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Hier sei das Thema nur deshalb noch mal aufgewärmt, weil es im Schatten der Leinwandaufbereitung noch eine theatralische Variante gab, die allerdings im Gegensatz zu Dani Levys Film »Mein Führer« kaum wahrgenommen wurde, obwohl sie von einem bekannten Dramatiker stammt, der freilich keinen »Marktwert« mehr besitzt: Rolf Hochhuth. Doch darüber später Über den Medienrummel um das Kinospektakel kann man sich nur in der PR-Abteilung von Produktion und Verleih befriedigt die Hände reiben, hat er doch den Verkauf des Produkts in bereits zwölf Länder befördert. Die erfolgreiche Lancierung der »wirklich wahrsten Wahrheit über Hitler« (so der Untertitel des Films) in alle Feuilletonredaktionen und Fernsehkanäle kann nur mit der geschickten Marketingstrategie für Grass‘ »gehäutete Zwiebel« verglichen werden. Aber hatte die Debatte um schamhaftes Verschweigen jugendlicher Verirrung – oder Konformität – in Nazizeiten trotz heuchlerisch angemaßter Überhebung ahnungsloser Nachgeborener noch einige Substanz, fiel den Diskutanten zu Levys Film nichts Besseres ein als die längst positiv beantwortete Frage »Darf man über Hitler lachen?«. Dazu, weil kaum bekannt, die Reminiszenz an eine Kuriosität. Der »Führer« selbst autorisierte 1933 und 1934 das Erscheinen zweier Bände mit Hitler-Karikaturen aus aller Welt in einem braunen Verlag. Im Siegestaumel nach der »Machtergreifung« glaubte man wohl, sich das leisten zu können. Es sei denn, man unterstellte dem Herausgeber Ernst Hanfstaengl, damals Auslandspressechef der NSDAP, schon zu diesem Zeitpunkt subversive Absichten. Später setzte sich der mit einer Amerikanerin verheiratete frühe Gefolgsmann seines »Führers« über England in die USA ab. Seine Rolle beim Aufstieg der Nazipartei beleuchtete das kanadisch-amerikanische TV-Politdrama »Hitler: The Rise of Evil«, von RTL 2 werbewirksam gleich nach dem Start des »Führer«-Films programmiert. Hanfstaengls Sohn taucht hin und wieder als Zeitzeuge in deutschen Fernsehdokumentationen auf. Nicht erst heute sind die Karikaturen von damals bestätigt: Ihr Objekt war selbst eine Karikatur. Aber leider war er eben mehr als das, und auch Levys Einfall, seine pathologische Persönlichkeit aus einem Vaterkomplex zu erklären, greift zu kurz. Hitlers im Nachhinein unbegreifliche Wirkung verdankte sich nicht zuletzt dem von ihm verkörperten Amalgam schon im Wilhelminismus weit verbreiteter dumpfer Ideologien, instrumentalisiert von seinen Hintermännern aus Banken und Industrie. So konnte Lächerlichkeit nicht töten, sondern forderte Millionen Toter. Legitim führt in »Mein Führer« der sympathische Schweizer Regisseur Dani Levy, dessen vorangegangener Film »Alles auf Zucker« eine der wenigen gelungenen deutschen Filmkomödien war, seinen Titelhelden als lächerliche Figur vor, aber sie reizt kaum zum Lachen, auch weil der Darsteller seinem Affen zu wenig Zucker geben darf. Mit Anleihen bei berühmten Vorbildern von Chaplins »Der große Diktator« bis Brechts »Arturo Ui« bleibt Levys Film eine Kopfgeburt. Sehenswert sind nur schauspielerische Leistungen wie Helge Schneider als Hitler, vor allem Sylvester Groth als Goebbels und Ulrich Mühe als der die moralische Gegenposition besetzende jüdische Schauspiellehrer Adolf Grünbaum. Der ganze Medienrummel um »Mein Führer« erweist sich als viel Lärm um Nichts. Nach fast 130 kinematografischen und televisionären Produktionen, die sich mit dem Phänomen Hitler beschäftigen, wäre es lohnender, einmal George W. Bush als gefährlicher Witzblattfigur auf der Leinwand zu begegnen, aber darauf muß man wohl noch warten, bis dieser US-Präsident unrühmlich in die Geschichte eingegangen ist. Auch sollte man mal über all jene »Volksgenossen« lachen können, die auf ihren »Führer« hereinfielen. Levy charakterisiert solche Chargen durch ständige »Heil Hitler«-Rufe, eine im »Tausendjährigen Reich« allgemein gängige Grußformel, deren Schwachsinn nur