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Werner Pierchalla, Oberbürgermeister von Münster 1972 bis 1984. – Wir gratulieren zu Ihrem 85. Geburtstag am 1. 1. 2007. Sie wollten diesmal nur im Kreise Ihrer Familie feiern – obgleich Parteifreunde aus der münsterschen CDU wie Ihre Zöglinge Georg Milbradt (heute Ministerpräsident von Sachsen) oder der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz Sie gerne wieder mit einem öffentlichen Festakt geehrt hätten. Sie lehnten das strikt ab und sagten der Heimatzeitung: »Wer gewählt werden will, darf nicht die Wahrheit sagen.« Von noch amtierenden Lügnern wollten Sie sich jetzt im Alter nicht mehr loben lassen. Bitter gedachten Sie aber auch der eigenen Amtsjahre: »Ein so wichtiges Amt wie das des OB verbiegt einen Menschen.« Wir freuen uns, daß Ihre Altersreue Ihnen wieder zu Wahrheit und Gradheit verhilft.

Angela Merkel, Überraschungskünstlerin. – Das müssen wir Ihnen attestieren: Sie weichen gegenüber Sprachkritikern nicht zurück. »Überraschen wir uns damit, was möglich ist«, hatten Sie in Ihrer vorjährigen Neujahrsansprache gesagt, was auch in Ihnen politisch nahestehenden Medien Zweifel an Ihrer Formulierungskunst hervorrief. Jetzt haben Sie den erwähnten Satz in Ihrem diesjährigen Wort zum Jahreswechsel trotzig wiederaufgegriffen und gleich fünfmal wiederholt. Wenig überraschend war der übrige Inhalt Ihrer Rede: In Deutschland geht es wieder aufwärts (wir können uns hinzudenken: seit Ihrer Amtsübernahme), fast wären wir Fußballweltmeister geworden, und ein deutscher Astronaut hat sich sechs Monate lang im Weltall aufgehalten. Bei einem »klaren Bekenntnis zu unseren Werten und Wurzeln« stehen uns weitere Erfolge bevor. Bei alledem sind »Belastungen und Härten für manche Bürgerinnen und Bürger« nicht zu vermeiden. Aber der »Reformweg« ist aussichtsreich und muß weiter gegangen werden. Als Schritte nennen Sie das Rentenalter mit 67, die Gesundheitsreform und die Unternehmenssteuerreform. Nichts Neues also von Ihnen zu Neujahr. Doch eine originelle Parallelaktion fiel uns auf: Im Monatsblatt der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie haben sie zum Jahreswechsel Ihre politische Bilanz veröffentlicht und diesen Text – als einzigen außer Ihrer Neujahrsansprache – auf Ihrer Website www.bundeskanzlerin.de zur Lektüre angeboten. Auch darin wird nicht verschwiegen, daß Ihre Regierung »Bürgerinnen und Bürgern einiges abverlangt«, und wiederum erwähnen Sie das Rentenalter mit 67 und die Gesundheitsreform als Maßnahmen oder Vorhaben, die nicht unstrittig seien. Überraschenderweise fehlt hier aber die Unternehmenssteuerreform als »Reformschritt«. Unter Vergeßlichkeit leiden Sie nicht, also wird es sich wohl um freundliche Rücksichtnahme handeln – Sie mochten den gewerkschaftlichen Leserinnen und Lesern den Hinweis auf die Milliarden, deren Abgabe an die Steuerkasse den Unternehmen in Zukunft erspart bleiben soll, nicht zumuten. Diese Härte immerhin war vermeidbar. Und gewiß wollten Sie auch dem Vorsitzenden der IG BCE, dem für die Regierenden und Machthabenden dieses Landes so überaus angenehmen Hubertus Schmoldt, das Leben nicht schwer ­machen.

Käthe Reichel, Schauspielerin, Buckow. – Sie haben George W. Bush mit der Frage angeschrieben, wie er nur darauf komme, fürs Fernsehen eine Hinrichtung wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zu veranstalten: »Da bringen Sie sich ja in des Teufels Großküche mit großem Aufwasch für Sie.« Denn das Etikett »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« habe Bush doch selber am Jackett, und allein durch den Irakkrieg habe er den Leichengeruch von 600.000 Zivilisten am Hals. Ob er nun wegen der feigen Angriffe »immer hoch oben aus den Himmelsgewölben in wolkenloser Weite runter auf Frauen, Kinder, alte Menschen, und das alles in einem verbotenen Angriffskrieg« gerechterweise die gleiche Strafe auf sich nehme. »Da würden Sie neben Saddam Hussein sich im Winde drehen und ihn vielleicht mit dem kleinen Finger vorsichtig berühren.« Die Antwort, die Ihnen Bush nicht selber geben wird, ist der hohe Zaun, der gerade in Heiligendamm errichtet wird.

Erschienen in Ossietzky 1/2007