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Freilich das Publikum spielte mit, wie Zuschauer-Rekordzahlen und Menschentrauben um den roten Teppich bewiesen. Bei alldem wurde Berlinale-Chef Dieter Kosslick nicht müde, sein Festival als ein politisches zu bezeichnen, und hatte damit nicht unrecht. Schließlich war die Instrumentalisierung von Kultur zur Ablenkung von sozialen Problemen auch politisch, aber Kosslick meinte das Programm, das tatsächlich auch als Forum für Filme mit politischen Themen diente. Daß diese oft nicht den künstlerischen Ansprüchen genügten, die für ein A-Festival gelten sollten, steht auf einem anderen Blatt. Den Berlinale-Leiter ehrt sein Engagement für einen Film wie »Bordertown«, der den von offizieller Seite vertuschten Skandal anprangert, daß an der Grenze zu den USA mexikanische Frauen als Arbeitssklaven mit Minimallöhnen ausgebeutet und Hunderte bei Fluchtversuchen vergewaltigt und getötet werden. Die Aufnahme in den Wettbewerb verdankte der Film aber wohl dem auch in anderen Fällen angewandten Auswahlprinzip der Jagd nach den zur Anreise verfügbaren Stars. Daß die öffentliche Aufmerksamkeit weitgehend auf den Wettbewerb fixiert war, ergab ohnehin ein schiefes Gesamtbild dieser Berlinale und rückte beispielsweise eine früher wegen ihrer Fokussierung auf ästhetisch innovatives und thematisch politisches Kino stärker wahrgenommene Sektion wie das »Internationale Forum des Jungen Films« etwas in den Schatten. Trotzdem war auch hier wie beim »Panorama« der Publikumszuspruch stark, und wenn da, ebenso wie bei anderen Festivals, auch der Eventcharakter einer solchen Veranstaltung eine Rolle für die Massenanziehung spielt, zeigt sich hier auch ein Interesse für ein Kino jenseits des Mainstreams. Daß dies in allen Sektionen nicht zuletzt mit Filmen bedient wurde, die Einblicke in fremde Kulturen und Lebensweisen vermittelten, historische Lektionen erteilten und zum Teil aktuelle Bezüge aufwiesen: um so besser. In dieser bei insgesamt fast 400 gezeigten Filmen zwangsläufig äußerst fragmentarischen Berlinale-Bilanz seien sie hervorgehoben. Mit typisch böhmischem Humor nimmt uns Jiri Menzel, eine der Regiegrößen des Prager Frühlings, in seinem ersten langen Film seit zwölf Jahren »Ich habe den englischen König bedient« mit auf eine Zeitreise vom goldenen Prag der Vorkriegszeit bis in die siebziger Jahre. Nach einer Vorlage seines Lieblingsautors Bohumil Hrabal läßt er den Protagonisten auf seine von zahlreichen Liebschaften, inklusive einer blonden sudetendeutschen Nazisse, begleiteten Karriere vom Aushilfskellner zum Millionär zurückblicken. Nicht zu verstehen: Menzels Alterswerk war der einzige osteuropäische Wettbewerbsbeitrag. In »Die Fälscher« des Österreichers Stefan Ruzowitzky geht es um ein kaum bekanntes NS-Kapitel. In den letzten Kriegsjahren wurden jüdische Häftlinge im KZ Sachsenhausen dafür rekrutiert, zur Sanierung der Reichsfinanzen und Ruinierung der Feindwährung englische Pfundnoten und US-Dollars zu fälschen.. Dem Regisseur und seinen Schauspielern gelingt es, glaubhaft den Gewissenskonflikt zwischen Komplizenschaft zur Kriegsverlängerung und Rettung des eigenen Lebens in einer privilegierten KZ-Oase herauszuarbeiten. Dagegen verzettelt sich Steven Soderbergh mit viel eklektizistischen Zitaten aus der Filmgeschichte in seinem Thriller »The Good German« zwischen lauter