noch von der Gedankenlosigkeit übertroffen wird, mit der sie gebraucht wurde. Genau dies inspirierte den unermüdlich schreibenden, aber von den Theatern ungeliebten Dramatiker Rolf Hochhuth zu einer »Tragikomödie«. Ihr jugendlicher Held ist der Sohn eines Mannes, den die Verweigerung des Hitler-Grußes ins KZ brachte, wo er ermordet wurde. Um der Einberufung zum Kriegsdienst zu entgehen, kommt Till (Eulenspiegel?) auf den aberwitzigen Einfall, allen dauernd den »Deutschen Gruß« zu entbieten und jeden, der darauf nicht ebenso reagiert, zu verprügeln. Die schwejkwürdige Simulation eines hypertrophen »Führer«-Anbeters bringt ihn auch, wie geplant, prompt ins Irrenhaus – absurde Umkehrung des Schicksals seines Vaters. Der 75jährige Autor, ein Pionier des Dokumentartheaters, hat sich als Ankläger historischer und zeitgenössischer Skandale Verdienste erworben und war dabei in den sechziger Jahren mit seinen frühen Stücken »Der Stellvertreter« (über das Schweigen von Papst Pius XII. zum Holocaust) und »Soldaten« (über Churchills Verantwortung im Luftkrieg 1943–45 und die Ermordung des polnischen Exil-Ministerpräsidenten Sikorski) auch erfolgreich. Inzwischen gilt seine oft papieren wirkende Dramatik jedoch als altmodisch. Sein die »Diktatur der Weltwirtschaft« anprangerndes Stück »McKinsey kommt« kam 2004 nicht über die Uraufführung in Brandenburg hinaus. Im gleichen Jahr wurde »Heil Hitler!« bereits zusammen mit anderen Arbeiten Hochhuths vom Rowohlt-Verlag veröffentlicht, aber eine vom Nationaltheater Weimar geplante Inszenierung scheiterte am Einspruch des Autors gegen die Regiekonzeption Michael Simons. Nun brachte ein eigens zusammengestelltes Ensemble von freien Schauspielern das Stück in der Berliner Akademie der Künste heraus, die ihrem Mitglied Rolf Hochhuth diese Bühne zur Verfügung stellte. Im Gegensatz zum Medienspektakel um Levys Film, der drei Tage vorher Premiere hatte und von Hochhuth mit der Bemerkung kommentiert wurde, es sei »unerklärlich, wie ein Mann, der selbst Jude ist, so eine Geschichtsfälschung ins Kino bringen kann«, beschränkte sich die Vorab-Publicity jenes Ereignisses auf eine Kontroverse um das Ankündigungsplakat mit einer Hakenkreuzfahne. Nicht zum ersten Mal erregte sich die Justiz da über das Zeigen »verfassungsfeindlicher Symbole« in antifaschistischem Sinne. Trotz anderweitig fehlender Werbung fand der Autor ein volles Haus. Im ersten Teil des Abends konnte das Publikum auch über das die NS-Wirklichkeit durch Groteske ad absurdum führende Spiel lachen, dank des jungen Ludwig Blochberger als herrlich überdrehten Till und Rainer Kühn als äußerlich an Nosferatu erinnernden geheimrätlichen Leiter der Irrenanstalt. Nach der Pause wurde dann aber leider nur noch vom Blatt gespielt. Hochhuth hatte den unglücklichen Einfall, als einzig authentische Figur den expressionistischen Dichter Jacob van Hoddis einzuführen, der tatsächlich aus einer Nervenheilanstalt 1942 nach Sobibòr deportiert und dort ermordet wurde. Im Stück verhilft ihm eine junge Ärztin, die überdies eine Liebesbeziehung zu Till hat, bis zur Abholung durch SS-Schergen, seine jüdische Identität zu verbergen. Regisseur Lutz Blochberger ist zu diesem alle Komik verlassenden zweiten Teil nichts mehr eingefallen, und Hochhuth ist hier der dramatische Atem ausgegangen. Unmotiviert läßt er seinen Helden in den letzten Kriegstagen eine Brücke bewachen, von der dieser am Ende den Denunzianten seines Vaters hinabstürzt., nicht ohne zuvor noch kurz den Hitler-Doppelgänger aus Chaplins »Großem Diktator« zu persiflieren. Auch die zur Zwischenaktmusik verpflichtete »Bolschewistische Kurkapelle« kann den hoffnungsvoll begonnenen Abend nicht mehr vor dem Absturz bewahren. Fazit nach Levy und Hochhuth: Zwei verpaßte Gelegenheiten mehr, dem Trauma des »Dritten Reiches« mit einer Therapie lachenmachender Entlarvung beizukommen.
Erschienen in Ossietzky 2/2007 |
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