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Beide mit Krieg und Faschismus: Zadek in Behans »Die Geisel« (1975 und 1976 in Berlin und Bochum), in der Fallada-Revue »Jeder stirbt für sich allein« mit einem unglaublichen Aufgebot an ersten Schauspielern, in Tankred Dorsts »Eiszeit« 1973 (wo am Beispiel Knut Hamsuns die Verantwortung des Schriftstellers gegenüber dem NS-Faschismus thematisiert wurde) sowie in Brechts »Mutter Courage« (2003), Wander in »Baalbek«, »Ein Zimmer in Paris« und zahlreichen Reise-Büchern. Theaterstücke, die Wander auch geschrieben hat, waren seine Stärke nicht. Von Zadek sind neben einer Reihe von Artikeln, vor allem Nachrufen für geliebte Schauspieler, drei mehr oder weniger autobiografische Theaterbücher erschienen: »Das wilde Ufer« (1990), »My Way. Eine Autobiographie 19261969« (1998) und »Die heißen Jahre. 19701980« (2006), alle bei Kiepenheuer & Witsch. Bei allen Visionen, die über den kapitalistischen Tellerrand hinausgingen, blieb er doch im Bereich dieser Lebensordnung beziehungsweise -unordnung, wenngleich im Sinne hoher künstlerischer Kritik, die solidarische Gegenentwürfe einschloß. Ihn interessierte der Mensch, auch als Bestie. Wander interessierte der Sozialismus, nicht nur als literarischer Entwurf, sondern in seiner Praxis. Daher war er 1955 aus Wien in die DDR gekommen, die er 1984, nach dem Tode seiner Frau Maxie Wander, in umgekehrter Richtung verließ. Da war sein Thema bereits die Kritik dieses Sozialismus geworden, besonders die unter den Tisch gekehrte, trotz mancher Bemühungen nicht entfaltete Kritik. Vor allem an der Verkleinbürgerlichung des Sozialismus, der zeitweilig versuchte, ein besserer Kapitalismus zu sein (der böse Auto-Kult), ohne es freilich technisch zu können. Dabei hatte Wander nie die Beseitigung des Sozialismus im Sinne, sondern seine Verbesserung, seine Entwicklung aus den Anfängen überhaupt. Dieser linke Jude Drancy, Auschwitz, Groß-Rosen waren seine Stationen, Buchenwald brachte die Befreiung mit seinen vielen Ideen über Gesellschaft und Kunst ist mir unvergessen geblieben. Ein österreichischer Weltmann. Darüber ist nun Etliches in dem Sammelband von Walter Grünzweig und Ursula Seeber zu lesen. Etliche Schriftsteller haben dazu »Annäherungen« an Wander beigetragen: Christa Wolf, Wulf Kirsten, Wolfgang Trampe, der Dramaturg Eberhard Görner, der so gern den »Siebenten Brunnen« verfilmt hätte, und andere. Einige Wissenschaftler bieten »Analysen«: so Hannes Krauss über die Reisebücher, Christine Schmidjell über den Journalisten in Wien, Erin McGlothlin über den »Siebenten Brunnen« und außerdem Gerhard Kofler über dasselbe Werk im Vergleich zu Primo Levis »Se questo è un uomo« zwei Meisterwerke zum Thema Auschwitz. Karl Müller führte Gespräche mit Wander, und Sibylle Klemm folgt den Spuren unseres Autors im Leseland DDR. Ich vermisse thematisch nur etwas über die Autobiographie »Das gute Leben. Erinnerungen« (1996), und neben dem Werk- und Literaturverzeichnis fehlt ein Register. Das findet sich hilfreich in Zadeks »Die heißen Jahre 1970-1980«. Also die Jahre in Bochum, als das Stadttheater dieser Mittelstadt zeitweilig Welttheater hervorbrachte, jedenfalls zu einem Nervenzentrum deutschsprachigen Theaters nach 1945 geworden war. Man erinnere sich. 1945 hatten NS-Faschismus und Krieg eine kulturelle und materielle Zerstörnis