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Die zeitgenössischen Quellen gaben hinreichend Aufschluß darüber, daß Washington Bagdad in der Hoffnung favorisierte, es für seine Interessen in der Golfregion einspannen zu können. Die Ziele waren aber vielschichtiger. Der Sturz der Schahherrschaft 1979 hatte zum Zerfall des Kriegspaktes CENTO geführt, die USA verloren einen Regionalgendarmen ersten Ranges und eine weit nach Asien ausgerichtete strategische Basis. Für die 400.000 Mann starke iranische Armee hatte das Pentagon 11.000 Offiziere – Geheimdienst- und Gendarmerieoffiziere nicht mitgerechnet – ausgebildet und für jährlich zehn Milliarden Dollar bis an die Zähne mit Kriegsgerät ausgerüstet. Der Iran kündigte die Militärabkommen mit den USA, verwies die Militärberater des Landes und löste das Netz der Spionagezentren der CIA auf. Banken, Versicherungsgesellschaften und Unternehmen der Schwerindustrie wurden nationalisiert, die Vorherrschaft des Auslandskapitals eingeschränkt. Ein hervorstechendes Wesenmerkmal der islamischen Revolution war ihre Ausrichtung gegen die USA. Als der Krieg begann, befand sich die Ablösung von Schah-Anhängern erst am Anfang. Danach wurde sie faktisch eingestellt, da man die Militärs auf allen Ebenen für den Feldzug gegen Bagdad brauchte. Darüber hinaus erwartete Washington von dem Krieg eine Stärkung der konterrevolutionären Positionen und eine Umkehrung des eingeleiteten bürgerlich-demokratischen Reformprozesses. In der Osttürkei wurden an der Grenze zum Iran regimefeindliche Truppen bewaffnet, und in Teheran selbst versuchten die USA und ihre Helfer, die rechten Moslems zu stärken, von denen man, wie der damalige Außenminister Haig 1982 formulierte, in absehbarerer Zeit »die Machtübernahme« erwartete. Wachsender Antikommunismus gipfelte im Frühsommer 1983 im Verbot der Tudehpartei. Im Ergebnis des Krieges, der in einer Patt-Situation endete, erreichten die USA eine entscheidende Schwächung der antiimperialistischen Positionen beider Länder, die arabische Bewegung wurde tiefer gespalten, der Konflikt zwischen den im Iran herrschenden Schiiten und den im Irak dominierenden Sunniten gewann an Schärfe, und die Militärpräsenz der USA nahm zu. Allein ihre Kriegsflotte wuchs von 200 Kampfschiffen 1981 auf 558 Mitte 1987. Das strategische Hauptziel Präsident Reagans hatte die New York Times am 9. April 1986 so formuliert: »Rückgängigmachen der in den 70er Jahren erfolgten progressiven Veränderungen in der Dritten Welt«. Mit lancierten Falschmeldungen über einen Zerfall der iranischen Armee, der Irak einen leichten Sieg bescheren würde, hatte die CIA Saddam Hussein in eine Falle gelockt. In Teheran bezichtigte man den Bagdader Regimechef deshalb, »ein Agent der USA« zu sein. Während der Iran mit Reagans Direktive 138 amtlich zur »Heimstatt des Terrorismus«, die zu bekämpfen sei, erklärt wurde, lieferten Pentagon und CIA, wie der berüchtigte »Irangateskandal« publik machte, Iran zu selben Zeit Waffen zum Krieg gegen Bagdad, um im Falle eines Sieges einen geschwächten und ausgebluteten Irak unter US-amerikanische Vorherrschaft zu bringen. Einem Bericht des Spiegel (18/1986) war zu entnehmen, daß auch Israel Waffen (Kampfflugzeuge, Militärtransporter, 15.000 TOW-, 600 Chaparral-Raketen und 200 Maverick-Lenkraketen, Panzermotoren, Hubschrauber und Flugzeugaggregate) im Wert von zwei Milliarden Dollar nach Teheran lieferte. Nachdem der US-Kongreß die geheimen Waffenlieferungen an den Iran verurteilt hatte und Reagan nur knapp dem Schicksal Nixons entgangen war, vollzog Washington eine scharfe antiiranische Wende. Sie sollte das skandalöse Verhalten der Reagan-Adminstration vergessen machen, war jedoch auch darauf zurückzuführen, daß in Teheran die erhoffte politische Kursänderung ausblieb. Alan Friedmann enthüllte bereits 1993 in »The secret history of how the White House illegaly armed Iraq« (Bantam Books), daß Präsident Bush sen. an der In-szenierung des Krieges des Irak gegen den Iran beteiligt gewesen war. Brisantestes Detail, das im Prozeß gegen Saddam hätte zur Sprache kommen können, war, daß das Giftgas, das er gegen Teheran einsetzte, aus den USA stammte. Lieferant war die Firma American La Farge, deren Haupteigentümer der Präsident selbst war. Daß Präsident Bush jun. bereits vor dem 11. September 2001 beabsichtigte, den Irak anzugreifen, um von den immensen Ölvorräten Besitz zu ergreifen, ist inzwischen hinreichend bekannt. Weniger, daß auch hier die Bush-Familie persönlich profitierte. Denn die ihr gehörende Firma Pennzoil hatte in einem Gerichtsstreit über elf Milliarden Dollar den Zugriff auf die in Irak ansässige Texaco gewonnen. Die britische Zeitung London Telegraph brachte am 8. Oktober 2002 unter Bezug auf ein Telefongespräch zwischen Bush und Blair zu Sprache, daß Saddam wegen seiner Kenntnisse über die Verwicklung von Bush sen. in den Irak-Iran-Krieg und die Lieferung des Giftgases ausgeschaltet werden sollte. Selbst weitreichende Zugeständnisse, zu denen Saddam gegenüber den USA bereit war, hielten die Bush-Administration nicht davon ab, den Krieg zu beginnen. Wie die New York Times als auch News Week und ABC News am 7. November 2003 übereinstimmend berichteten, war Saddam unter anderem bereit gewesen, mehrere Tausend Experten und selbst Soldaten der USA in den Irak zu lassen, damit diese sich überzeugten, daß es dort keine biologischen und chemischen Waffen gab. US-Konzerne sollten einen privilegierten Status bei der Ausbeutung der Erdölvorkommen erhalten. Bagdad sagte außerdem eine enge Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus zu. Washington ging nicht darauf ein. Durch den Überfall konnte es eines gefährlichen Mitwissers habhaft werden und ihn dann ausschalten.
Erschienen in Ossietzky 2/2007 |
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