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Die schönen Zahlen in der Bilanz, die Kirchner vorweisen kann, belegen ein jährliches Wachstum von etwa sieben Prozent, seit Argentinien 2001 sein Schuldenmoratorium verkündete. Die Ausfuhr steigt, zugleich verelendet aber eine ehedem gewerkschafltlich abgesicherte Arbeiterschaft. Darüber spricht er nicht. Hauptthema der Innenpolitik sind die Altlasten der Militärdiktaturen, zu denen auch der Neoliberalismus gehört. Das Gleiche in Chile. Der Export landwirtschaftlicher Produkte und unveredelter Bodenschätze machte aus der sozialistischen Republik Allendes einen äußerst weltmarktabhängigen Rohstoffzulieferer. Zum sozialen Ausgleich, den Pinochet durch Polizeiknüppel und Straflager ersetzte, gäbe es zwar einen Weg, den aber Michelle Bachelet nicht gehen kann: der bolivianische. Als Boliviens Erdgas – für den Transport verflüssigt – billig an die USA verkauft werden sollte, war dies für die indigene Bevölkerung Boliviens (rund 70 Prozent) und ihr zutiefst gemeinschaftliches Empfinden der casus belli. Was pacha mama (ketschua für Universum, Welt, Mutter Erde) dem Menschen gibt, ist niemandes Privateigentum, sondern für alle da. Wer ketschua oder aymara spricht, wählte pacha mamas Sohn Evo Morales. Ihm ist nun eine breite, homogene Wählerbasis gegeben, die nach dem Dafürhalten von Claudio Katz, Volkswirtschaftler der Universität Buenos Aires, die Wiedergeburt eines umfassenden Sozialismus ermöglicht, wie er bislang nur in Kuba verwirklicht und trotz aller Schwierigkeiten, Hindernisse und Irrtümer erhalten wurde. Diese Basis läßt im Sinne der traditionellen Sozialethik der indigenen Wählerschaft ein grundsätzliches gesellschaftspolitisches Umdenken zu. Damit ist die Wahl von Evo Morales, seit Fidel Castro den Diktator Batista entmachtete, das wohl revolutionärste Ereignis Lateinamerikas. Vorarbeit geleistet hatten die Gewerkschaften und Genossenschaften der Bergarbeiter und Bauern Boliviens; Indigenas hatten zahllose Arbeitskämpfe ausgefochten. Mit klarem Blick für alle Bedrohungen hat die Regierung Morales anfänglichen Versuchen politischer und materieller Sabotage widerstanden, auch den versteckten Eifersüchteleien der mehr oder weniger linken Nachbarn. Die schmale, in kolonialistisch-elitären Traditionen befangene Oberschicht von La Paz mußte sich einer Mehrheit beugen, die durch ihre Geschichte und soziale Kultur so solide legitimiert ist wie durch die formaldemokratischen Wahlen heutigen Typs. Che Guevara wollte mit den bolivianischen Bauern den Kontinent revolutionieren. Aber er war keiner von ihnen. Auch fehlte damals ein so fundamentaler Anlaß wie der Streit ums Gas, das in den eisigen Höhen der Anden bitter nötig ist; pacha mama hat es den Bolivianern vorbehalten. Einmischung von außen, zum Beispiel diejenige der Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD, die nach einem von German-Foreign-Policy verbreiteten Bericht sozialdemokratische Kräfte zusammenführen und gegen die amtierende Regierung in La Paz in Stellung bringen will, ist da unerwünscht. Im Lande der »boliviarianischen Revolution«, Venezuela, wiederholen sich aktuelle brasilianische Entwicklungen wie auch chilenische, die man aus der Anfangszeit Allendes in Erinnerung hat. Das Bürgertum, das den wirtschaftlichen Aufschwung möglichst reichlich für sich und für die Stärkung seiner eigenen Macht nutzen will, sieht sich einer zunehmend mobilisierten Basis gegenüber, die in den Organisationen der Jugendlichen, der Frauen, der Bauern eine neue Militanz hervorgebracht hat. Zudem mißfällt ihm das erfolgreiche