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Das Kriterium, das darüber entscheidet, wer in die Liste der 500 gelangt, ist allein der Umsatz. Zu Recht wird immer wieder die Macht der global agierenden (aber meist national stark verankerten) Konzerne beklagt. Doch äußerst selten findet sich eine Analyse der stofflichen Zusammensetzung dieses global entscheidenden Kapitals. Untersucht man die »Global 500«-Unternehmen nach ihrer Zugehörigkeit zu einzelnen Branchen, dann stellt sich heraus: Die größte Branche ist das Öl- und Kohle-Business mit Ölexploration (»Crude-Oil-Production«) Bergbau (»Mining«) und Ölverarbeitung (»Petroleum Refining«) einschließlich der Ausrüstungsfirmen (»Oil und Gas Equipment«). Allein in diesen Sektoren waren im Jahr 2005 mehr als 15 Prozent des gesamten Umsatzes der »Global 500« gebunden. Damit ist diese Branche unter den größten Konzernen der Welt umsatzstärker als das Bankgewerbe einschließlich aller Investment-Gesellschaften (die ihrerseits vielfältig an der Öl- und verwandten Industrien beteiligt sind). Bildet man eine Branchengruppe Öl, Auto und zivile Luftfahrt, rechnet man also zum Umsatz der Öl-Kohle-Branche die Umsätze der Autoindustrie, des zivilen Flugzeugbaus und der Fluggesellschaften hinzu, so erhält man eine Gruppe, die überwiegend durch das Geschäft mit Öl und den Verbrauch von Öl und seinen Derivaten (Benzin, Diesel, Kerosin) bestimmt wird. Diese Gruppe war im Jahre 2005 mit einem Anteil von 26,1 Prozent am gesamten »Global 500«-Umsatz bereits größer als der gesamte Banken- und Versicherungssektor, den man gemeinhin »das Finanzkapital« nennt. Nach den plausiblen Überlegungen des ökologischen Energieexperten Hermann Scheer, Träger des Alternativen Nobelpreises, gibt es eine enge Verflechtung aller Sektoren, die von fossilen Energien (Öl, Gas, Kohle) und der atomaren Energie abhängig sind. In diesem Sinne wurden in der beigefügten Tabelle als Position 5 die Energieunternehmen und die Strom- und Gasversorger (Suez, E.on, RWE, Vattenfall, EDF, Enel und so weiter) aufgeführt. Darauf wurde als Position C ein Block »fossile und atomare Energie« gebildet, in dem das Öl-, Auto- und Zivilluftfahrt-Geschäft und die Energielieferanten und -versorger zusammengefaßt sind. Dieser Block kam im Jahre 2005 bereits auf 31 Prozent des gesamten Umsatzes der »Global 500«. Das Gewicht der Öl-, Auto-, Luftfahrt-Gruppe und dasjenige des Blocks »fossile und atomare Energie« war schon 2005 beeindruckend oder genauer: beängstigend. Noch beeindruckender, beängstigender ist die Dynamik, mit der sich diese Konzentration entwickelt hat. Die Tabelle dokumentiert diesen Prozeß für den Zeitraum 1999 bis 2005. Der gesamte Block »fossile und atomare Energie« hatte im Jahr 1999 einen Anteil von 23,4 Prozent am Umsatz der »Global 500«. Bis 2005 verdoppelte sich der hier erzielte Umsatz von 2.965 Milliarden auf 5.858 Milliarden US-Dollar; der Anteil stieg auf 31 Prozent. Solche Veränderungen der einzelnen Sektoren in einem Zeitraum von sieben Jahren gehören zu den interessantesten Ergebnissen der Untersuchung. Das Gewicht der Autoindustrie (einschließlich Zulieferer) hat sich in dem genannten Zeitraum erstaunlicherweise leicht verringert; der Anteil sank von 9,9 auf 9,6 Prozent. Auch der Anteil der Fluggesellschaften