Erfreuliche Neuigkeiten

Sergej Guk

Bin ich ein undankbarer Mensch? Unermüdlich bringt mir unser Fernsehen bei, wie heiter unser Alltagsleben nach dem Rückfall in den real existierenden Raubtierkapitalismus geworden ist. Früher hat uns das TV mit Meldungen über die Leistungen im sozialistischen Wettbewerb überschüttet sowie mit sowjetischen Spielfilmen, die sich realistisch ohne ekelerregende Brutalität mit Problemen unseres Alltags befaßten. Nunmehr sollen wir uns ununterbrochen über neue Zeiten freuen.

Neben den unsterblichen, nach immer gleichem Muster geschnittenen Hollywood-Werken mit Pistolenhelden erfahren wir gelegentlich: Wettbewerb lebt doch. Mit einem zeitmäßigen, modernen Inhalt, versteht sich. Ein TV-Ansager gab jüngst bekannt, der Oligarch Oleg Deripaska habe es endlich geschafft, den Tycoon Roman Abramowitsch zu überholen. Sein Vermögen sei nunmehr ein paar Dutzend Milliarden Dollar schwerer als Abramowitschs. Letzterer wolle sich jedoch mit der Niederlage nicht abfinden und den Titel des reichsten Mannes des Landes zurückerobern. Ist das etwa kein Grund zu öffentlicher Freude?

Oder diese Nachricht: Ein Neureicher ließ das Halsband für seinen Hund mit Diamanten bestücken. Wie niedlich und tierlieb, kann man sagen. Ich aber als echter Miesepeter erinnere mich bei solchen Meldungen prompt an Millionen meiner notleidenden Landsleute und kann beim besten Willen nicht zu einer Sektflasche greifen, um das Glück eines phantasielosen Raffke zu begießen.

Aber es gibt auch andere Neuigkeiten. Zum Beispiel: Manche unserer Gouverneure haben begonnen, ihre Beamten unfreiwilligen Prüfungen zu unterziehen. Die Staatsdiener sollen ihre Kenntnisse der russischen Sprache schriftlich nachweisen. Wer durchfällt, wird ein zweites Mal zwangsexaminiert. Ganz Ungebildeten droht die Suspendierung. Aber als Brummbär bin ich schon wieder unzufrieden. Es wäre viel nützlicher und ratsamer, diesen bürokratischen Klüngel auf berufliche Befähigung und schonungslos auf Bestechlichkeit zu prüfen. Das wäre nicht sonderlich schwierig – nur politischer Wille ist dazu erforderlich.

Apropos: In der Teilrepublik Tatarstan wurde ein neues Vorgehen gegen Korruption in der Verkehrspolizei entwickelt. Jeder, der ein Schmiergeldangebot ablehnt, wird amtlich belohnt. Die Prämie kann bis zur Höhe der zurückgewiesenen Bestechungssumme reichen. Eine interessante Initiative, jedoch leider mit begrenzter Wirkung. Wenn der Staatshaushalt jeden Beamten auf solche Weise entschädigen würde, wäre der Fiskus schnell pleite.

Vor einigen Tagen habe ich zufällig eine Meldung gelesen, die wirklich Aufsehen verdient: Sibirische Wissenschaftler haben ein Laser-Gerät entwickelt, das die Heilung von Herzkrankheiten ohne chirurgische Eingriffe ermöglicht. Andere sollen eine Arznei entdeckt haben, die einige Krebsarten kuriert. Weder die auflagenstarken überregionalen Blätter noch das Fernsehen haben diese Neuigkeiten mit einem einzigen Satz erwähnt. Warum? Vielleicht um nicht vorschnelle Hoffnungen zu wecken? Aus Verantwortungsbewußtsein? Nein, für sie ist das einfach kein Thema. Wenn aber einer ihrer Geldgeber seiner Katze ein Klosett aus Platin installieren läßt, werden die Medien bestimmt darüber berichten. Nicht um uns aufzustacheln, versteht sich. Sondern einfach um uns zu erfreuen. Mitfreude mit den Milliardären ist doch die unschuldigste, reinste, schönste Freude.

Erschienen in Ossietzky 6/2007