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Teurer BesuchDas Bundesland Mecklenburg-Vorpommern befinde sich fiskalisch in einem armseligen Zustand – so hörten wir's bisher auch von den dortigen Landespolitikern. Kann aber nicht stimmen. Für das dreitägige Treffen der Obrigkeiten aus den G-8-Nationen, also den wirtschaftsstarken Ländern der Welt, das im Juni in Heiligendamm stattfinden wird, soll nach Angaben des Schweriner Finanzministeriums der Landeshaushalt mit 33,7 Millionen Euro belastet werden, und wer will da etwa knickrig sein? Das wäre »ein falsches Signal«, äußerten sich die Landeskoalitionäre der SPD und der CDU. Nicht mosern! Man sieht daran, daß der Wechsel von der rot-roten zur rot-schwarzen Regierung in Schwerin doch Folgen hat. Wäre die Linkspartei/PDS dort noch in der Regierung, hätte die Staatskasse wohl nicht weniger Moneten rausrücken müssen, aber es wäre mit dem Ton des Bedauerns geschehen. Marja Winken
PartnerschaftDie Hartz-Gesetze, empfehlen Politiker, sollen in Zukunft nicht einmal mehr »sogenannte Hartz-Gesetze« heißen – der Name paßt nicht länger, nachdem der Erfinder dieses Reformwerkes in die Mühlen der Justiz geraten ist. Das Urteil in dem Prozeß gegen ihn ist in den nächsten Tagen zu erwarten, und es wird vermutlich gnädig ausfallen, denn der Beschuldigte und die Justiz sind partnerschaftlich miteinander umgegangen. Vorweg ausgehandelt wurden eine zur Bewährung auszusetzende Haftstrafe und die Zahlung von 300.000 Euro für die Veruntreuung von 2,6 Millionen Euro. Peter Hartz wird die Geldbuße verkraften können; sein Monatsgehalt betrug 25.000 Euro, und sein Privatvermögen gab er mit 2,7 Millionen Euro an. Persönliches Fehlverhalten und nun auch noch ein für das gemeine Volk etwas ärgerlicher Deal mit der Staatsanwaltschaft – so der Tenor der Medienkommentare. War es das? Aufmerksamkeit verdient das Systemische an diesem Fall: Da steigt einer zum Personalchef bei einem Riesenkonzern auf – um die Personalkosten zu senken, versteht sich –, und damit der Betriebsratsvorsitzende »nicht trotzig« wird (so der Hartz-Verteidiger im Prozeß), sondern brav dafür sorgt, daß sich die Belegschaft schön partnerschaftlich mit den Kürzungen abfindet, fließen ein paar Millionen Pflegegeld: Belohnung für das Co-Management. Dies funktioniert so reibungslos, daß ein sozialdemokratischer Kanzler den VW-Personalchef zum Mitregenten im Feld der Sozialpolitik macht, mit durchschlagender Wirkung bei der Demontage von Sozialstaatlichkeit. Und nur ein dummer Zufall führt dazu, daß eine solche weitverzweigte Partnerschaft der Öffentlichkeit unangenehm auffällt. Also: Ein neuer Name muß her. Weil dieser nicht mehr paßt. Oder weil er zu gut paßt? A.K.
