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Nach Meinung nicht neoliberal denkender Ökonomen wird sich das ungünstig auf Konjunktur und Arbeitsplätze auswirken. Was die Bank dabei im Auge hat, ist immer nur die »Geldwertstabilität«, das heißt ein starker Euro in der Konkurrenz zum Dollar. Um die Warnungen der EZB richtig einschätzen können, muß man wissen, daß die Nettoreallöhne in der Bundesrepublik im letzten Jahr um zwei Prozent gesunken sind und daß die seit langem andauernde Umverteilung von Arbeit zu Kapital dazu geführt hat, daß der Anteil der Löhne am Bruttoinlandsprodukt, also die Lohnquote,seit 1993 von 72,2 Prozent auf 66,2 Prozent zurückgegangen ist. Spiegelbildlich dazu ist der Anteil der Gewinne gestiegen. Joseph Schumpeter charakterisierte einst, durchaus zustimmend, das Wesen des kapitalistischen Unternehmertums als »schöpferische Zerstörung«. Eben dies scheint die Devise der EZB auch bei ihrem geplanten Neubau im Frankfurter Ostend zu sein. Die Stadt hat ihr dort ein Gelände verkauft, auf dem die ehemalige Großmarkthalle steht, ein Bauwerk der klassischen Moderne aus den 1920er Jahren. Ebenso wie die Wohnsiedlungen des damaligen Stadtbaurats Ernst May in verschiedenen Frankfurter Stadtteilen verkörpert diese Halle die Idee des damals so genannten »Neuen Frankfurt«: eine Verbindung von moderner, auch technisch avancierter Architektur mit sozialreformerischen Ansätzen. Martin Elsaesser, der sie entworfen hat, sah es als Ziel von Stadtplanung an, eine »lebendige, menschliche und soziale Ordnung« zu schaffen. Wie die May-Siedlungen steht die Halle unter Denkmalschutz, so daß von den Planern des EZB-Neubaus ein schonender, bewahrender Umgang mit ihr zu erwarten und zu verlangen war. Der preisgekrönte Entwurf der Wiener Architektengruppe Coop Himmelb(l)au schien sich zunächst auf dieses Gebot einzulassen. Doch im dritten Entwurfsstadium stellte sich heraus, daß die »Annexbauten« zu beiden Seiten der Halle einem gegen die Terrorismusgefahr angeblich helfenden Graben um den Gebäudekomplex zum Opfer fallen sollen und daß der neu zu bauende Bankenturm mit der Halle durch einen »Querriegel« verbunden werden soll, der wie ein Keil ihr wellenförmiges Spannbetondach zerschneidet. »Progressiver Denkmalschutz« ist das für den verantwortlichen Architekten Wolf Prix. Die kürzlich bei bisher niedrigster Wahlbeteiligung im Amt bestätigte Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) sprach im Wahlkampf von einer »wundervollen Symbiose von denkmalgeschütztem Industriebau und einer modernen Architektur«. Namhafte Architekten, eine Reihe von Fachverbänden und Vereinen, die drei Frankfurter Tageszeitungen, die Nachkommen Martin Elsaessers und viele Frankfurterinnen und Frankfurter, denen die Großmarkthalle ans Herz gewachsen ist, nennen es einen Eingriff ohne Respekt vor der symbolischen Bedeutung des Bauwerks für die Vergangenheit und Zukunft. Die EZB ficht das nicht an. Nachdem erst die Mehrheit im Stadtparlament, dann die hessische Denkmalschutzbehörde vor den Plänen ihrer Architekten in die Knie ging, möchte sie den Triumph des Tauschwerts über den Gebrauchswert in ihrem Neubau feiern. Denn war die Großmarkthalle einst der »Bauch von Frankfurt« (so wie die Pariser Hallen »Bauch von Paris« genannt wurden), ein Basar nützlicher, lebensnotwendiger Dinge, so soll der hohe Turm der EZB ein Tresor des Geldes werden, der mit einer herrscherlichen Imponiergeste die Halle so heftig in Beschlag nimmt, daß ihr Bild dabei zerstört wird; manche sprechen auch von einer aggressiven Penetration). Der Architekturkritiker der FAZ , Dieter Bartetzko, stellte diesen Vorgang in einer Protestveranstaltung in eine Reihe mit vielen weiteren Beispielen, wo in Frankfurt am Main »Geld und Macht« über das bauliche Erbe siegten. Die andere Seite der Medaille ist die bei den Planungen für die Neugestaltung eines Innenstadtareals gleichsam kompensatorisch ausbrechende Fachwerk-Nostalgie. Die Nachkommen Martin Elsaessers haben unter Berufung auf sein künstlerisches Urheberrecht, das noch nicht erloschen sei, eine Klage gegen die EZB angekündigt. Vielleicht gelingt es diesmal doch noch, die Bankenherrlichkeit in die Schranken zu weisen.
Erschienen in Ossietzky 7/2007 |
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