Arno Klönne, Gestörte Wahrnehmung

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Gestörte Wahrnehmung

Auf der »Konferenz für Sicherheitspolitik« im schönen München hat der »neue Zar« sein »häßliches Gesicht gezeigt«, sich wie ein »Halbstarker im Ölrausch« präsentiert, eine »neue Eiszeit« angekündigt, einen »zweiten kalten Krieg« ausgerufen, kurz: Der »russische Bär hat drohend seine Tatze erhoben«. Und so könnte es nun niemanden verwundern, wenn Rußland ein Netz von Militärstützpunkten um die USA herum knüpfen, in Mexiko oder Kanada Waffensysteme implantieren und in ganz Amerika NGO's anleiten und finanzieren würde, um den Menschen dort das richtige Politikverständnis beizubringen.

Aber ins Staunen käme man schon, wenn daraufhin US-Präsident George W. Bush nicht zum Endkampf gegen die Achse des Bösen aufrufen, sondern vor einer »Dominanz des Gewaltfaktors«, einer »hypertrophierten Anwendung von militärischer Macht in den internationalen Beziehungen« warnen, an die »Prinzipien des Völkerrechts« und das »internationale Gewaltmonopol der UNO« erinnern und »gemeinsame Bemühungen zur Rüstungsbeschränkung« vorschlagen würde, wie es Wladimir Putin in München getan hat.

Im Ernst: Es gibt keinen Grund zu der Annahe, die nachkommunistische russische Außen- und Militärpolitik, die sich jetzt abzeichnet, lasse sich in irgendeinem Winkel ihres Herzens von antimilitaristischen oder pazifistischen Gefühlen leiten. Putins Rußland betreibt klassische nationale Interessenpolitik. Aber diese unterscheidet sich in ihren Voraussetzungen und Konzepten von den derzeitigen, weltweit expansiven, auf militärische Hegemonie ausgerichteten Politikmustern der USA.

Es gibt auch keinen Grund, Staat und Gesellschaft in Putins Rußland als demokratisch zu bezeichnen. Aber Staat und Gesellschaft ins Bushs USA befinden sich nicht in einem Zustand, der einen globalen »zivilmilitärischen« (Angela Merkel) Missionsanspruch dieses Landes rechtfertigen könnte. Wo Putin Recht hat, hat er Recht: Das Exempel Irak zeigt, daß sich die US-amerikanische Politik bei ihren Vorstößen auf fremdes – vorzugsweise ölträchtiges – Terrain nicht als Demokratiebringer ausgeben sollte.