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Daraufhin schlug Lehmann-Brauns, den die stolzdeutsche Junge Freiheit in ihrer Besprechung zu »den Paradiesvögeln der Berlin CDU« zählte, im Stadtparlament den Freund Biermann so lange zum Ehrenbürger Berlins vor, bis keiner mehr dagegen stimmte. Wo so erfolgreich gewaschen wird, wollen viele mitwaschen. Und wehe dem, der ungewaschen abseits bleibt. Die Frankfurter Rundschau , die gerade auf ihr halbes Format gebracht wird, druckte eine Attacke von Gert Loschütz (Verfasser literarischer Werke wie »Sofern die Verhältnisse es zulassen«, »Dunkle Gesellschaft«, »Der Kampfschwimmer«) gegen Volker Braun. Der leitet nämlich die Sektion Literatur in der Berliner Akademie der Künste und hat 1966 in der DDR ein Gedicht »Die Mauer« geschrieben. Loschütz, verdienter Träger des Ernst-Reuter-Preises: »Ich sah das Gedicht und erstarrte.« Ihm war eine der »widerlichsten Hervorbringungen« erschienen, die »jemals im Gewand eines Gedichts aufgetreten sind«. Wie ein Blitz traf ihn da die Erkenntnis: Eben deshalb hat sich die Akademie der Künste nicht klar und eindeutig unter ihrem Präsidenten Klaus Staeck, und die Sektion Literatur schon gar nicht, für den Ehrenbürger Biermann ausgesprochen. »Schrecklich/hält sie, die steinerne Grenze/Auf, was keine Grenze/Kennt: den Krieg.« Das waren – weiß Loschütz – »geschönt auch die Worte von Ulbricht und Honecker, mit denen sie die Welt über den Charakter der Mauer zu belügen versuchten«. Wahr ist: Solange die scheußliche Mauer stand, ging vom deutschen Boden kein Krieg aus. Solange nicht zusammenwuchs, was da zusammengehört. Zusammengewachsen aber, ohne Mauer, bombardierte man Belgrad, zerschlug Jugoslawien, wie schon 1941 ohne Erklärung des Krieges (Kanzler Schröder 1999: »Wir führen keinen Krieg«). Ein Dichter, der das schon vor vierzig Jahren geahnt hat, darf nicht länger die Sektion Literatur der Akademie leiten. Wenigstens dann nicht, wenn diese Akademie schweigt und nicht klar und eindeutig Ja sagt zur Ehrenbürgerwürde für einen Jasager zu jedem neuen deutschen Krieg. Die Frankfurter Allgemeine , nicht immer so linientreu, wie es die Frankfurter Rundschau geworden ist, fand die Anklage von Loschütz albern. Er verschweige, daß Volker Braun im Gedicht die Mauer auch als »Schundbau, scheißt drauf« bezeichnet habe und daß da – 1966 in der DDR gedruckt – »Schüsse auf Republikflüchtlinge« vorkommen. Und »vollends unverständlich« werde die Loschütz-Polemik, wenn man sich in Erinnerung rufe, daß Braun 1976 zu den Initiatoren des Protestbriefs gegen Biermanns Ausbürgerung gehörte. Wie gut, daß es den von der Deutschen Bank und der Konrad-Adenauer-Stif-tung finanzierten »Autorenkreis der Bundesrepublik« gibt, zu dessen wortmächtigsten Mitgliedern so saubere Autoren wie Arnulf Baring (»Bürger auf die Barrikaden«) gehören. Und Berhard C. Wintzek, der vier Jahre nach dem inkrimierten »Mauer«-Gedicht mit seiner Zeitschrift »Mut« die berühmte Würzburger Großkundgebung der »Aktion Widerstand« gegen die Ostpolitik Willy Brandts organisierte – »Brandt an die Wand« und »Deutsches Land wird nicht verschenkt, eher wird der Brandt gehenkt« riefen die durch die Stadt demonstrierenden Bürger. Vizepräsident dieses sauberen Autorenkreises ist Biermanns Freund, der eingangs erwähnte Schriftsteller Uwe Lehmann-Brauns. In den 1990er Jahren kam auch der Dichter Uwe Kolbe in diesem Kollegenkreis an. Einst in der DDR hatte er die Meinung vertreten: »Dichtung rentiert sich nicht« (»Abschiede«, 1981) – veröffentlicht wie fast alle folgenden Werke des von der SED grausam verfolgten Autors sowohl im Aufbau-Verlag (Ost) wie bei Suhrkamp (West) und wohlversehen mit Preisen aus dem Westen. Derart motiviert erhob sich nun Kolbe in der Frankfurter Rundschau , um Loschütz beizustehen. Wissend verkündete er: »Man fragt lieber nicht weiter nach der Motivlage des damals siebenundzwanzigjährigen Dichters Braun.« Und im nächsten Satz sprach er aus, worauf es ankommt: »Der clevere Nachfolge-Club der SED will also Wolf Biermann die Ehrenbürgerschaft Berlins verweigern. Der bekommt sie auch ohne dessen Plazet.« Die Berliner Linkspartei hatte nämlich nicht klar und eindeutig Ja gesagt, sondern angesichts des großen Aufwaschs zaghaft Stimmenthaltung beschlossen. »Zynismus und Kaltschnäuzigkeit« wirft Uwe Kolbe denen vor, die nicht Ja zu Biermann sagen, weil der Ja zum Krieg sagt. Kolbe: »Biermann, den vollblütigen Erben Heinrich Heines, der da von Altona kommend Unter den Linden flaniert, kann das nicht jucken.« Heine aber, ohne seinen Erbschleicher schon zu kennen, hatte sich ausgebeten: »Grüß mich nicht unter den Linden.«
Erschienen in Ossietzky 3/2007 |
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