Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Malewitsch und HitlerMonika Köhler Wer unten vorbeifährt, muß ihn nicht wahrnehmen. Wer die Stufen hinaufsteigt zu dem Platz zwischen der Galerie der Gegenwart und der Alten Kunsthalle in Hamburg, kann ihn nicht übersehen, diesen schwarzen Kubus, Kasten, Würfel, dreizehn Meter hoch, breit und tief, mit Stoff verkleidet. Haus ohne Fenster und Türen, ein nicht betretbarer Raum. Er soll irritieren und Assoziationen wecken, auch an die Kaaba in Mekka doch er ist kein Nachbau. Ein Grund, warum diese Skulptur (oder Architektur) nun in Hamburg steht und nicht in Venedig: Die Arkadengänge des Markusplatzes ähneln der Umgebung der Kaaba in Mekka. In dieser Zeit der Furcht vor extremen Islamisten wagten es die Verantwortlichen nicht, den Ort zu genehmigen. Eine weitere Ablehnung kam aus Berlin, wo der Kubus vor dem Museum Hamburger Bahnhof errichtet werden sollte. Jetzt findet in Hamburg die Ausstellung »Das Schwarze Quadrat Hommage an Malewitsch« statt, und der Kubus ist integriert, ist Teil der hier dokumentierten Rezeption dieser »Ikone« der modernen Kunst in Bildern, Plastiken, Videos von 1945 bis heute. Den schwarzen Kubus hat der 1969 geborene Gregor Schneider geschaffen. 2001 erhielt er auf der Biennale in Venedig für sein »Haus ur« den Goldenen Löwen. Innenräume, die einengen, in die Irre führen, ins Nichts. Jetzt wird in Düsseldorf, in der Kunstsammlung K21, seine Installation »Weiße Folter« gezeigt, die auf Guantanamo verweist, auf Hochsicherheitstrakte ohne Ausweg, gleißend hell, weiß, sauber, still kein Ton, der nach außen dringt. In seinem schwarzen Kubus sieht Gregor Schneider einen Ort, der in seiner Verschlossenheit den Betrachter geradezu auffordert, ihn gedanklich zu durchdringen. Im Islam gibt es übrigens kein Verbot, die Kaaba abzubilden. Malewitschs »Schwarzes Quadrat auf weißem Grund« und die Folgen, in huldigender oder ironischer Form, das ist im Gründungsbau der Kunsthalle zu besichtigen. Das berühmte Bild, das erste des Suprematismus, hing 1915 (hier die Fassung von 1923) in der Ausstellung 0.10 in Petrograd an besonders exponierter Stelle. Dort, wo in russischen Häusern die Ikone ihren Platz hatte. Nun nahm das Nichts, die Leere, diesen Raum ein. Was dazu führte, daß Malewitsch 1918 ein »Weißes Quadrat auf weißem Grund« malte und 1919 das Ende des Suprematismus verkündete. Seine Zeitgenossen entdeckten später die Farbe wieder für sich, sahen sich nach der Oktoberrevolution als Baumeister einer neuen Welt. Lissitzkys »Lenintribüne« ein Beispiel für die Ausdehnung ins Dreidimensionale. Ein Großteil der Ausstellung zeigt künstlerische Auseinandersetzungen mit dem schwarzen Quadrat bis in unsere Zeit. Von der amerikanischen Minimal Art bis zu sehr eigenwilligen, auch kritischen Rezeptionen. Auffällig ist das fast einen ganzen Raum einnehmende schwarze Quadrat aus Altöl, das in einem Stahlbecken schwimmt und schon von weitem seinen Geruch verströmt. Der Japaner Noriyuki Haraguchi schuf diesen tiefschwarzen Ölsee, der hier in der Kunsthalle leider nichts spiegelt, da der Raum fensterlos ist. Günther Ueckers Nagelquadrate, das Licht reflektierend, stehen für das gewaltsame Durchdringen einer Fläche, genauso wie die zerschlitzten Leinwände Lucio Fontanas. Bruce Nauman und Samuel Beckett sind mit Videos vertreten, in denen das Quadrat als Fläche, die betreten oder nicht betreten werden darf, im Mittelpunkt steht: die Sinn- und Aussichtslosigkeit des Sich-Bewegens in einem abgesteckten Raum. Malewitsch ist selbst in der Ausstellung als Körper anwesend. Er liegt, ein Toter, aufgebahrt in einem suprematistischen Sarg, der Sargdeckel mit Quadrat und Kreis steht an der Wand. Über ihm sein »Schwarzes Quadrat«, daneben ein Strauß weißer Lilien. Ein Foto von 1935, das Malewitsch wie einen Heiligen präsentiert, hier nachgestellt 2003 von der slowenischen Künstlergruppe IRWIN. Wie »totalitäre Systeme« so der Katalog die künstlerische Utopie aufgreifen und sich aneignen, das zu zeigen sei ein Anliegen der slowenischen Gruppe. Dabei mache sie »keinen Unterschied zwischen Zeichen aus der Propagandakunst totalitärer Regime, zwischen nationalsozialistischen Symbolen und solchen des sozialistischen Realismus«. Zum Beispiel ein Foto: fünf Vertreter der Gruppe IRWIN mit angeklebten Hitlerbärtchen. Malewitschs Ikone der modernen Kunst wird so zum »Signum des Faschismus«. Titel: »Geheimnis des Schwarzen Quadrats«. Malewitsch als Vorläufer Hitlers totalitarismustheoretisch gesehen. Diese Künstler taten sich später mit der gleichgestimmten Musikgruppe »Laibach« zusammen, die gern in Naziuniformen auftrat. Das »subversive Element« der Gruppe IRWIN habe Anteil an »der Beschleunigung des Demokratisierungsprozesses« in Slowenien, der dem »Tod des Diktators Jozip Broz Tito« folgte und der 1991, so desinformiert der Katalog weiter, in die »Unabhängigkeit« also in die Zerschlagung Jugoslawiens mündete. Die Totalitarismustheorie ist für jeden Irrsinn zu gebrauchen. Ganz anders der ironische Umgang mit Malewitschs Quadrat bei Künstlern wie Jorge Molders, Sigmar Polke und Rosemarie Trockel. Bei Molders in seinem »Vasistas« (Was ist das) von 2005 wird das schwarze Viereck von einem Menschen durchklettert wie eine Bodenluke, ganz real, fast bedrohlich von oben im Video zu erleben. Rosemarie Trockels 1988 gestricktes weißes Bild mit schwarzem Quadrat in der rechten Ecke und dem ungelenk handschriftlichen Kommentar: »Cogito, ergo sum« ironisiert sich selbst, schon durch das weiblich-weiche Material Wolle. Sigmar Polkes Werk von 1969 braucht keine Erklärung, es hat als Titel: »Höhere Wesen befehlen, rechte obere Ecke schwarz malen«. Höhere Wesen stehen wohl auch hinter der Absicht, als Ergänzungsprogramm zur Ausstellung Anfang Juni Filme und Videos vorzuführen und einen Workshop unter dem modischen Oberbegriff »Okkult« abzuhalten. Mit Dokumentationen (?) über Telekinese, Gedankenphotographie, Spuk und Poltergeister. So präsentiert sich der neue Kunsthallendirektor Professor Hubertus Gassner, der Kurator der Ausstellung und Herausgeber des Katalogs ist. Ausstellung bis zum 10. Juni; Katalog im Hatje Cantz-Verlag, 232 Seiten, 35 €
Erschienen in Ossietzky 7/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |