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Gleichzeitig besitzt das Haus Wettin auch für die gegenwärtig aktuellen Probleme große Möglichkeiten für Initiativen insofern, als aus seiner Geschichte wichtige Lehren und durchaus nachahmenswerte Beispiele für die Gegenwart gezogen werden können.« Diese schwer bemühte Eloge auf das Fürstengeschlecht, das 829 Jahre lang in Sachsen und in anderen Landen herrschte, stammt nicht etwa, wie man annehmen könnte, vom schwarz-konservativen Historiker Arnulf Baring, sondern von »Seiner Königlichen Hoheit Dr. Albert Prinz von Sachsen, Herzog zu Sachsen und Ihrer Königlichen Hoheit Elmira Prinzessin von Sachsen, Herzogin zu Sachsen« höchstselbst und ist als Leitspruch ihrer hochherrschaftlichen Homepage vorangestellt. Momentan ist der Prinz, Enkel des letzten Sachsenkönigs Friedrich August III., der 1918 alles andere als freiwillig auf seinen Thron verzichtete und seinen rebellischen Landeskindern verkündete: »Machd doch eiern Drägg alleene«, in Sachsen Tagesgespräch. Er und seine Sippe fordern die Rückgabe von mindestens 1.600, womöglich 3.000 Kunstwerken aus der Staatlichen Porzellansammlung im Dresdner Zwinger, die ihnen zwischen 1945 und 1949 in der Sowjet-Zone zu Unrecht genommen worden seien. Dabei hatten sie bereits 1999 vom Freistaat Sachsen auf der Grundlage des vom Bundestag fünf Jahre zuvor verabschiedeten sogenannten Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes, nach dem der in Ostdeutschland enteignete Adel seine beweglichen Güter zurückerhält, 18.000 Kunstgegenstände wiedererlangt. 12.000 davon verkauften die Blaublütigen großzügigerweise an den Freistaat für zwölf Millionen Euro, und vom Rest machten sie große Teile im Londoner Auktionshaus Christie's zu barer Münze. Auf den Geschmack gekommen, wollen sie nun die Ausplünderung der Dresdner Kunstschätze fortsetzen. Dem Vernehmen nach steht auf ihrer Forderungsliste auch die schlanke chinesische Deckelvase mit einem üppigen blauen Muster, die berühmte »Dragonervase«. August der Starke hatte sie 1717 vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. für 600 sächsische Landeskinder in Dragonermontur – 43 Taler pro Soldat – gekauft. Die neuen Rückgabeforderungen der Wettiner, die ausgerechnet mit moralischen Argumenten begründet werden, führten zu einer erregten Debatte im Dresdner Landtag, in der von sächsischer Gemütlichkeit wenig zu spüren war. Während die Grünen schwarzhumorig vorschlugen, die gefährdeten Kulturgüter am besten durch eine Wiedereinführung der konstitutionellen Monarchie für das Land zu retten, wandte sich die Linksfraktion energisch gegen die Absicht, die Museen »nach Gutdünken eines Fürstengeschlechtes auszuräumen, das vor mittlerweile 88 Jahren vom sächsischen Volk völlig zu Recht verjagt wurde«; frech lastete sie den Wettinern »Gier« an (»Gier ist geil«). Solche Einschätzungen fügen der blaublütigen Familie neues Unrecht zu. Schließlich handelt es sich gerade beim Königsenkel Prinz Albert um einen verdiensvollen Teilnehmer an der friedlichen Revolution, der laut Springers Welt »in den Revolutionswirren des Herbstes 1989 als einer der ersten Westdeutschen nach Dresden zurückgekehrt war und auf Montagsdemonstrationen gesprochen hatte«, um sich dort, wie der Prinz später selbst kundgab, »zukunftsweisend für die europäisch-christlich-abendländische Kultur (zu) äußern«. Unvergessen sind auch die Verdienste seiner kunstsinnigen Vorfahren, die der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt im September 2006 auf Schloß Pillnitz anläßlich der freistaatlichen Festveranstaltung »200 Jahre Königreich Sachsen« in die Worte kleidete: »Forschergeist und das Streben nach hohen kulturellen Werten der sächsischen Kurfürsten von damals bilden heute das Fundament eines modernen und zukunftsorientierten Freistaates. Wir erkennen an, daß die Jahrhunderte lange monarchische Herrschaft in Sachsen segensreich für unser Land war und in mancherlei Hinsicht bis heute nachwirkt.« Tatsächlich, segensreich für sich und die Prunksucht ihrer Dynastie haben die Wettiner jahrhundertelang das Volk ausgepreßt und geplündert. 1989/90 traten sie zu neuen Beutezügen an – und waren bei weitem nicht die einzigen, die sich ostwärts auf den Weg machten. Dem Ruf der Freiheit folgten, um nur einige zu nennen, Wilhelm Karl Prinz von Preußen, Fürst zu Solms-Lich, Baron Ostman von der Leyen, die Grafen von Arnim, von Sayn-Wittgenstein, von Stauffenberg und von Finkenstein, Freiherr von Massenbach, Fürst zu Oettingen-Spielberg, nicht zuletzt Welfen-Prinz Ernst August. Diese Restauration überwunden geglaubter gesellschaftlicher Verhältnisse erinnert an das, was der junge Heinrich Heine in den Zeiten der Restauration nach dem Wiener Kongreß schrieb: »Der Adel (steht) auf Kriegsfuß gegen die Völker und kämpfte öffentlich oder geheim gegen das Prinzip der Freiheit und Gleichheit.« An anderer Stelle fügte er hinzu: »Die Konterrevolution brach aus ... und die Vergangenheit mit ihren traditionellen Interessen (erhielt) wieder Anerkenntnis, sogar Entschädigung«. Der Unterschied zu Heines Zeit besteht unter anderem darin, daß die Restauration heutzutage »friedliche Revolution« genannt wird.
Erschienen in Ossietzky 2/2007 |
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