Bravo, Horst Köhler, bravo!

Otto Köhler

Lieber Herr Bundespräsident, Sie haben Pech. Was immer Sie auch tun – mir können Sie es nur recht machen. Ich weiß – Sie erinnern sich? – unser Verhältnis begann etwas mißlaunig. Ich fragte Sie auf der ersten Pressekonferenz nach Ihrer Wahl zum Bundespräsidenten, ob das Programm, das Sie als IWF-Präsident Argentinien verordnet hatten, jetzt auch maßgebend für das Reformgeschehen in der Bundesrepublik sein werde. Sie beschieden mich, meine Frage sei nicht weiterführend. Zuvor aber sagten Sie – und es wurde deutlich, wieviel Wert Sie darauf legen: Wir, Sie, Horst Köhler, und ich, Otto Köhler, seien weder verwandt noch verschwägert. Weil ich weiß, was Familienbande bedeutet, fand ich das schon damals nicht schlecht. Wenn auch nicht direkt weiterführend.

Und jetzt müssen Sie entscheiden. Begnadigen Sie Christian Klar, dann sind Sie ein freundlicher Frühstücksdirektor des Hotels Deutschland. Das ist ein Kompliment, das ich gern mache, und für Christian Klar soll es mich freuen, wenn er nach 24 Jahren nicht mehr sitzen muß.

Lassen Sie ihn aber weiterschmoren, auch gut. Er weiß dann, daß nicht alles umsonst war, sondern daß sich vor aller Welt die Bundesrepublik Deutschland als das Land erweist, wo von den Alliierten zu lebenslanger Haft verurteilte SS-Massenmörder nach kurzer Haft auf freien Fuß gesetzt wurden, ein Land, in dem der mutmaßliche Mörder des SS-Hauptsturmführers Hanns Martin Schleyer weiter – in alle Ewigkeit? - sitzen muß. Und dies jetzt nur noch, weil er aus dem Gefängnis heraus Kritik am System des Kapitalismus übt, dem Sie, Herr Bundespräsident, beim Internationalen Währungsfonds in so hervorragender Weise gedient haben.

Lassen Sie ihn ruhig weitersitzen, Herr Bundespräsident. Das wird den Ruf, den sich Deutschland in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in der Welt erworben hat, mit Sicherheit festigen. Und Sie sind dann der maßgebende Repräsentant des wiedererwachten Deutschland, der weiß, was er dem Ruf dieses Landes schuldig ist

Ja, Herr Bundespräsident, ich bin Ihr Mörike, und ich sage Ihnen: »Herr, schicke, was du willt, ein Liebes oder Leides; ich bin vergnügt, daß beides aus deinen Händen quillt.«

Machen Sie nur, machen Sie doch, bitte, was Sie wollen. Ich werde – so oder so – stets sagen: Das hat der Präsident der Bundesrepublik Deutschland völlig richtig gemacht. Bravo!

P.S. Daß Sie bei Ihren gegenwärtigen Staatsbesuchen in Südamerika einen Bogen um Argentinien schlagen, zeigt: Sie sind glänzend beraten.

Erschienen in Ossietzky 5/2007