Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Vater geht bettelnDietrich Kittner Seit Jahrhunderten erhalten in Hannover Fremde, die ein wenig naiv fragen, wo denn nun das Zentrum zu suchen sei, unweigerlich die Antwort: »Am Kröpcke.« Hier liegt – gesellschaftlich unbestritten, geographisch beinahe – der Stadtmittelpunkt, die gute Stube der Leine-Metropole. Da blitzt und chromt und lichtreklamt es an den Fassaden, daß es eine feine Lebensart hat. Ich komme mir dort immer ein wenig schlecht angezogen vor. Weil jedoch auch in Hannover Hartz IV und Landfahrergesetz gelten, finden sich am Rande der Konsumpracht gesetzmäßig zahlreiche Straßenmusikanten, Schnellzeichner und andere Mitbürger, die auf Mitleid und schlechtes Gewissen der Passanten angewiesen sind, wenn sie versuchen wollen zu überleben. Zumeist agieren diese Leute unaufdringlich, können sie doch darauf bauen, daß allein der Kontrast zwischen ihrer unübersehbar bedauernswerten Lage und dem sie umgebenden Luxus bei dem einen oder anderen Vorübergehenden schlechtes Gewissen erzeugt und ihm damit die Entscheidung erleichtert, sich von zehn oder gar fünfzig Cent zu trennen. Unlängst jedoch stieß ich am Kröpcke auf zwei ausgesprochen aggressive Bettler, genauer die beiden stießen mir ihre wild scheppernden Geldbüchsen unangenehm dicht vor den Bauch. Junge, offensichtlich arbeitsfähige Männer waren es, gut rasiert überdies und gewaschen wohl auch. Dieser Umstand ließ mich davon absehen, ihnen den fälligen Beck'schen Gruß zu entbieten. (Nebenher: Es verblüfft mich noch immer, daß gerade ein unrasierter stoppelbartiger Typ, der als Ministerpräsident in Mainz von Steuern lebt, anderen an den Bart gehen will.) »Können Sie nicht arbeiten?« fragte ich statt dessen. »Haben Sie überhaupt einen Bettelschein?« »Wir sind im Dienst!« schallte es empört zurück. Ach so. Jetzt wurde mir klar, weshalb beide die gleichen roten Kappen und die gleichen grauen, mit ein wenig Metall gezierten Anzüge trugen: Es war unsere schneidige Bundeswehr, die hier so resolut um milde Gaben bat. Waren die Kosten für den Afghanistankrieg weiter gestiegen? Mußten unsere braven Jungs jetzt schon betteln gehen, weil anders die Rüstung nicht mehr zu finanzieren war? Beim Eurofighter zählt schließlich jeder Cent! Deswegen wohl beobachtete ein dritter, ebenfalls rotbemützter, graugewandeter untersetzter älterer Herr aus ein paar Schritt Entfernung die Szenerie. Weil er etwas mehr metallene Accessoires angeheftet trug, nahm ich an, er sei der vorgesetzte Aufseher, der hier mit Argusaugen darüber wachte, daß keiner seiner Untergebenen ein paar Euro dringend benötigter Rüstungsgelder, wie in besseren Kreisen schon mal üblich, für sich privat abzweigte. »Wofür sammeln Sie denn? Für Munition?« »Für Kriegsgräber,« kam es unisono. »Ach, jeder für seines? Oder alle für ein gemeinsames?« Gerade wollte ich noch beruhigend auf die Tatsache hinweisen, daß die Bundesregierung doch soeben ihren Etat für Zinksärge und Leichensäcke erhöht habe, da nahte drohenden Schritts der Spieß. Sicherheitshalber verließ ich hier doch lieber die Szene. Nur aus den Augenwinkeln konnte ich noch verfolgen, wie eine ältere Dame freundlich lächelnd jedem der beiden bettelnden Soldaten einen Geldschein in die Sammelbüchse stopfte. Vermutlich eine Kriegerwitwe. Meine zwei Euro habe ich dann den zwei Punkies gegeben, die ein paar Meter weiter mit ihrem Hund fröhlich um milde Gaben baten. Sie waren weniger aggressiv, ansprechender gekleidet, und ich bin mir sicher, daß sie das Geld nicht für Kriege verwendet haben, sondern für Bier. Ach ja, die Kriegseinsätze der Bundeswehr bezahlt jeder und jede von uns über Steuern ohnehin mit etwa 1,80 Euro – täglich. Wenn nicht mehr, da doch die großen Firmen laut Regierungsmeinung überhaupt keine Steuern zahlen dürfen, sondern Millionen und Abermillionen staatlicher Sozialhilfe bedürfen, um ihre Manager und Großaktionäre dem drohenden Hungertode zu entreißen. Es betteln jedoch auch noch andere. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräbervorsorge rät per Inserat, wir sollten alle schon mal unser Testament machen. Es sei unabdingbar, per letztem Willen auch den Volksbund zu bedenken. Weitsichtig. Aus Gründen des Urheberschutzes muß ich betonen, daß die Formulierung Vor sorge nicht der perversen Phantasie meines Satirikerhirns allein entsprungen ist. Der gemeinnützige Kriegsgräberverein gibt im Inserat zur weiteren Auskunft nämlich ausdrücklich eine Internetseite an: www.gutvorgesorgt.info . Natürlich geht es da um Bargeld. Für Hartz IV-Opfer und ähnliche Prekarier bliebe dann wohl nur, der Bundeswehr die eigenen sterblichen Überreste zu vermachen, damit unsere Jungs, die im Hindukusch für uns die Knochen hinhalten, beim Erinnerungsfoto nicht alles selbst ausgraben müssen. Kriegsminister Jung – er heißt nur jung, ist aber tatsächlich Franz-Josef – hat öffentlich erklärt, die Aufgabe des deutschen Militärs bestehe in Afghanistan vor allem darin, »dort das Image der Bundeswehr zu verbessern«. Das hätte er auch einfacher haben können: »Stell dir vor, es ist Krieg, und die Bundeswehr geht nicht hin.« (Zitatende) Vermutlich werden die bereits im Land befindlichen deutschen Panzer und Tornados nun auf beiden Seiten große Aufschriften erhalten: »Die Welt zu Gast bei Freunden.« Das wird dort sicher die Stimmung heben. Für diese humanitäre Aufgabe muß unser aller Vater Staat eben notfalls betteln gehen. Und logischerweise dann natürlich auch für Kriegsgräber. Die Illustrierte stern hat übrigens tatsächlich schon neue Kriegerdenkmäler für die Gefallenen des Afghanistan-Kriegs angemahnt.
Erschienen in Ossietzky 3/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |