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Von hier gingen seit 1991 die militärischen Einsätze aus (Golfkrieg, Jugoslawien, Afghanistan, Irak); die Jagdbomber flogen über Venetien und die Adriastrände. Im September 2006 wurde die 173. US-Brigade mit all ihren sechs Bataillonen, die vorher teilweise in Korea stationiert waren, zu einer aus beweglichen Einheiten bestehenden Kampftruppe neu zusammengefaßt. In den Gemeinden um Aviano, wo die Truppen stationiert sind, kommen jetzt etwa 20.000 Soldaten auf ebenso viele Einwohner. Die neue Struktur erfordert eine Vergrößerung des strategischen Hauptquartiers bei Vicenza. Auf dem Gelände des stillgelegten zivilen Flugplatzes Dal Molin ist eine Neuansiedlung weiterer 3000 Militärangehöriger geplant, eine Stadt in der Stadt, knapp zwei Kilometer vom Stadtzentrum Vicenzas (Weltkulturerbe) entfernt. Die US-Regierung will dafür etwa 300 Millionen Dollar investieren. Den italienischen Baufirmen, die sich für die Ausschreibung bewerben, wird seit Monaten der Mund wäßrig gemacht. Auch die örtlichen Hausbesitzer, die privat Wohnraum an die Angehörigen der US-Soldaten vermieten, zu Preisen wie in Venedig, sind dem Plan nicht abgeneigt. Dagegen erhebt sich seit Monaten Protest vieler Anwohner, der Friedensbewegung und der örtlichen Linksparteien im Widerstreit mit ihren Abgeordneten in Rom. Selbst eine Demonstration von 30.000 Menschen im Januar wurde überregional nur wenig wahrgenommen, auch weil sie mit einem neuen Nachrichten-Blackout zusammenfiel (denn die Tarifauseinandersetzung zwischen Verlegern und Journalisten, über die Ossietzky im Heft 20/06 berichtete, ist immer noch nicht abgeschlossen). In Rom debattierte man derweil über die Finanzierung des Afghanistan-Einsatzes, der nach offizieller Sprachregelung kein militärischer, sondern ein humanitärer ist. Als »Polizeieinsatz unter europäischer Führung« möchte ihn die Prodi-Regierung mit bisher 1900 Soldaten weiterführen. Prodis umstrittener Staatshaushalt für 2007 sieht eine Aufstockung des Militärbudgets um 13 Prozent vor, während alle anderen Ressorts einschneidende Kürzungen hinnehmen müssen. Allein der neue Joint Strike Fighter (F 35) soll in den nächsten zehn Jahren rund 30 Milliarden Euro verschlingen. Die Rüstungsfirmen, denen die Profite zufließen werden, argumentieren wie üblich mit den Arbeitsplätzen, die dadurch geschaffen oder gesichert würden. Die Prodi-Regierung begründet ihre Zustimmung zu Dal Molin zudem mit dem Hinweis auf die »notwendige Erfüllung bestehender Verpflichtungen«, die die Berlusconi-Regierung eingegangen sei. Diese Worte sollen alles rechtfertigen. In dem wortreichen Programm, mit dem die Regierung angetreten ist und auf das sich die Koalition immer wieder beruft, kommt Afghanistan gar nicht vor; den Rückzug aus Nassiriya (Irak), der Ende 2006 erfolgte, hatte noch Berlusconi angekündigt. Immerhin steht auf Seite 111 des Programms: »Wir müssen die militärischen Hoheitsrechte neu definieren, die auf unserem Land liegen , in Übereinstimmung mit dem Schutz der nationalen Interessen und den ebenso legitimen Interessen der lokalen Bevölkerung.« Auch sollen die USA ihre in Aviano und Ghedi stationierten Atomwaffen abziehen aber die Regierung tut bisher nichts, um darüber auch nur in Verhandlungen mit den USA einzutreten. Viele hatten auf ein Umdenken in der Außenpolitik gehofft und auch deshalb die Prodi-Koalition gewählt. Die vollführt nun allerdings einen politischen Spagat nach dem anderen um den Preis des Scheiterns. Nur diese Perspektive hält ihre ungleichen Partner zusammen ein Kreuzweg . Prodis Kommentar zum Widerstand in Vicenza, das ganze Problem sei kein politisches, sondern höchstens ein »urbanistisches«, wirkte in seiner Arroganz wie eine schallende Ohrfeige gegen Wähler, die ihm ins Amt verholfen hatten. Die Regierung scheut davor zurück, die militärischen Hoheitsrechte ( servitù