LehrgeldIn Deutschland sind 15 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos. Zehntausende Lehrstellen fehlen. Aber kein Mißstand kann so groß und grausig sein, daß nicht doch noch Geschäftemacher die Möglichkeit röchen, Profit daraus zu ziehen. So wurde im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen die Winkler Ausbildungs-GmbH gegründet, die Lehrstellen für Bürofachkräfte und Industriemechaniker offeriert. Das ist seit dem 2005 novellierten Berufsbildungsgesetz möglich, denn nun können auch »Schulen und Bildungseinrichtungen« vollwertige Berufsabschlüsse verheißen. Darauf beruft sich Winkler. Wer bei ihm eine Lehrstelle bekommen will, muß allerdings Lehrgeld bezahlen, und zwar zwischen 425 und 500 Euro. Im Monat. Arbeitsplätze nach der Lehrzeit bietet die Firma nicht. Denn die Ausbildungs-GmbH bildet eben nur aus. Was dann geschieht, ist Sache der Jugendlichen oder deren Verwandten. Im Südweststaat, ähnlich wie in anderen Bundesländern, bietet ein Drittel der ausbildungsberechtigten Betriebe seit sechs Jahren keine Lehrstellen mehr an. Aber Industrie- und Handelskammern und selbstverständlich auch die Landesregierung bleiben unnachgiebig bei ihrem Nein zu einer vom DGB, von Der Linken und einer beachtliche Anzahl von Wirtschaftswissenschaftlern geforderten Abgabe nichtausbildender Betriebe zugunsten der ausbildenden. Gespannt wartet man jetzt darauf, ob die IHK nach drei Jahren die Winkler-Schüler zur Abschlußprüfung zuläßt. Wenn ja, hat sich wieder mal gezeigt, daß die Chancen in unserem Land zuvördert davon abhängen, ob man gutbetuchte Eltern hat. Wenn nein, hat man im wahrsten Sinne des Wortes doppeltes Lehrgeld bezahlt. Die Inhaber aber profitieren in jedem Fall. Wozu hätten wir denn auch sonst eine freie Marktw i rtschaft? Werner René Schwab
weg!Also, so war's doch in der DDR! Es wurde weggesehen, weggehört, weitergeblättert, wenn wieder etwas zu sehen, hören, lesen war von Stahlarbeitern aus Wladiwostok. Bloß noch belächelt wurden die Transparente, die verkündeten, daß in »Bude 14«, »Bude 15«, »Bude 16« – oder wie sie sonst bezeichnet wurden – ein »Hervorragendes Schrankenwärterkollektiv« arbeitete. Und wie ist das nun? Zum Beispiel, wenn ein bekannter Nachrichtensender den lieben halben Tag tönt, daß eine US-amerikanische Alu-Firma den größten Gewinn ihrer Geschichte gemacht hat, oder wenn die Berliner Zeitung auf der Seite »Vermischtes« während einer Woche über wechselnde Personen der Firma Windsor (engl. Kingshouse) 14 (in Buchstaben: vierzehn) Berichte verbreitet. Wegsehen! Weghören! Weiterblättern! Bernd Heimberger
Wer entscheidet im Rundfunk?Ein freier Mitarbeiter des bundesdeutschen Fernsehens will in einer Serie zum Thema »Betriebsrat« zeigen, wie das Betriebsverfassungsgesetz zu handhaben ist. Nutzt es den lohnabhängig Beschäftigten? Wie weit können sie auf Unternehmer-Entscheidungen einwirken? Funktioniert die Mitbestimmung? Zähmt sie den Kapitalismus? Der Autor, ein Freund der Mitbestimmung, legt sein Konzept vor. Die Programmverantwortlichen genehmigen es. Doch dann wittert ein Unternehmerverband, daß zu viel von Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesprochen werden könnte; er wünscht sich vom Fernsehen die Botschaft, daß die beiderseitigen Interessen grundsätzlich übereinstimmen (so daß Mitbestimmung eigentlich gar nicht erforderlich ist). Sofort finden sich Politiker in Anstaltsgremien und ihnen nahestehende Anstaltshierarchen bereit, die Ausstrahlung der Serie zu verhindern. