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Imperialism Reloaded

von Benedict Kaufmann

Spätestens seit den Interventionen in Afghanistan und im Irak ist deutlich geworden, daß militärische Gewalt als Mittel zur Aufrechterhaltung internationaler Ordnung in keiner Weise obsolet ist. Entsprechend gibt es seit einigen Jahren vor allem in angelsächsischen Ländern eine intensive sozialwissenschaftliche Debatte um den "Neuen Imperialismus" - sowohl von neokonservativer als auch linker Seite.

Christoph Klutsch stellt in seinem Buch American Empire - Die Bürde des reichen Mannes? dar, daß es sich bei der gegenwärtigen Zunahme "imperialistischer" Gewalt im internationalen Rahmen nicht um einen Betriebsunfall einer ansonsten friedlich vonstatten gehenden globalen Ausbreitung von Marktbeziehungen handelt, der durch eine Clique von Wahnsinnigen im "Weißen Haus" verursacht werde. Vielmehr gebe es eine transnationale Interessenidentität "neoliberal-imperialistischer" Herrschaftsmuster.

Klutsch beginnt mit einem kurzen Abriß der Imperialismustheorien Lenins und Luxemburgs, deren gravierende Mängel, aber auch Anknüpfungspunkte er darlegt. Dann widmet er sich der jüngsten Generation marxistischer Theorien des Imperialismus, die sich nicht nur in abgehobenen philosophischen Spekulationen über die Herausbildung eines ort- und formlosen "Empires" (Hardt/ Negri) verlieren, sondern teilweise auch staatstheoretisch fundiert eine Analyse des auf die USA zentrierten globalen kapitalistischen Systems liefern. Besonders interessant wird das Buch durch die konsequente Anwendung der Methoden der neogramscianischen Schule der Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ). Diese neomarxistischen Strömung innerhalb der politikwissenschaftlichen Lehre der Internationalen Beziehungen versucht, eine Analyse der Gründe "imperialistischer" Gewalt auf internationaler Ebene zu liefern.

Klutsch sieht im Neoliberalismus eine Entwicklung, in der der Markt zur zentralen Instanz gesellschaftlicher Organisation wurde. Gewaltverhältnisse seien dabei notwendig angelegt. Diese äußerten sich unter anderem in der Beseitigung von Hindernissen des freien Spiels der Marktkräfte, die sowohl in Form von Regulierung, aber auch in Form von sozialen Akteuren (z.B. Gewerkschaften) auftreten können. Hinzu kommt auch nach außen der missionarische Anspruch auf Ausbreitung der marktvermittelten Beziehungen als einziges legitimes und rationales Prinzip der Vergesellschaftung.

Der neoliberale Staat ist dem entsprechend kein schwacher Staat. Die Absicherung des Marktes erfordert notfalls ein repressives Vorgehen. So steht dem Rückgang von sozialen Leistungen eine Ausweitung des Zwangsapparates sowohl nach innen wie auch nach außen gegenüber. Bedingt wird dies auch dadurch, daß die durch den Marktradikalismus hervorgerufene wachsende wirtschaftliche Ungleichheit auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene zu einem Anwachsen des Konfliktpotentials führt. Zur Bearbeitung dieser Widersprüche wird nach "nineeleven" verstärkt mit der direkter Gewaltanwendung reagiert.

Damit erscheint die imperialistische Ausgestaltung des Neoliberalismus als spezifische Form, in der die dem Kapitalismus inhärenten Widersprüche bearbeitet werden. Dies ermöglicht, "Imperialismus" nicht als bloße Politik der US-amerikanischen Administration, sondern als Teil eines hegemonialen transnationalen Projektes zu interpretieren, an dem soziale Kräfte und Kapitalfraktionen verschiedener Staaten beteiligt sind.

Christoph Klutsch: American Empire - Die Bürde des reichen Mannes? Zur transnationalen Interessenidentität "neoliberal-imperialistischer" Herrschaftsmuster. Westfälisches Dampfboot, Münster 2006, 223 Seiten, 24,90 Euro.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift informationszentrum 3. welt (iz3w), Nr. 299.

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sopos 5/2007