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Alles wartet, genervt. »Nu mal los«, höre ich hinter mir eine Stimme. Das Warten gehört zum Originaltext. Matti, der Chauffeur (Andreas Döhler) wartet schon zwei Tage lang auf seinen Herrn, der stockbesoffen und nun aufdringlich menschlich ist. Er umarmt Matti, küßt ihn ab, wirft sich ihm an den Hals, grabscht überall hin und träumt davon, daß er nichts besitzt – so wie Matti. So weit, na ja. Wir sollen das Brecht-Stück im Hamburger Thalia-Theater so sehen, wie Michael Thalheimer es will. Die Bühne (Henrik Ahr): zwei kahle Wände, die in der Mitte einen Winkel bilden, einmal aus Holz, dann stumpf-metallisch, die Ecke wie mit Dreck beworfen. Keine Requisiten, nur zum Schluß ein Stuhl und die Kaffeetasse, die immer dann gereicht wird, wenn Puntila nüchtern werden soll. Keine Schnapsflaschen, Punsch kommt braun von oben als Dusche. Vieles ist eliminiert. Kein Prolog, keine Songs. Alle Nebenrollen, jeder, der zum Gesinde zu rechnen ist, weg. Dann findet auch, logisch, kein Arbeits-, kein Gesindemarkt statt. Puntila steht vorn und spricht, nein, eben nicht zum Publikum, was ja möglich wäre, da die Arbeitssuchenden auf der Bühne fehlen. Seine Worte, an eine unsichtbare Ferne gerichtet »außerhalb dieser Welt«, so sieht es der Regisseur im Interview, dort, »wo keine Logik hinreicht«. Eine »eindeutige Aussage des ganzen Stückes ist für mich nicht auszumachen«, behauptet Thalheimer. Die Figuren kämpften »vor allem mit sich selbst«. Die Presse hat verstanden: »Kein abgenudelter Klassenkampf« freut sich nicht nur die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung . Das Hamburger Abendblatt lobt Puntila als »kraftvoll und klug«, wenn auch mit »schweißtreibender Empathie« gespielt. Matti dagegen sei »ein bißchen tumb, maulig«, auch »geistig zurückgeblieben, ein mißmutiger Bilderbuchproletarier und langweiliger Spießer«. Brecht – aber er ist nur der Autor – schrieb einst über Puntilas Gegenspieler: »Die geistige Überlegenheit soll bei Matti liegen.« Gestrichen ist die Pinkel-Szene im Hof. Puntila, von der Natur schwärmend, will keine traurigen Leute um sich haben. Matti so nebenbei: »Ich weiß nicht, warum die Leut auf dem Gut so elend ausschaun, käsig und lauter Knochen und zwanzig Jahre älter. Ich glaub, sie tun es Ihnen zum Possen, sonst würdens zumindest nicht offen auf´m Hof herumlaufen, wenn Gäst auf´m Gut sind.« Die Streichung ist folgerichtig, wenn nirgends ein Gesinde ist. Die Gäste treten auf. Der Richter (Markus Graf), der Probst (Hartmut Schories) und der Attaché (Ole Lagerpusch). Eva (Katrin Wichmann), die Tochter Puntilas, soll mit dem farblosen Attaché verheiratet werden. Sie trägt immer ein rosa Ballkleid mit Folklorejäckchen zum Aufknöpfen und Brustfreilegen. Von den Frauen aus Kurgela, den vier Bräuten Puntilas, fehlt die Schmuggler-Emma. Wenn sie ihren Tagesablauf schildern, starr, wie ausgebrannt, hört Puntila nicht wirklich zu, tätschelt sie, klettert an ihnen herum, lädt sie im Suff aufs Gut. Wenn sie tatsächlich erscheinen, bemächtigen sie sich seiner, ziehen ihn bis auf die Unterhose aus, neckisch, ausgelassen – ein Sieg ist es nicht. Puntila, nüchtern, jagt sie davon, sie stören hier. Konsequent: Ein Mensch, der »sich abschaffen möchte«, wie es Thalheimer sieht, der wird am Schluß sterben – nicht bei Brecht. Nachdem Puntila schwärmerisch dem Diener die Schönheiten seiner Heimat, wenn auch nur in der Phantasie, gezeigt hat, schläft er friedlich auf dem Stuhl ein. In Hamburg drückt ihm Matti die Augen zu, geht. Wieder tiefste Dunkelheit. Die Gutsbesitzer – sind sie ausgestorben? Thalheimer hat seine Bewerbungsprobe für die neue Intendanz des Thalia-Theaters im CDU-regierten Hamburg erfolgreich bestanden. * Noch ein Versuch an Brecht in Hamburg, im Schauspielhaus: »Der gute Mensch von Sezuan« in der Regie von Christian Pade. Er hielt sich an den Brecht-Text ohne spürbare Eingriffe, die Songs von Paul Dessau, etwas elektronisch verfremdet von Vlado Dzihan, und eine Drehbühne mit realem Inventar (York Landgraf), hinten die Skyline von Shanghai, nur Kulisse. Marion Breckwoldt als Shen Te, ein Lichtblick in der uninspirierten Aufführung. Die drei Götter, die nie wirklich auftreten, nie zu den Menschen herabsteigen, überlebensgroß auf einer Leinwand, virtuell alles beherrschend, kommentieren das Geschehen auf der Bühne, mißbilligend. Was sich in ihren Gesichtern abspielt, spiegelt die Welt da unten wider. Lebemänner in seidenen Gewändern, uralt vielleicht, aber immer noch zu jeder Untat bereit, was bis zu einem blauen Auge führen kann. Das Programmheft ängstigt das Publikum: Der »Hauptakzent« bei Brecht liege »entschieden darin, den bestehenden Zustand der Welt in den Mittelpunkt zu rücken«. Bei Brecht. Hier dagegen darf sich das Publikum beruhigen: »Trotzdem enthält das Stück diesmal einen Verzicht auf politische Agitation.«
Erschienen in Ossietzky 6/2007 |
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