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats des Norddeutschen Rundfunks, damals Werner Remmers (CDU), gibt sein Votum ab, ohne auch nur ein Stückchen der Serie gesehen zu haben. Daß sich Kapitalinteressen in diesem Fall letztlich nicht durchsetzen, ist einem Mitbestimmungsgremium im NDR zu verdanken: dem Redakteursausschuß. Der Autor jener Serie, Jürgen Schröder-Jahn, gehörte selber lange Zeit als Vertreter der freien Mitarbeiter dem Ausschuß an. Über seine Erfahrungen berichtet er jetzt in einem Büchlein, das als Beitrag zur Dokumentation jahrzehntelanger, im großen und ganzen bisher gescheiterter Bemühungen um die Demokratisierung der Medien – als Voraussetzung für die Demokratisierung der Gesellschaft – zu begrüßen ist. Die größeren Zusammenhänge bleiben ausgeblendet – was der Lebendigkeit dieser Fallstudie wohl bekommt. Und das Beispiel NDR zeigt, daß es dank der Beharrlichkeit einzelner demokratischer Journalisten wie Schröder-Jahn möglich ist, Mitbestimmungsrechte im einzelnen Betrieb zu erkämpfen, sie gegen permanente Angriffe zu verteidigen. Noch notwendiger wären sie in den großen Pressekonzernen, vor allem in den Häusern, wo die typischen bundesdeutschen Zeitungen produziert werden, die regionalen Monopolblätter. Eine Handvoll Großverleger verfügt in Deutschland längst über mehr politisch-publizistische Macht als der Bundestag. Und diese Macht wirkt auch immer stärker auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, vor allem seit die Verleger selber Rundfunkunternehmer geworden sind. Welche öffentlich-rechtliche Anstalt – von Privatsendern zu schweigen – würde heute noch eine Serie über den Betriebsrat produzieren? Schröder-Jahn erwähnt Schleichwerbung, Sponsoring, Verflachung des Programms und auch die Tatsache, daß sich Kollegen oft nicht getrauen, mit ihren Beschwerden den Redakteursausschuß anzurufen – aus Angst um ihre berufliche Zukunft. Eckart Spoo Jürgen Schröder-Jahn: »Von der Freiheit eines Rundfunkmenschen. Die Geschichte des Redakteursstatuts für den Norddeutschen Rundfunk«, ISBN 10:3-00-01992-6, 152 Seiten, 10 €
ReihenfolgenEine Nebensache ist zu vermelden, die mich schon seit Jahren ärgert. Die Rede ist von der Anrede. Ob im Fernsehen oder bei sonstigen öffentlichen Veranstaltungen fangen Frauen fast immer mit der Formel an: »Meine Damen und Herren!« Hier mangelt's an Höflichkeit und Sprichwort-Kenntnis, mit beiden geht's in der Gegenwart ohnehin bergab. Früher war der Volksmund flott mit einer Auskunft zur Hand: »Der Esel nennt sich immer zuerst – IAh.« In unserem Fall ist es die Eselin. Das Geschrei möchte ich mal hören, starteten die Männer Nachrichten und Referate mit den Worten: »Meine Herren und Damen!« Im umgekehrten Fall bleibt der Protest aus. Ist man dort so verschüchtert und verunsichert, daß dieses merkwürdige Ranking einfach hingenommen wird? Schlechtes Gewissen, na klar, jahrhundertelang wurde der Menschheit weiblicher Teil mißachtet und unterdrückt, nun schlägt das Pendel zur Gegenseite aus und die Parole lautet: Women to the front, ganz gleich ob das logisch oder psychologisch stringent ist. Ich verzichte auf den verpönten Begriff Etikette oder den Appell an etwas so Perverses wie Sprachgefühl. Ehe mir aber ein gewaltiger Sparren attestiert wird, benenne ich zwei erfreuliche Ausnahmen: Petra Lidschreiber vom Fernsehmagazin Kontraste benutzt in ihrer Anmoderation die korrekte Abfolge, gern erinnere ich mich auch an Christa Luft aus ihrer Zeit im Bonner Parlament, sie begann die Bundestagsreden korrekt mit: »Meine Herren und Damen!« Fällt das allen anderen Politikerinnen und Moderatorinnen so schwer? Kanzlerin Merkel setzt stets ihre Geschlechtsgenossinnen an die erste Stelle (»Liebe Bürgerinnen und Bürger!