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Den Redakteuren der neuen Wochenzeitschrift Vanity Fair war es mit dieser Schnapsidee todernst, hatte doch auch die russische Journalistin Anna Politkovskaja im Kampf um mehr Demokratie ihr Leben gelassen: »Deshalb haben wir unseren Reporter Michel Friedman zur NPD geschickt.« Der besuchte die NPD-Führer, ihre muskelbepackten Leibwächter und eine Neonazi-Kneipe – gottseidank mit ausreichend Personenschutz, so blieben der Welt Schlagzeilen wie »Deutschlands bekanntester Jude ließ sich für neue Zeitschrift von Nazis abstechen« erspart. Man kann sich die Enttäuschung auf den Gesichtern der Vanity Fair -Redakteure leicht vorstellen, als ihnen Friedman seinen langatmigen, erkenntnisarmen Erlebnisbericht ohne gebrochene Knochen, ohne Zahnlücken oder Blutergüsse überreichte. Am Ende blieben mehr offene als beantwortete Fragen: Warum ließ Friedman sich überhaupt zur NPD schicken? Warum entsandte ihn niemand, so sie noch leben, zu den immer zahlreicheren Opfern der rechten Schläger? Zuletzt war einzig NPD-Führer Voigt zufrieden, denn »man soll sich an uns gewöhnen«. Daß man das kann, ermöglichte auch Vanity Fair , das die wüsten Welterklärungen der Nazis mit einer Startauflage von einer halben Million Exemplaren auf den deutschen Zeitschriftenmarkt warf. Chefredakteur Ulf Poschardt erklärte in der Welt die ganz eigene Tonart seines Magazins so: »Wir empfinden eben Sympathie für Menschen, denen etwas gelingt [...] Wir freuen uns eben, Erfolge vorzustellen.« Insofern ist es nur schlüssig, daß seine Vanity Fair schon im ersten Heft den aufhaltsamen Aufstieg der Neonazis publizistisch reflektiert. Vor allem aber soll der deutsche Ableger der erfolgreichen US-Zeitschrift der hiesigen Leistungselite »eine hohe Hedonismus- und Konsumkompetenz« bieten. Klar, daß die 140 Anzeigenseiten des ersten Heftes – pro Stück fordert der Condé Nast Verlag 16.020 Euro – kürzere, aber deutlich besser geschriebene Texte als die 196 Seiten des redaktionellen Teils enthalten. Die Zielgruppe der Zeitschrift soll »Schrittmacher und Gestalter eines neuen Deutschland« sein und zeichnet sich laut Verlagswerbung durch »Weltoffenheit, Verantwortungsbewußtsein und Optimismus« aus. Zu dieser Elite gehört offenbar auch Porno-Rapper Bushido, der bislang sein jugendliches Publikum mit verantwortungsbewußten Liedtexten wie diesem aufklärte: »Ein Schwanz in den Arsch, ein Schwanz in den Mund, ein Schwanz in die Fotze, jetzt wird richtig gebumst!« Für Vanity Fair füllte dieser optimistische Gestalter eines neuen Deutschlands unter dem Titel »Deutsche Tugenden« vier Druckspalten mit wirren Anekdoten aus seinem Leben als Milchbart-Gangster, befriedigte seine Profilneurose mit unerbetenen Auskünften über seinen Kontostand und lästerte ganz weltoffen über »Schwuchteln«, Schweizer und Franzosen. »Wir können schon froh sein, in einem Land wie Deutschland zu leben. Ich bin in der Hinsicht ein echter Patriot. Wenn jemand keinen Bock hat, hier zu wohnen, soll er seinen Paß auf den Tisch legen und sich verpissen.« Wie lautet gleich die Eigenwerbung von Vanity Fair ? »Woche für Woche die besten Autoren«. Zumindest einer der unerträglichsten ist schon da. Ein anderer Vertreter der deutschen Leistungselite ist der ausdrucksarme Kinostar Til Schweiger. Mit nacktem Oberkörper stellte er sich den investigativen Fragen der Vanity Fair -Redakteure: Fühlen Sie sich in Ihrem Körper wohl? Würden Sie sich liften lassen? Was ist ein perfekter Frauenkörper? Wie muß die perfekte Frau sein? Deutlich interessanter als Schweigers belanglose Selbstdarstellung fällt der Bericht über Bundesumweltminister Sigmar Gabriel aus: »Laut Gabriel wird die Verbindung von Umweltschutz und Marktwirtschaft nicht weniger als Deutschland retten.« Schon viele wollten Deutschland retten und verdarben es dadurch erst richtig. Der Minister hat zu diesem Zweck ein radikal neues Konzept entwickelt: »Gabriels Leute versuchen zur Zeit, Konzernvorstände als Berater für ein neues Gremium zu gewinnen. Eine Art Aufsichtsrat voller Topmanager fürs Ökoministerium.« Leitete der Bundesminister sein Fachressort bislang in eigener Verantwortung, will er sich also freiwillig der offenen Kontrolle durch die Wirtschaft unterstellen. Wer keinen Bock auf diesen Verfassungsbruch hat, darf dann wohl seinen Paß bei Gabriel auf den Tisch legen und erhält vom Rapper Bushido noch schnell einen Tritt. Vanity Fair verbreitet eine einfache Botschaft: Deutschland war, ist und bleibt herrlich! »Das Biedermeier muß als Vorspiel der Moderne verstanden werden. Und als Quelle allen guten Geschmacks.« Und wie sah es nach den zwölf Nazi-Jahren im besten aller Länder aus? Ein Ausstellungsbericht erklärt, »wie Modeschöpfer Christian Dior das Nachkriegsdeutschland verzauberte«. Gerade erst waren 600.000 seiner Landsleute von Deutschen erschlagen worden, da ging er schon auf seine »heroische Mission« – zauberhaft! Für alle, denen es bei so viel Freude über Deutschland ein wenig übel wird, komponiert UN-Umweltfachmann Achim Steiner mahnende Besinnungsaufsätze. Er will »jede Woche über die Gratwanderung zwischen konsumorientiertem Lebensstil und Erhalt von Natur und Umwelt schreiben«. Steiner nennt seine Kolumne, die sich mit zwei Dritteln einer Druckspalte begnügen muß, »Realitätscheck«. Mehr Realität, als auf einen Bierdeckel paßt, können Vanity Fair -Leser offenbar nicht ertragen. Fünfzig Millionen Euro hat sich der Condé Nast Verlag den deutschen Start von Vanity Fair kosten lassen. Herausgekommen ist ein Wochenblatt als Psychotherapie-Ersatz für alle, die ihre geistige und emotionale Leere mit dem Kauf überflüssiger Luxuswaren auffüllen. Ein passenderer Name für diesen Jahrmarkt der Eitelkeiten wäre Bunt & Blöd gewesen oder Deutschland ist schön! Chefredakteur Poschardt behauptete, er werde bereits mit den ersten Ausgaben alle seine Versprechen zu hundert Prozent erfüllen. Zumindest eines hat er schon eingelöst: »Das Typische an Vanity Fair wird sein, daß wir nicht auf der Seite jener stehen, die räsonieren.« Stimmt. Um dort zu stehen, müßte man das Räsonieren ja auch erst einmal beherrschen.
Erschienen in Ossietzky 4/2007 |
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