militari) in Frage zu stellen. Bisher haben weder die italienische Regierung noch das Parlament Entscheidungsbefugnis über Militäraktionen der Vereinigten Staaten von Amerika, die vom nationalen Territorium Italiens ausgehen und somit die hiesige Bevölkerung automatisch in die US-Kriegführung involvieren; Italien ist also de facto kein souveräner Staat. Dieser Zustand entstammt noch der bipolaren Nachkriegszeit, als in Westeuropa das Gespenst der militärischen Bedrohung aus dem Osten umging. Als sich nach 1989 die vermeintliche Gefahr auflöste, folgte nicht etwa die Auflösung oder Begrenzung der NATO oder eine Verminderung des europäischen Engagements in diesem Miltärbündnis, sondern eine mehr oder weniger überzeugte Unterordnung Europas unter die strategischen Interessen der USA, die nun direkt auf die Kontrolle der Rohstoffquellen im Rest der Welt ausgerichtet sind und von den Vasallen wird erwartet, daß sie mittun. »Amerika ist ein sich im Kriege befindendes Land«, sagte George W. Bush in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation, in der er nicht weniger als fünfmal den Iran als Verursacher der vergangenen, heutigen und künftigen Konflikte im Nahen Osten benannte. Und ungeachtet der Tatsache, daß die Mehrheit der US-Amerikaner nicht mehr hinter ihm steht, kündigte er die Entsendung von weiteren 21.000 Soldaten in den Irak an. Die Vorbereitungen eines Angriffs auf Teheran laufen auf Hochtouren. Auch im Süden Afghanistans wird weiter gekämpft werden. Als Außenminister Massimo D'Alema kürzlich gegen eine diplomatische Offensive von sechs NATO-Botschaftern unter US-Führung offiziell protestierte, die einen verstärkten Einsatz Italiens in Afghanistan forderten, beschwichtigte der dienstälteste Politiker des Landes, Giulio Andreotti (seit 1945 Minister in vielen Kabinetten), er habe die unterschiedlichsten Vorgehensweisen der Amerikaner erlebt, was jetzt geschehe, sei alles nicht der Rede wert und wie immer in zwei Tagen vergessen. Entscheidend sei doch das gute Verhältnis zu den USA, und das dürfe nicht getrübt werden. Die Friedensbewegung sieht das anders: Geschätzte 200.000 Teilnehmer aus dem ganzen Land haben in einer fast siebenstündigen Demonstration am 17. Februar in Vicenza gegen die Militärpräsenz der USA und gegen die Zustimmung der Prodi-Regierung zum Ausbauplan protestiert, auch die Vorsitzenden der beiden zur Regierung gehörenden kommunistischen Parteien (Franco Giordano von der Rifondazione und Oliviero Diliberto von der PdCI) waren dabei. »Vicenza besiegt die Angst« titelte La Repubblica am Tag danach und meinte damit auch die in der ganzen Woche zuvor von Politikern und Presse geschürte Angst vor Gewalttaten. Unter Hinweis auf angeblich erneut drohende »Rote Brigaden« Terrorismus hatte auch Innenminister von der Teilnahme an der Demonstration eher abgeraten. Aber alles verlief friedlich. Die Demo, von einer großen Frauengruppe mit Kindern angeführt, hatte den Charakter eines Volksfestes; den Abschluß bildete ein spektakulärer Auftritt von Dario Do und Franca Rame. Prodi kommentierte, demokratischer Protest sei legitim, aber man werde am geplanten Vorgehen festhalten; über lokale Einzelheiten könne man mit den Amerikanern diskutieren. Eugenio Scalfari, der Begründer von La Repubblica , sieht nun Prodi sogar gestärkt, denn die Restkommunisten haben einerseits ihr Ansehen an der Basis wieder etwas aufpoliert, wollen und können aber wegen Vicenza ihr Bündnis mit Prodi nicht aufkündigen, denn danach kämen wieder Berlusconi und Fini an die Regierung. Doch bei Redaktionsschluß dieser Ossietzky -Ausgabe verschärften sich die Auseinandersetzungen, als die Regierung im römischen Senat für ihre Afghanistan-Politik nicht die von ihr erhoffte Mehrheit fand. Den geplanten Bauplatz Dal Molin haben Gegner des Projekts besetzt.
Erschienen in Ossietzky 4/2007 |
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