Der RBB führt Krieg

Otto Köhler

Da stand sie, blond, innig, die neue Kontraste -Moderatorin, und verkörperte eine Vorlaufstrophe des Horst-Wessel-Liedes (»Deutsche Frauen, deutsche Treue und so weiter sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang«). Während hinter ihr die Schemen der Menschenvernichtungsmaschine »Tornado« Kontur gewannen, sprach sie also: »Treu, zuverlässig und verbindlich: Diese Attribute stehen immer ganz oben, wenn Frauen ihren Traumpartner beschreiben sollen. Und so sieht sich auch die Bundesregierung, wenn es um Partnerschaften mit anderen Ländern geht. Treu, zuverlässig und verbindlich.«

Vorbei! Die neue deutsche Frau auf dem Politmagazinposten des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) – sie heißt Silke Böschen und hat beim Kommerzsender SAT1 gelernt – wurde bitterböse: »Doch wenn es ernst wird, dann ist es mit der deutschen Treue und Verläßlichkeit plötzlich nicht mehr weit her.«

Kontraste , laut Eigenangabe das »Hintergrundmagazin« des RBB , hat vier Programmgrundsätze. Der dritte lautet: »Die Bundeswehr engagiert sich im Rahmen unterschiedlicher Missionen im Kampf gegen den Terrorismus und zur Friedenssicherung. Kontraste zeigt, was militärische Einsätze und das zunehmende außenpolitische Gewicht des Landes für seine Bürger bedeuten.«

Welche RBB -MissionarInnen für dieses Engagement verantwortlich sind, erfahren die Zuschauer nicht. Die RBB -Homepage informiert (20.Februar) unter dem Rubrum Kontraste -Redaktion: »Die Seite wird zur Zeit überarbeitet.« Wer da wen überarbeitet, wir erfahren es ebensowenig. Doch das Ergebnis läßt für den Kriegseinsatz der Bundeswehr in aller Welt nichts zu wünschen übrig.

Kontraste beklagt, daß deutsche Soldaten in Afghanistan nur für den ruhigeren Norden zuständig sind: »Mehr Engagement im Süden, davon halten deutsche Politiker gar nichts.« Kontraste zitiert ein SPD- und ein CDU-Mitglied des Verteidigungsausschusses und heult auf: »Das heißt: Deutschland schaut zu, wie uns andere Länder die Taliban vom Hals halten.« Das sei »kurzsichtig« und »gefährlich«, wie sich Kontraste von einem ganz besonderen General a.D. bestätigen läßt: »Wir müssen alles daran setzen, unsere Kameraden, die NATO-Kameraden, die im Süden im Rahmen der ISAF eingesetzt sind, zu unterstützen.«

Der General heißt Walter Jertz, war zuletzt Befehlshaber des Lufwaffenführungskommandos (»Unser Schwerpunkt ist der Einsatz«) und kommandierte als oberster Militärsprecher im Krieg gegen Jugoslawien den Lügenfeldzug der NATO. Seine Propaganda von damals (die NATO führe die »präziseste Bombardierungskampagne in der Geschichte durch« und schone die Zivilisten) hat er sich abgeschminkt. Ehrlich geworden bekennt der Lufwaffengeneral für Kontraste : »Ich erwarte von den Politikern, daß sie Klartext reden.« Der Bevölkerung müsse deutlich gemacht werden, daß auch »Zivilisten zu Schaden kommen, und dieses wollen wir natürlich letztlich auch offen aussprechen, dieses müssen wir auch offen aussprechen.«

Die Kanadier wollen ihre 2.500 Soldaten aus dem Süden Afghanistans zurückziehen, erregt sich Kontraste , »wenn nicht endlich mehr Unterstützung kommt«. Aber, so das für Bundeswehrkriegseinsätze engagierte Magazin: »Hilfe von deutschen Bodentruppen wird nicht kommen. Die deutsche Politik reagiert nicht auf den Ernst der Lage.«

Kontraste fragt:»Wann wird es deutsche Bodentruppen im Süden von Afghanistan geben?« Andreas Schockenhoff (CDU-Bundestagsabgeordneter) antwortet: »Das steht überhaupt nicht zur Debatte.« Kontraste ist empört: »In Deutschland ist ja noch nicht einmal ausdiskutiert, ob man Aufklärungstornados schicken will. Schon dagegen wird Stimmungsmache betrieben. ›Sind wir jetzt im Krieg? ‹ , fragt die Bild -Zeitung.«

Kontraste gibt korrekte Antwort. »Ja, Deutschland ist im Krieg, aber die Politik will es nicht aussprechen. Auch nicht, daß wir uns eigentlich noch mehr engagieren müßten.« Ja, wir brauchen noch mehr Krieg, indes: »Die Mehrheit der Deutschen«, rügt Kontraste , »lehnt laut einer Umfrage den Tornado-Einsatz ab. Wenig verwunderlich – so schlecht wie die Politik darüber aufklärt.« Darum mehr klare Worte von General Jertz statt »Schlingerkurs«, wie ihn selbst CDU-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder betreibe: Dann werden die Deutschen endlich wieder freudig in den Krieg ziehen.

Die neue deutsche Frau aber auf dem Politmagazinposten in Berlin sollte sich schleunigst an einer unserer vielen Fronten melden und einen Termin mit ihrer Heldentödin machen. Die wartet schon, treu, zuverlässig und verbindlich.

Erschienen in Ossietzky 4/2007