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Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2003 (welch ein Name!) sieht die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte vor. Termin dafür war der 1.1.2006. Da aber, nicht zuletzt auf Drängen des Bundesgesundheitsministeriums, eine umfassende technische Lösung gefunden werden sollte, mit der jeder potentielle Datenhunger gestillt werden kann, geriet das Projekt in Verzug, wegen divergierender Interessen der beteiligten Organisationen und wegen technischer Probleme. Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbh (Gematik) wurde im Januar 2005 von den 15 Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens gegründet. Ein Industriekonsortium (bIThealth) unter Leitung der IBM Deutschland besorgt die wissenschaftliche und technische Begleitung. Die Informatikindustrie kann so – unterstützt von der Bundesregierung – ohne Risiken und auf Kosten der Beitragszahler eine neue Technik entwickeln, die sie an die gesetzliche Krankenversicherung verkaufen und weltweit exportieren kann. Mit der Karte sollen Rezeptdaten übermittelt werden. Ob diese Daten zentral gespeichert und ausgewertet werden, ist eine der Fragen, die zu klären sind. Ansonsten enthält sie die Daten, die auch bisher auf der Krankenkassenkarte gespeichert sind. Ein Lichtbild kommt hinzu, es erweitert die Kontrollmöglichkeiten. Die künftige Versicherungsnummer soll lebenslang gültig bleiben. Neben diesem »Pflichtteil« der Karte gibt es einen »freiwilligen« Datenbereich. Dort können Notfalldaten, Arzneimitteldokumentation, Arztbrief und Patientenakte gespeichert werden, aber nicht auf einem eingebauten Speicher. Vielmehr soll die Karte den Zugriff auf einen Zentralrechner ermöglichen. Dort sind die Daten gespeichert. Sie sind verschlüsselt, können aber auf die einzelnen PatientInnen rückbezogen werden. Abrufbar werden die Daten, wenn ein Patient gemeinsam mit einem Arzt oder einem Angehörigen der Heilberufe mittels seines Ausweises den Zugang zu ihnen öffnet. Gesundheitsdaten verraten viel über einen Menschen, über ererbte Anlagen, über Risiken und Empfindlichkeiten, über die Lebensführung. Ihr Bekanntwerden kann zu Diskriminierung und Ausgrenzung führen. Durch Diagnosen, die lebenslang gespeichert bleiben, können Patienten für immer stigmatisiert sein. Im Gesetz sind einige datenschutzrechtliche Hürden aufgebaut – als Placebo. Die Patienten müssen einer Speicherung ihrer Daten »freiwillig« zustimmen. Sie entscheiden, ob und was gespeichert wird. Wie soll dieses große Versprechen jedoch in der Praxis eingelöst werden? Woher sollen die selbstbestimmenden Bürger, die als leidende und Rat suchende Patienten zum Arzt kommen, Kenntnis über Aussagefähigkeit und Nutzen der Daten haben? Welcher Arzt kann und wird sich die Zeit nehmen, darüber intensiv zu beraten? Was sollten die Kriterien solcher Aufklärung sein? Vor allem aber: Welchen Nutzen hätten die Daten, wenn sie nicht vollständig wären und kein Arzt sich darauf verlassen könnte? Entweder bewährt sich also die Freiwilligkeit der Datenspeicherung in der Weise, daß alle zustimmen, oder die Freiwilligkeit muß abgeschafft werden. Gesetzliche Vorgaben lassen sich schnell ändern, wenn dies im behaupteten allgemeinen Interesse ist. Die Erfahrungen mit der Lastwagen-Maut zeigen das. Das Maut-Gesetz schließt ausdrücklich eine anderweitige Verwertung der Daten aus, aber als die Innenpolitiker Anspruch auf diese Daten erhoben, weil mit ihrer Hilfe unter Umständen Verbrechen aufgeklärt werden könnten, stand das Gesetz schnell zur Disposition. Mit dem üblichen Argument, man wolle doch nicht etwa Taten und Täter schützen, wurde der Datenschutz abgetan. Eine offene Frage ist auch, wo die Gesundheitsdaten gespeichert werden und unter welcher Aufsicht. Sie unterliegen dem Arztgeheimnis. Wie kann dies gewährleistet werden, wenn Daten auf vernetzten Servern außerhalb von Arztpraxen gespeichert werden? Wenn dieses Netz möglicherweise gar privat betrieben wird? Wie soll es kontrolliert werden? Ist eine solche Datenmenge überhaupt technisch zu schützen? Der Chaos Computer Club (CCC), hoch erfahren in der Datenschutz-Problematik, bezweifelt das. Die großartig »Akzeptanzmanagement« genannte Werbung für die elektronische Gesundheitskarte verspricht mehr Wirtschaftlichkeit, mehr Effizienz, Verringerung von Mißbrauchspotentialen, Erhöhung der Eigenverantwortung der Patienten, mehr Leistungstransparenz. Ein Gutachten der Unternehmensberater Booz, Allen, Hamilton rechnet jedoch – statt mit 1,4 Milliarden wie das Bundesgesundheitsministerium – mit 3,9, eventuell auch sieben Milliarden Euro Kosten. Erst nach zehn Jahren würden sich möglicherweise Kosten und Nutzen die Waage halten. Doch die Zeit wird nicht ausreichen. Den Patienten verheißen die Propagandisten der Gesundheitskarte die Stärkung ihrer Rechte und ihrer Selbstbestimmungsmöglichkeiten. Die Entwicklung geht jedoch in Richtung Standardisierung und Entindividualisierung der Behandlung, und diese Entwicklung wird in Richtung Gesundheitskarte schnell voranschreiten. Die Daten sollen dazu genutzt werden, Krankheitsbilder, verkürzt auf ICD-Nummern, und die Behandlungsmethoden EDV-tauglich zu machen. Es zeichnet sich ab, daß durch die Gesundheitskarte Ärzte und Patienten unter stärkeren Druck geraten. Der Bürger und die Bürgerin haben den Anforderungen an gesundes Leben zu gehorchen und einen den Normen entsprechenden Umgang mit körperlichen Anlagen zu pflegen. Krankheit wird mit Begriffen von Schuld, Verfehlung und Verantwortung in Zusammenhang gebracht und ist privat zu verantworten. Gesundheitliche Risiken werden nur noch in engen Grenzen solidarisch getragen. Es gibt also viele Gründe, die elektronische Gesundheitskarte abzulehnen. Dr. Elke Steven arbeitet beim Komitee für Grundrechte und Demokratie
Erschienen in Ossietzky 2/2007 |
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