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Günther Oettinger, nebenher Geschichtsphilosoph. – Auch ein Ministerpräsident braucht mal was Heimeliges, und so haben Sie einen gemütlichen Abend bei Ihrer pflichtschlagenden Tübinger Studentenverbindung Ulmia verbracht. Dort äußerten Sie Gedanken darüber, daß den Deutschen stärkerer Antrieb für solche gesellschaftlichen Sanierungsarbeiten gegeben werden müsse, wie sie früher nach Schadensfällen vollbracht wurden. Beim historischen Vergleichen gelangten Sie zu der Erkenntnis: »Das Blöde ist, es kommt kein Krieg mehr« (in Deutschland, meinten Sie). Ein Reporter, der sich eingeschlichen hatte, gab Ihren Satz in die Zeitung, was Ihnen etwas Ärger einbrachte. Der wird sich bald legen. Mit Ihrer Theorie von der belebenden Kraft militärischer Menschenschlächtereien befinden Sie sich doch in bester Gesellschaft. In Deutschlands korporierter Elite har der antike Satz »Der Krieg ist der Vater aller Dinge« seine feste Tradition, und General von Hindenburg rühmte auch die belebende Wirkung auf den Einzelnen: »Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur.«

Jürgen Baumert, Bildungsexperte. – Der sozialdemokratische vorwärts bat Sie als Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung um einen Kommentar zum bildungspolitischen Teil des SPD-Programms, doch Sie lehnten mit der Begründung ab, daß Sie Ihre wissenschaftliche Reputation nicht gefährden möchten. Kann es sein, daß Ihnen die Textvorlage der SPD nicht so ganz gefiel? Dann hätten Sie das Programm ruhig kritisieren dürfen. Dadurch wäre kein Regierungsauftrag gefährdet gewesen, Ihre Reputation sowieso nicht.

Peter Struck, geistliche Autorität. – Nachdem etliche Abgeordnete der von Ihnen geführten SPD-Bundestagsfraktion gewagt hatten, gegen das großkoalitionäre Gesundheitsreformgesetz zu stimmen, beanstandeten Sie streng: Dies sei keine Gewissensentscheidung gewesen, darum hätte kein Parlamentarier von der Mehrheitsmeinung abweichen dürfen, nun seien Konsequenzen fällig. Der Abgeordnete Karl Lauterbach hingegen berief sich auf sein Gewissen. Der Mann hat nicht begriffen, daß auch ein Gewissen nicht frei vagabundieren darf. Sie werden ihm noch einmal klarmachen müssen, daß gemäß theologischer Überlieferung eine Instanz walten muß, die dem Gewissen seinen Spielraum zuweist.

Erschienen in Ossietzky 3/2007