«), so wenig sie sich sonst für deren spezifische Sorgen und Nöte interessiert. Zu befürchten ist, frau merkt gar nicht mehr, was da nicht stimmt. Mir ist bewußt, es gibt viel Wichtigeres in der Welt, die Klima-Katastrophe, ausbeuterische 1--Jobs, eine gewaltige und immer noch wachsende Gerechtigkeitslücke, die Überalterung, endlich gar das jetzt zum Glück abklingende Gerede über die Existenz von Privilegierten und Benachteiligten in der Gesellschaft – statt die ernsten Probleme ernsthaft zu erörtern, versuchte man sie mit dem flapsigen Wort Unterschicht zuzukleistern … Das sind entscheidende Themen und da beschäftigt sich hier jemand mit ersten und zweiten Nennungen. International sind die Floskeln ebenfalls zementiert: Ladies and Gentlemen, Mesdames et Monsieurs – das stammt aus einer Zeit, in der weibliche Menschen zwar zuerst angesprochen wurden, sonst jedoch nichts zu sagen hatten, mithin ein Trostpflästerchen. Wie hielten es unsere tüchtigen Frauen, die sich dennoch einen Platz in der Öffentlichkeit erkämpft hatten? Zwei Beispiele: Die unvergeßliche Clara Zetkin, deren 100. Geburtstag übrigens im Jahr 2007 ansteht, eröffnete am 30.8.1932 als Mitglied der KPD und Alterspräsidentin des Reichstages ihre berühmte Rede mit den Worten: Meine Damen und Herren! In diesem Punkt für mich enttäuschend. Anders Rosa Luxemburg. Sie begann ihre Ansprachen sowohl auf einer SPD-Tagung 1906 wie bei der KPD-Gründung 1918 mit einem knappen und energischen »Parteigenossen!« Bei aller Wertschätzung für Rosa, ganz ohne Genossinnen ist die Chose auch wieder nicht in Ordnung. Ingrid Zwerenz Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
An die LokalpresseSchon wieder Tohuwabohu um den gleisgebundenen Glaspalast im Regierungsviertel! Erst großes Geschrei um überflüssige Millionen, dann pompöse Einweihung mit Messerstechern und anderen Artisten, dann Zugverspätungen, Nachrüstung der Sanitäranlagen, Gerichtsstreit zwischen dem Architekten und dem Bahnchef! Es ist ja nicht ungewöhnlich, daß sich Neues nur auf mehdornigen Wegen durchsetzt, aber wie kann ein Bahnchef die Visionen des Architekten nur so mißachten! Und dabei hat der Architekt doch weit über den Schienenverkehr und dessen Privatisierung hinausgedacht und die Hallen als künftige Museumsräume und Orte der Ruhe und Besinnung konzipiert – jenseits der schnöden Zweckmäßigkeit. Ich bin der Auffassung, das Gesamtkonzept muß nochmals überprüft, die Gleiskathedrale innovativ verändert und der Schienenverkehr großflächig auf die Straße umgeleitet werden! Dann stört es auch weniger, wenn gelegentlich tonnenschwere Stahlträger herunterfallen. – Melanie-Cassandra Schmidt (40), Kreativistin und Innovatorin, 09429 Wolkenkuckucksheim. * Ich interessiere mich immer besonders für Bilanzen und Statistiken, weil man da gut zwischen den Zahlen lesen kann. So ist der Hauptstädter im Durchschnitt 42,17 Jahre alt, 71 Prozent klagen über Rückenschmerzen, den Winter verbringen in Berlin etwa 60.000 Saatkrähen, auf jeden Berliner entfallen 90 Quadratmeter Grünfläche, und jeweils acht Bürger teilen sich einen Straßenbaum. Da braucht man sich natürlich nicht über Rückenschmerzen zu wundern, zumal, wenn der Streit um schwankende Nistplätze mit den Saatkrähen ausgetragen werden muß. Das steht gewiß auch im Zusammenhang mit dem von den Statistikern ermittelten Sachverhalt, daß sich die Demonstrationslust der Berliner um ein Drittel verringert hat. Wer sich einen warmen Platz in einer Berliner Obdachlosenküche oder eine bequeme Stelle in einer Berliner Astgabel erkämpft hat, setzt das doch nicht aufs Spiel, indem er sich leichtfertig auf die unsicheren Berliner Straßen begibt! – Alwin Algebra (58), Durchschnittsanalytiker, 10829 Berlin-Lichtenrade. * Heureka! Endlich ist es einem Rüstungsunternehmen