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Kaum war das heraus, machte die Kanzlerin kehrt und versprach beim Europatag der deutschen Wirtschaft in Berlin: »Wir werden verhindern, daß es eine generelle Reduktion gibt.« Das Versprechen hat sie eingehalten, wie man inzwischen weiß. Herrschaft beginnt im Reich der Sprache, und deshalb wäre schon der Verzicht auf den unscharfen Begriff »Klimawandel« ein Beitrag zum Klimaschutz. »Klimawandel« verschleiert Ursachen und Verursacher von Gefahren, klingt ein wenig fatalistisch, undramatisch, nach etwas Hinnehmbarem und noch Erträglichen. Angemessen und präzise wäre es, von globaler Klimaaufheizung zu sprechen, von Klimagefährdung, bevorstehender Klimakatastrophe, Klimavergiftung oder Klima(zer)störung – je nach konkretem Kontext. Damit stets kenntlich bleibt, daß wir selbst es sind, die das Weltklima bedrohen. Und daß wir es gerade noch in der Hand haben, das Schlimmste abzuwenden. Im vierten UN-Klimareport steht immerhin schon das Wort »Klimaveränderung«. Er wurde offiziell am 2. Februar in Paris veröffentlicht. Mehr als 2500 Experten aus 130 Ländern haben daran gearbeitet. Sie erlauben keinen Zweifel mehr daran, daß die vom Menschen freigesetzten Treibhausgase die Atmosphäre unseres Planeten vergiften, die sich dabei zudem gefährlich erhitzt. Hauptverursacher der unsere Lebensgrundlagen zerstörenden Gasproduktion ist das Transportwesen. 60 Prozent des weltweit geförderten Erdöls fließen in den Verkehr. Wir verschaffen uns nicht nur Rohstoffe aus allen Erdteilen, wir holen uns Kiwis aus Neuseeland und Schnittrosen aus Afrika, Garnelen aus Thailand und Rindfleisch aus Argentinien. Schicken Nordseekrabben zum Auspulen nach Marokko und holen sie servierfertig zubereitet von dort wieder zurück. d ie Transportenergie für ein Kilo Spargel aus Kalifornien übersteigt den Brennwert dieses Gemüses um das 40fache. Ein einziges Produkt »erfährt« von der Rohstofferschließung bis zur Abfallbeseitigung unzählige Transportvorgänge. Investitionsgüter und Konsumwaren haben zum Teil tausende (Flug-)Kilometer hinter sich, ehe sie beim Verbraucher oder Endabnehmer landen. Der Transport ist billig und kein Ende des Irrsinns abzusehen. Irrationalität kennzeichnet ebenso die Strukturen des privaten Personenverkehrs. Ein Europäischer Erwachsener wiegt bekleidet durchschnittlich 85 Kilogramm. Um sich selbst von A nach B zu bringen, bewegt er ein Auto, das (in Europa) durchschnittlich 1,5 Tonnen wiegt, das mehr als 17fache seines Insassen. Der PKW ist einer der schlimmsten Klimazerstörer. In Deutschland kommen über 22 Prozent aller Kohlendioxyd-Emissionen aus den Auspuffrohren der Blechkisten. Je größer der Hubraum und je höher die Geschwindigkeit der Fahrzeuge, desto mehr Kohlendioxyd wird in die Luft geblasen. Deutschland ist führend in Konstruktion und Bau schwerer Autos, in ihnen stecken die höchsten Profitraten. BMW X5, Audi A 8, Mercedes S-Klasse, VW Phaeton, Maybach, Porsche und die Riesenschlitten mit Allradantrieb, sie sind allesamt Spritsäufer. Auf unseren Autobahnen ist ihnen – weltweit einmalig – uneingeschränkte Verwendbarkeit garantiert. Wo kein allgemeines Tempolimit gilt, da gilt erst recht kein