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An der rechten Seite steht ein Pult für elektronisch-akustische Möglichkeiten, Turntable genannt, an dem Ignaz Schick Händelsche Solokantaten verfremdet oder stört. Versprochen wurde für diesen Abend: »Drei fesselnde Solokantaten von Georg Friedrich Händel, ergänzt durch zeitgenössische Soundcollagen, werden zu einem ungewöhnlichen Musiktheaterabend verschränkt.« Die Namen aller Beteiligten sind, wie stets in diesem Haus, von internationalem Klang, lesen sich verheißungsvoll. Für Regie und Choreographie steht Derek Gimpel. Mit ihm steht, nein fällt der glücklose Abend. Dilettantisch bis zum Lächerlichen läßt er Sängerinnen und Tänzerin agieren. Sie kriechen herum, wickeln sich in Teppiche, liegen ermattet auf Betten, zelebrieren das Entnehmen von Milch und Joghurt aus dem Eisschrank. Wahrhaft bleibende Erinnerungen. Ist es die Weite des schönen, hohen, jedoch kahlen Saales, die den Stimmen den Glanz nimmt? Zudem brummt ein Lüfter, braust und pustet, beherrscht Händel und Akteure für den gesamten Abend. Von der Pressesprecherin erfahre ich später: »Das aufwendige Lichtdesign (!) macht die Lüftung erforderlich«. Da hilft es Deborah York nicht, sich einen Ruf als »herausragende Barockinterpretin« in den Opernhäusern dieser Welt ersungen zu haben. Ihre Stimme hält dem Wettbewerb mit dem Blasebalg nicht stand. Ruth Sandhoff, »namhaft vertreten« da und dort, ist hier nur eine kleine Person mit dito Stimme, ausgestattet mit einer Perücke wie Dorfrichter Adam. Lediglich Renata Pokupic gelingt es, trotz benannter Bedingungen ihrem guten Ruf eindrucksvoll gerecht zu werden. Die taiwanesische Tänzerin Szu-Wei Wu, ein Frischling von der Folkwangschule Essen, huscht auf der Szene zwischen den elegisch lagernden oder sich anderswie gerierenden Figuren herum, eine Art Aufwärmübung zu barocker Musik. Ein mißlungener Abend. Gefördert aus Mitteln der Bundeskulturstiftung. * Derselbe Saal, dito Bestuhlung, anderes Programm: »Mozart.Müzik – Ein Hochzeitsfest«. Und tatsächlich entsteht an diesem Abend, dem letztem im Jahr, eine Hoch-Zeit. Ausgelassen sich drehend mit Bumbum, Fidel und Klarinette ziehen die Gäste der türkischen Hochzeit in den Saal ein, der entsprechend festlich dekoriert ist. Rot-Weiß-Schwarz sind die herrschenden Farben, eine lange Tafel spannt sich wie ein Brückenbogen über das Bühnenrund, fünf Musiker nebst DJane Ipek mit ihren Turntables stapeln sich zu unserer Linken auf. Mit Gesang und Tanz – ein furioser Auftakt – wird das Brautpaar empfangen und stürmisch beklatscht. Und dann ereignet sich ein perfektes, zauberhaftes Spektakel. Selten habe ich so enthusiastische, engagierte Tänzer, so leidenschaftliche Musiker im Miteinander erlebt. Die besondere Mischung rührt auch daher, daß die Profitänzer sich nicht scheuen, einen Part zu singen, die Gesangsexperten im Sitzen, Liegen, Rennen diesen und jenen kessen Hüftschwung wagen, mit Stühlen werfen, fliehen, flitzen und doch bei aller Spiellust stets den reinen Ton erzeugen. Höhepunkt der gelungenen Botschaft zum »deutsch-türkischen Kulturdialog« sind die Tänzer Ivo Bärtsch, Cyrena Dunbar, Riikka Läser (alle anderen Mitwirkenden mögen mir verzeihen). Seit langem sah ich keine so gelungenen witzigen und berührenden Choreographien, die Hand- und Fußwerk, Emotionen, Spaß und Raffinement in Einklang brachten – in demselben Saal, in dem Tage zuvor sich das Gemüt erkältet hatte. Geschmäcklerisch könnte man mäkeln: Der schöne Wirbelsturm legte sich nach der ersten Hälfte des Abends. Ein paar Arien Mozarts, etliche türkische Lieder weniger – auch gut. Die Regisseurin und an den Choreographien beteiligte Susanne Frey blieb dem Sänger und den Sängerinnen manchmal schuldig, was der Tänzer und die Tänzerinnen im Überfluß hatten: überbordende Phantasie. Doch die Musikmischung hüllte kleine Schwächen freundlich ein. Und mit etwas mehr Begeisterungsfähigkeit des Publikums hätte es ein furioser Abend werden können. Ich vermute, die Versammelten waren ungeübt, ihre Gefühle strömen zu lassen. Sonst wären sie auch am Ende schneller der Einladung zum gemeinsamen Tanz gefolgt.
Erschienen in Ossietzky 1/2007 |
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