gelungen, umweltfreundliche Waffen herzustellen! In der Sunday Times und anderen Blättern wurde Mitte Januar mitgeteilt, daß die britische Firma BAE-Systems bleiarme Kugeln, raucharme Raketen und recycelbare Bomben entwickelt hat. Das Konzept heißt »grüne Munition« und wird vom Verteidigungsministerium unterstützt. Der Vorteil besteht nicht nur darin, daß die Umwelt bei den Einschlägen weniger als üblich belastet wird, sondern auch darin, daß die getroffenen Soldaten und Zivilpersonen gesünder sterben! Ich finde, da drängen sich die nächsten Anwärter auf den Nobel-Friedenspreis geradezu auf, zumal die hohe Ehrung ja von Anfang an untrennbar mit Dynamit verknüpft ist. – Balduin Bählamm (52), Umweltpädagoge, 18334 Grünheide. Wolfgang Helfritsch
Wohlgeklopfte SprücheWolfgang Eckert beobachtet Kinderspiele: Vor dem Computer sitzen sie und / rasen im Porsche über rote Ampelsignale / crashen andere zu Schrott, / legen mit ihrer Kühlerhaube / Passanten um. / »Idiot! Runter von der Straße!« Eine schreckliche Ahnung ergreift ihn: Nicht für die Schule lernen sie, / sondern für ihr künftiges Leben. Er ruft: Bürger! Schützt ihre Anlagen! An anderer Stelle seines neuen Buches mahnt er: Eines Tages werden unsere Kinder / Antworten geben, / die wir nicht hören wollen, / weil wir ihnen keine Antworten gaben, / als sie uns Fragen stellten. So wie wir den Erzähler Wolfgang Eckert kennen, zeigt er sich auch hier in seinen – teilweise gereimten – Aphorismen: ein erfrischend direkter, immer realistischer, notgedrungen oft sarkastischer Beobachter, der Grundton seiner Dichtung aber ist die eher elegische Sorge um die Menschen: Was tun sie sich selber an! Und standhaft weigert er sich, auf Moral zu verzichten. Ein starker Dichter. Stark in seiner Alltagsnähe. Stark in seinem Humanismus. Stark auch in seiner Wehmut, die ihn immer wieder »nicht mehr« sagen läßt. Über Werbung im Fernsehen: Ohne anzuklopfen fallen ihre Darsteller / jeden Tag mit aggressivem Geschrei / in die deutschen Wohnstuben ein / und zerstören jeden Gedanken. / »Betteln und Hausieren verboten« / zählt nicht mehr. Er klagt: Die meisten interessieren sich nicht mehr. / Sie werden interessiert. Und: »Hallo!« rufen wir uns jetzt / zur Begrüßung zu. / Sind wir schon so weit / voneinander entfernt? So sensibilisiert er seine Leser für gesellschaftliche Veränderungen, die sich in der Sprache andeuten. In zehn Kapiteln – über Mann und Frau, über Kunst und Medien, über Geld, über alles – summiert er seine Lebenserfahrungen in knappster Form. Zum Beispiel so: Wohltätigkeit ist das Mittel, / mit dem die Reichen / ab und zu / die Armen beschämen. Und: Untertanen werden nicht geboren, / sondern gezüchtet. / Ein gönnerhaftes Schulterklopfen - / und schon ist die Anzucht gelungen. Und: Wo stehen die lautesten Deutschen / im gefährlichsten Moment ihren Mann? / Hinter der Gardine. Und: Wenn sich hinter der Frage / »Verkauft sich das?« / eine Krämerseele verbirgt, / ist ganz Deutschland / ein Krämerladen. Am liebsten würde ich noch viele andere Eckert-Sinnsprüche laut vorlesen. Aber dann würde ich Ihnen die Entdeckerfreude nehmen. E.S. Wolfgang Eckert: »Leute sind andere Menschen«, mit Illustrationen von Egbert Herfurth, Ingo Koch Verlag, 136 Seiten, 13.70 Euro
