Gerhard Zwerenz, Auf denn, Tornados

Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können.

Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror.

Auf denn, Tornados

Nach der mißglückten Revolution von 1848 fanden sich viele der Besiegten im Exil wieder, auch Marx und Engels lebten auf der britischen Insel, denn in ihrer Heimat gefiel Thron, Altar und den Eliten der »deutsche Sonderweg«, wie die nachgeborenen Historiker und Soziologen herausfanden. Das liebe Volk, zum bunten Federvieh des Militärs herausgeputzt, folgte seiner Elite in Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittes Reich. Und wenn es schief ging, fügten sich Generäle und Beamte in neue Uniformen, Gesetze, Amtsstuben und Gehirnströme.

Von 1945 bis 1989/90 herrschte dann die fürchterliche Friedenszeit. Selbst ein paar Atomkriegsversuche am Fulda Gap und anderswo funktionierten nicht richtig. Zwei deutsche Armeen hielten einander tüchtig in Schach. Jetzt gibt's nur noch eine, und die darf endlich bis Afrika und Asien wieder dabei sein – im »Kampfeinsatz«. Im Lande des Vergessens werden derweil neue Opfer entdeckt. Es sind immer arme deutsche Volksgenossen und Volksgenossinnen. Städte wurden von den bösen Alliierten gebombt, nach 1945 brave Generäle im Übereifer gehenkt, Ostpreußen und Schlesier willkürlich vertrieben, wofür Putin sich entschuldigen muß, Mitteldeutsche bekamen eine Diktatur, Westdeutsche den Wohlstand, der nun zur Verteidigung am Hindukusch zwingt, wobei der Wohlstand zu Staub zerfällt.

Zum Glück haben wir noch die siegreichen Bürgerrechtler von 1989, die uns erklären, was Freiheit ist, nämlich Arbeitsplatzvernichtung, kriegerische Eroberungen, Folterlager. Nochmal zum Glück haben die Westdeutschen obendrein ihren H. M. Enzensberger, der Sadam Hussein so lange zum 2. Hitler aufblies, bis die westliche Wertegemeinschaft den Irak von ihm befreite. Merkel wollte gleich offen dabei sein, aber Schröder sorgte nur für eine verdeckte Teilhabe.

Das soll sich nun in Afghanistan endlich ändern. So will‘s die Elite. Daß die Volksmehrheit noch nicht so richtig und ganz in die neuen Kriege ziehen will, verzögert den Sieg ein wenig. Zum Trost gibt's diesmal keine Vaterlandsverräter in den höheren Schichten. Wohin sollen die paar versprengten, ewig unzufriedenen Linksintellektuellen auch exilieren, wenn allüberall die westliche Wertegemeinschaft herrscht, deren Sieg August Heinrich Winkler, der Doyen deutscher Patrioten, gerade bei seiner Abschiedsvorlesung in der Berliner Humboldt-Universität feierte. Fortan braucht sich wegen unserer »Kampfeinsätze« niemand mehr den Kopf zu zerbrechen, sich zu schämen oder gar zu entschuldigen. Unsere Kriege sind von nun an westlich wertvoll. Es lebe der Kampffliegerheld Mölders – auf denn, Tornados!