ist – teilweise wohl durch ihren Konkurrenzkampf mit Dumpingpreisen – von 1 auf 0,7 Prozent gefallen. Im Gegensatz dazu erlebte der Bereich Energieproduktion und -versorgung (in dem vor allem die Strom- und Gaskonzerne zusammengefaßt sind) ein deutliches absolutes und ein so großes relatives Wachstum, daß der Rückgang in den Bereichen Autoindustrie und Airlines allein hierdurch wettgemacht wurde. Das strukturelle Gewicht des Sektors »Mining, Crude Oil Production« stieg von 0,6 auf 0,9 Prozent. Die mit Abstand wichtigste Veränderung betrifft allerdings den Bereich »Petroleum Refining«: 1999 hatten die 26 hier vertretenen Gesellschaften einen Umsatz von 903 Milliarden US-Dollar, was 7,1 Prozent des gesamten Umsatzes der »Global 500« entsprach. 2005 waren es mit 2.673 Milliarden US-Dollar in absoluten Zahlen fast dreimal soviel; der Anteil der ölverarbeitenden Konzerne am gesamten »Global 500«-Umsatz betrug nunmehr 14,1 Prozent, ziemlich genau das Doppelte des Anteils sechs Jahre zuvor. Diese Konzerne des Bereichs »Petroleum Refining«, die überwiegend ihre Zentralen in G-7-Staaten haben, sind zu einer ständig größer werdenden Weltmacht aufgestiegen. Treibende Kraft war und ist der Anstieg des Ölpreises. Er dürfte der im Jahre 2006 dafür gesorgt haben dürfte, daß sich diese Tendenz fortsetzte. Das Kapital, das sich dermaßen auf Öl, Auto, Flugzeugbau und auf den Block »fossile und atomare Energie« konzentriert, ist der Motor im Kampf um Weltmärkte. Es dominiert heute die Weltpolitik (personifiziert im Bush-Klan): aggressiv gegen jede Politik der »Energiewende« und der »Verkehrswende«, aggressiv auch gegen jeden Staat, der, weil er etwa seine Bodenschätze zum langfristigen Nutzen der eigenen Bevölkerung verwenden will, das große Geschäft stört. Auch aus der engen Verflechtung mit dem militärisch-industriellen Komplex – nicht nur über den Flugzeugbau – und mit den Medienkonzernen erwächst ein Aggressions- und Zerstörungspotential, wie es in der Geschichte nie zuvor dagewesen ist. Angeblich stimmen Milchmädchenrechnungen nicht. Aber Milchmädchen können sehr wohl rechnen. Angesichts der Endlichkeit der Ölressourcen (bereits in zwölf bis 15 Jahren wird es kein Nordseeöl mehr geben) und angesichts des weiterhin steigenden Ölpreises würden Milchmädchen alles tun, um die Abhängigkeit vom Öl und das Gewicht der Öl-Auto-Flugzeugbau-Gruppe zu reduzieren. Der Kapitalismus läßt jedoch eine solche rationale und vorausschauende Rechnung nicht zu, solange die innere Logik des Kapitals bestimmend bleibt. Der Kapitalismus folgt, wie Karl Marx schrieb, dem Prinzip »Aprés moi, le déluge – Nach mir die Sintflut!« So erleben wir einen Prozeß, der entgegen jeder Milchmädchenvernunft verläuft. Wenn sich die Energiewirtschaft einseitig auf fossile Energien und auf Atomenergie orientiert und das Transportwesen auf Autos und Flugzeuge und wenn das über die Industrien gebietende Kapital – wie es nun einmal seine Art ist – so schnell wie möglich aus der Verbrennung aller brennbaren Ressourcen möglichst viel Profit schlagen will, muß sich das Klima global weiter aufheizen – nicht nur meteorologisch, auch gesellschaftlich. Auf der Erde kann es sehr heiß werden.
Erschienen in Ossietzky 1/2007 |
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