ohnegleichen hinterlassen. Zu einem Wiederaufbau gehörte auch der eines demokratischen und kritischen Theaters. Aus dem alten »Göringtheater« (Brecht) waren dazu nur wenige fähig. Am stärksten behauptete sich Gustaf Gründgens, der von Berlin über Düsseldorf nach Hamburg noch einige mitzog. Die Impulse kamen zumeist aus dem Exil, von den Remigranten, hauptsächlich trotz zeitweiligen Boykotts in Westdeutschland von Brecht. Auch für Zadek. In der DDR wurde das Berliner Ensemble mit Akteuren wie Helene Weigel und Ernst Busch und Brechts Regie-Schülern Benno Besson, Peter Palitzsch und Manfred Wekwerth innerhalb weniger Jahre zum Vorbild; daneben manchmal auch im Widerstreit bestimmten weitere Remigranten die Entwicklung, darunter führende Kräfte aus dem antifaschistischen Ensemble des Züricher Schau-spielhauses oder aus der UdSSR. Ich erwähne nur Wolfgang Langhoff, Wolfgang Heinz, Gustav von Wangenheim und Friedrich Wolf, den Dramatiker, und den Einfluß von Stücken aus dem russischen und sowjetischen Repertoire sowie den des Schauspielmethodikers Stanislawski. Im Westen bemühten sich zunächst Fritz Kortner und Erwin Piscator um vergleichbare Neuanfänge; Carl Zuckmayers Stücke kamen auf die Bühne, vielgespielt wurden anglo-irisch-amerikanische Stücke. In der zweiten Generation der Remigranten kam Peter Zadek, der sein Handwerk im englischen Theater gelernt hatte und nun wie ein Furor durch das westdeutsche Theater zog: Ulm, Bremen, München, Hamburg, Berlin. Die eigentlich heißen Jahre aber waren die in Bochum, wo er das Stadttheater zur Weltenbühne machte. Seine Fallada-Adaptionen und seine Arbeiten mit Tankred Dorst, seine Ibsen- wie die Tschechow-Produktionen und vor allem seine Shakespeare-Abenteuer wurden zuweilen als Provokationen (»Othello« mit Liebesakt auf der Szene) und manchmal als Sternstunden empfunden. Antifaschistisch-radikaldemokratische Gesinnung und hoher Kunstsinn, Handwerk, Phantasie und große Liebe zu Schauspielern brachten solche Wirkung hervor. Zu älteren, erfahrenen Schauspielern wie O. E. Hasse kamen damals junge wie Christa Berndl, Hannelore Hoger, Eva Mattes, Ilse Ritter, Rosel Zech, Michael Degen, Heinrich Giskes, Herbert Grönemeyer, Hermann Lause, Fritz Schediwy, später Gert Voss, und zu Zadeks Theatergeschichte gehört vor allem Ulrich Wildgruber, zunächst verkannt, untypisch und dann ein unvergeßlicher Gestaltgeber eines Zeitgeistes, einer Lebenshaltung. Durch Zadek und durch Peter Stein erlangte das deutsche Theater im Westen Deutschlands und Berlins in den 1970er Jahren hohen künstlerischen Rang und vermittelte humanistisch-demokratische Botschaften. Zadek kann auch erzählen (und läßt andere redigieren, in »May Way« tat es seine Lebensgefährtin Elisabeth Plessen). Da geht es manchmal etwas kunterbunt zu wie im Leben. Den größten Lesegenuß haben die, die seine Inszenierungen gesehen haben. Theater geht verloren, wird aber von solchen Erinnerungen teilweise erweckt. Mit harter, aber gerechter Schelte gegen den derzeitigen Zustand des Theaters in Berlin entläßt uns Zadek ins Warten auf den Fortsetzungsband. Walter Grünzweig/Ursula Seeber (Hg.): »Fred Wander. Leben und Werk«, Weidle Verlag, 255 Seiten, 24 €; Peter Zadek: »Die heißen Jahre 19701980«, Kiepenheuer & Witsch, 425 Seiten, 22.90 €
Erschienen in Ossietzky 5/2007 |
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