Auftreten der neuen Zentralgewerkschaft, der Union Nacional de Trabajadores. Die UNT wirbt dafür, diejenigen Betriebe, aus denen Kapitalisten keinen nennenswerten Profit mehr schlagen, den Belegschaften zur eigenständigen Verwaltung zu übergeben. Doch auch anti-kapitalistische Anfänge erfordern Kapital. Chávez muß deshalb sein Erdöl marktorientiert verkaufen, und sei es an »Mister Danger«, wie er Bush zu nennen pflegt. Damit vermeidet er Versorgungsprobleme und die lärmenden Kochtopfparaden der Rechten, die schon Allendes Ende eingeläutet hatten. Die rechten Gegenkräfte haben entschieden mehr Gewicht als in Bolivien, wenn auch nicht so viel wie in Brasilien, Chile oder Argentinien. Ein weiteres Bindemittel der linken Einheit Venezuelas ist die offene, kompromißlose und bewußtseinsbildende Kritik des nordamerikanischen Imperialismus. Chávez ist der Sprecher der – wenn auch nicht in allen Ländern so offen bekundeten – südamerikanischen Grundhaltung gegenüber den USA. Selbst Offizier, kann er auf die jungen Militärs des ganzen Kontinents zählen, selbst dort, wo amerikanische Einheiten stationiert sind wie in Kolumbien oder Paraguay. Das Selbstverständnis der lateinamerikanischen Nationen tendiert zunehmend zum bewußten Sich-Unterscheiden vom ehemals gelobten Land im Norden; das Südamerika, das sich von uniformierten Wachhunden Nixons oder Kissingers regieren ließ, ist Vergangenheit. Die jungen Offiziere überraschen durch sozialkritische Sensibilität, und wenn es einen wirklichen gemeinsamen Nenner der »südamerikanischen Linken« geben sollte, dann Furcht und Mißtrauen gegenüber einem System, das nur durch globale Unterdrückung existieren kann – »Angst vor der Krake«, wie mir ein Zufallsbekannter in Buenos Aires sagte. Eine Untersuchung der University of Miami und des Zogby Institute ergab im Januar als Hauptelement südamerikanischer Einigkeit »anger at Washington«. Nur fünf Prozent der Chilenen und 13 Prozent der Venezolaner gestehen den USA ein konstruktives Verhalten gegenüber Südamerika zu ( Newsweek , 7.1.07). »Teile und herrsche« ist deshalb Bushs Devise für seine derzeitige Rundreise nach Brasilien, Uruguay, Kolumbien, Guatemala und Mexiko). Chávez prophezeite ihm, daß er damit nicht zum Erfolg kommen wird. Und was fürchten White House und Wall Street in Südamerika? Wenn überhaupt etwas, dann die authentische ideologische Substanz von Evo Morales und die Courage und Dynamik von Hugo Chávez, ihre systematischen Ansätze zum so oft zitierten wie dringlichen »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«. Diese Anfänge sind aber noch längst nicht auf die übrigen Länder des Kontinents übertragbar. Denn deren »Linke« sind verläßliche, sozialdemokratische, neoliberale Partner der »Krake«, durch Globalisierung und Koalitionskompromisse unverrückbar ins kapitalistische Netz eingebunden. Man braucht keine Tyrannen wie Pinochet mehr, wenn man auf brave Mitspieler mit linkem Gebaren zählen kann, erst recht wenn diese ein enormes Zukunftspotential repräsentieren: Menschen, Agrarland, Süßwasser, Öl, Gas und Mineralien. Wer spricht schon in Brasilien oder Argentinien von ALBA (Alternativa Bolivariana para las Américas), von der »Bolivarianischen Alternative der amerikanischen Länder«, dem Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grundlage von Austausch, Gegenseitigkeit und gemeinsamem Nutzen? Ergänzung und Einbindung durch Güteraustausch? Chávez und Castro haben es im April 2006 unterzeichnet, und es harrt weiterer Unterschriften – bis heute.
Erschienen in Ossietzky 5/2007 |
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