Realitätsschnipseln. Ähnlich unübersichtlich, aber stimmig in der Zeichnung des Persönlichkeitsverlustes eines CIA-Bürokraten (Matt Damon) als funktionierendes Rädchen eines unmenschlichen Apparats entwickelt Robert de Niro in »Der gute Hirte« die Geschichte des US-Geheimdienstes von seiner Gründung als Instrument antinazistischer Aktivitäten bis zum Debakel in der Schweinebucht. Noch mehr Zeitgeschichte in zwei Antikriegsfilmen: »Letters from Iwo Jima«, Clint Eastwoods Gegenstück zu seinem vorangegangenen Pazifikfeldzugsdrama »Flags of Our Fathers«, diesmal aus japanischer Sicht, und »Beaufort« von Joseph Cedar, wo eine Handvoll israelischer Soldaten im Jahre 2000 in der titelgebenden alten Kreuzfahrerfestung vor deren Sprengung beim Abzug aus dem Libanon 2000 ihrer Angst Ausdruck geben – einer »Angst vor dem Kriege«, die der Regisseur bei der Verleihung eines Silbernen Bären auch allen Regierenden wünschte. Mit viel Ingredienzen eines publikumsattraktiven Propagandafilms rekonstruierte die außerhalb des Wettbewerbs gezeigte ungarische Produktion »Szabadság, Szelerem« von Krisztina Goda zum 50. Jahrestag den Volksaufstand von 1956: Sport (anfängliche Niederlage und den endlichen Triumph der eigenen Wasserballmannschaft gegen sowjetische Spieler als Rahmenhandlung), Kinder, einen Priester, Liebe des Champions zu einer Anführerin der Erhebung sowie Kampf mit den russischen Interventen. Für aktuelle Bezüge einiger Filme sorgten jüngste Ereignisse in der Türkei. Auseinandersetzungen um die Fernsehserie »Das Tal der Wölfe« rückten dort das Kurdenproblem wieder in den Vordergrund, und darum ging es auch in dem Forum-Beitrag »Dol« von Himer Saleem, der freilich nicht über die bloße Illustration des Themas hinauskommt. Der Film begleitet den Helden von der türkischen Besetzung seines Dorfes auf der Flucht durch die kurdischen Grenzregionen im Irak und Iran, wo er anderen Flüchtlingen und Einheimischen gleicher Nationalität begegnet, die ein Gemeinschaftsgefühl repräsentieren, aber keine Individualität gewinnen. Sie bleiben Statisten einer sprunghaften Espiodendramaturgie mit schönen jungen Frauen, einigen Schießereien und viel folkloristischer Musik. Durch die Ermordung des Journalisten Hrant Dink gewannen auch zwei Armenien-Filme der Berlinale Aktualität. Die kanadisch-armenische Regisseurin Gariné Torossian liefert in »Stone Time Touch« dokumentarisch-experimentell Impressionen von einer Reise ins Land ihrer Vorfahren, und das italienische Regiepaar Paolo und Vittorio Taviani erinnert in »La Masseria delle Allodole« publikumsfreundlicher in Form einer Familiengeschichte an den Genozid im Ersten Weltkrieg, wobei es auf türkischer Seite auch einige sympathisch gezeichnete Akteure gibt. Schließlich konnte der Film »Proschai, Yuzhanyi Gorod« von Oleg Safaraliyew aus Aserbaidschan unerwartet fast als Kommentar wirken zum gleichzeitigen Besuch des Präsidenten dieses wegen seines Ölreichtums umworbenen Landes bei Bundeskanzlerin Merkel. Was in dem Film, auch vor dem Hintergrund des Konflikts mit der armenischen Enklave Berg-Karabach, gezeigt wird, sind eher die Schattenseiten postkommunistischer Entwicklung: Raubtierkapitalismus gegen humanistische Traditionen. Außenminister Steinmeier wird sich dafür bei seinem Gegenbesuch in Baku wohl nicht interessiert haben.
Erschienen in Ossietzky 4/2007 |
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