Gerhard Dengler»Zwei Leben in einem« nannte Gerhard Dengler (1914–2007) den ersten Teil seiner Autobiographie. Die Lebensmaximen des im deutschen Bürgertum Großgewordenen verbrannten im Feuer des 2. Weltkrieges und erfroren in Stalingrad. Als Hauptmann Dengler im Kessel an der Wolga mit den Resten seiner Batterie der Aufforderung zur Kapitulation nachkam und nicht bis zur letzten Granate kämpfte, entschied er sich für die noch Lebenden und gegen den Befehl. Nach dem glücklichen Überstehen von Flecktyphus und Hungerödemen prägten ihn deutsche Emigranten und marxistische Literatur. Seine grauenhaften Erfahrungen und sein Intellekt führten ihn zu dem Entschluß, nach der Vernichtung des Faschismus gemeinsam mit anderen nach neuen Wegen für ihr Vaterland zu suchen. Damit begann der zweite Teil eines erfüllten Lebens. Bereits 1945 wurde er Chefredakteur der Sächsischen Zeitung und später der Leipziger Volkszeitung . Danach kam der DEFA- Augenzeuge , und 1954 war Dengler der erste in der BRD akkreditierte DDR-Journalist. Dort erlebte er den KPD-Verbots-prozeß und lernte viele Männer in führenden Positionen kennen. Das half ihm später bei seiner Aufgabe als Leiter einer Arbeitsgruppe, die 1965 das »Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin« herausgab – mit großer internationaler Resonanz. Ein Reprint der dritten, erweiterten Auflage ist 2002 bei edition ost erschienen: das who-is-who der Großväter- und Vätergeneration einer politischen Elite, die wesentliche Teile der Erbmasse sorgsam verwaltet. Daß die für den realen Sozialismus Verantwortlichen seinem Wirken nicht immer zustimmten, belegt die autobiographische Ergänzung »Viele Beulen am Helm«. Trotz der Beulen blieb aber der Kopf klar. Nach 1995 war auf verschiedenen TV-Kanälen Gitta Nickels Film »Es begann in Eberswalde« zu sehen. Er erzählt die nach 1940 sehr unterschiedlich verlaufende Lebensgeschichte der Schulfreunde Gerhard Dengler und Hans Borgelt. Im hohen Alter wurde Dengler hierdurch zum gefragten Zeitzeugen der Stalingrader Schlacht und der Nachkriegsentwicklung in beiden deutschen Staaten. Besonders ernst nahm er bis ins 90. Lebensjahr die Aufgabe, den Geschichtsunterricht in Gymnasien durch seine Sicht auf die deutschen Dinge zu bereichern. Die inter- essierte Resonanz erfreute ihn. Kurt Franke
Walter Kaufmanns LektüreZweierlei erreicht diese umfangreiche Klaus-Kinski-Biographie des österreichischen Filmkritikers Christian David unbedingt: Hat man Werner Herzogs Kinski-Filme noch nicht gesehen, wird man nach der Lektüre unverzüglich nach »Aguirre«, »Nosferatu«, »Woyzeck«, »Fitzcarraldo« suchen wie auch nach »Mein liebster Feind« und »Die Last der Träume«, Herzogs filmischen Dokumentationen, in denen es um Kinski geht. Und die Autobiographie des Schauspielers »Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund« wird man lesen wollen, deren Enthüllungen und Bekenntnisse Christian David nur streift – wohl nur streifen darf? Aber auch er läßt zwischen den akribisch zusammengetragenen Fakten, den Auflistungen von Kinskis Film- und Bühnenrollen, Kinski-Rezitationen und Kinski-Reisen, die ermüdend wirken könnten, immer wieder den Schauspieler selbst zutage treten, einen Streitsüchtigen, Skandalträchtigen, Frauenjäger und Lebemann, Klaus Kinski auf Höhenflügen und am Abgrund. Gespräche mit Film- und Theaterleuten wie Bruno Ganz, Claude Lelouch und Eva Mattes, die Kinskis Partnerin im Woyzeck-Film war, offenbaren einen trotz seiner Exzentrik immer disziplinierten, einsatzfähigen und einsatzbereiten Schauspieler. Kinskis unverwechselbare künstlerische Fähigkeiten sicherten ihm, allen Verfehlungen und Verfeindungen zum Trotz, den Wiederaufstieg zur postumen Anerkennung. Im Leben wie in so vielen seiner Rollen stemmte er sich stets dem Sterben entgegen, ein Schauspieler, der, wie David richtig schreibt, »sich und das, woran er als seine künstlerische Wahrheit glaubte, niemals aufgab«. Walter Kaufmann Christian David: »Kinski. Die Biographie«, Aufbau Verlag, 447 Seiten, 24.90 €
Erschienen in Ossietzky 2/2007 |
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