Kraftstoff-Verbrauchslimit. Unsere Personenautos sind Klimakiller. Die Ökoauto-Werbekampagnen der Industrie lenken nur von der zähen Weigerung der Autohersteller ab, spritsparende und preisgünstige Autos in Serie zu produzieren. Der durchschnittliche Verbrauch unserer PKW-Flotten stagniert seit Jahrzehnten auf dem hohen Niveau von acht Litern auf 100 Kilometer. Aus einem Liter Benzin entstehen beim Fahren etwa 2,4 Kilogramm Kohlendioxyd. Dieselmotoren sind zwar effizienter als Ottomotoren und erzeugen weniger Kohlendioxyd, aber sie stoßen dafür wesentlich mehr Stickoxyde aus, eine andere Art von Treibhausgasen. Schlechtes Gewissen befreit mich nicht von Mitschuld: Mein Auto, ein sechs Jahre alter Rover 45, verbraucht auf 100 Kilometern gut 8 Liter und bläst 19,2 Kilogramm Kohlendioxyd in die Luft. Eine Dreckschleuder. Wenn möglich, vermeide ich jetzt zwar Autofahrten oder nutze öffentliche Verkehrsmittel, aber weil die in der Provinz nur spärlich verfügbar sind, sammeln sich im Jahr immer noch fast 12.000 Kilometer auf dem Tacho meiner Karre. Der Rover emittiert 192 Gramm Kohlendioxyd pro Kilometer, mein autobezogener Jahresanteil an Treibhausgasen beträgt demnach mindestens 2,3 Tonnen CO 2 . 1999 hatte sich die deutsche Autoindustrie »freiwillig« selbstverpflichtet, den Kohlendioxydausstoß im Flottendurchschnitt ihrer Fahrzeuge bis zum Jahr 2008 auf 140 Gramm pro Kilometer und Auto zu senken. Sie kaufte sich damit von gesetzlichen Grenzwerten frei, bewies jedoch in den Folgejahren, was vom Wort der Konzernchefs, ihrem Umweltbewußtsein und ihrem Realitätssinn zu halten ist. Sie haben es sich selbst und nicht nur der Pflichtauffassung des EU-Kommissars Dimas zuzuschreiben, daß er nun per Gesetz für das Jahr 1012 ein Schadstofflimit von 120 Gramm Kohlendioxyd pro Kilometer verlangt. In der EU gebaute Neufahrzeuge sollen im Durchschnitt nur noch höchstens fünf Liter Benzin verbrauchen. Auf die Ankündigung des EU-Umweltkommissars reagierte EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD). Im ADAC-Magazin Auto Motor und Sport konterte er: »Gerade die deutsche Autoindustrie darf nicht daran gehindert werden, auch in Zukunft große, schnelle und luxuriöse Fahrzeuge zu bauen.« Pawlowscher Reflex auch von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt: »Eine Obergrenze gefährdet Arbeitsplätze ... Deutschland kann, obgleich schon Vorreiter beim Klimaschutz, nicht immer noch weiter nach vorne preschen.« Und Kanzlerin Merkel, obwohl gegenwärtig auch EU-Präsidentin: »Die EU ... (kann) ... nicht alleine den Klimaschutz für die Welt regeln.« Wenn es nach unserem politischen und wirtschaftlichen Spitzenpersonal geht, kann die Mehrheit deutscher Autokäufer noch lange auf erschwingliche, verbrauchsärmere, weniger umweltschädliche Serienfahrzeuge warten und muß auf unseren Straßen weiterhin den Reichen Platz machen, die mit ihren BMWs und Porsches nach vorne preschen wollen. Ein Porsche Cayenne erreicht Geschwindigkeiten von mehr als 270 Kilometer pro Stunde, verbraucht im Schnitt 17 Liter Sprit und emittiert mehr als 400 Gramm Kohlendioxyd pro Kilometer.
Erschienen in Ossietzky 3/2007 |
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