte in Rostock mit, die Bundeswehr stehe »im Notfall für eine Unterstützung beim G-8-Gipfel im Juni in Heiligendamm bereit.« Dies offenbar mit Blick auf die geplanten Protestkundgebungen. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiederum fordert neuerdings energisch den Einsatz der Bundespolizei auch im Ausland. Die treibt sich zwar ohnedies außerhalb unserer Grenzen herum, aber bisher freiwillig. Jetzt soll der Einsatz durch Befehl erzwungen werden können. Der Minister hat erkannt, daß das 2005er Reservistengesetz nicht ausreicht. Polizisten sind nicht wehrpflichtig und zumeist nicht beim Bund gewesen, also keine Reservisten. Ihnen wurde der Wehrdienst erlassen, weil sie ja Polizeidienst machten. Für die militärischen Auslandseinsätze der Polizei sollen nun »gesetzliche Grundlagen geschaffen werden«. Ob die demokratische Öffentlichkeit wenigstens diesmal aufmerken wird? Zu hoffen ist immerhin, daß sich die Kriegsdienstverweigererbewegung der Sache annimmt. Denn als einsatzfähige Reservisten gelten bis zum 60. Lebensjahr alle, die nicht den Kriegsdienst verweigert haben. Wer also als Ersatzreserve und tauglich gemustert wurde, und liegt es auch Jahrzehnte zurück, kann noch geholt werden. Kriegsdienstverweigerung wird für fast alle wieder aktuell. Auch das ist auf einer Bundeswehr-Website zu erfahren: Besonderer Wert wird auf polizeiliche Fähigkeiten gelegt, die auf einer Feldjägerakademie vermittelt werden. Und wie werden die Feldjäger dann auf die Rufe »Wir brauchen keine Kugeln, sondern Brot« oder »Wir brauchen keine Soldaten, sondern Arbeit« reagieren? Wie die Rotröcke Wellingtons im Towergefängnis oder wie die Reichswehr unseligen Angedenkens?
Erschienen in Ossietzky 8/2007 |
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