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Gerhard Henschel: »Gossenreport. Betriebsgeheimnisse der Bild -Zeitung«, Edition Tiamat, 14 €
Arm & Reich
Auf Armut gibt es keinen Reim. Auf Armut stoßen Reiche an Das Schwert der Reichen:hart wie Stahl. Martin Petersen
Schwererziehbar?
Die deutsche Bundeswehr hat, wie uns die Regierung in Berlin versichert, in Afghanistan rein erzieherische Aufgaben, die militärisch nur abgesichert werden. Sie soll zur westlichen Wertewelt hinführen, zivilgesellschaftliche Gewohnheiten vermitteln. Deshalb ist es auch einsichtig, daß von der deutschen »Aufbau«-Hilfe nur etwa zwanzig Prozent in die Finanzierung von Straßen, Schulen und ähnlichen Projekten geflossen sind, der Hauptteil des Geldes kam Ministern, Bürokraten und Abgeordneten zugute: Sozialisationssalär. Allerdings können dabei Mißhelligkeiten auftreten. Ein Beispiel: Afghanische Politlehrlinge haben ihr Erziehungsgeld dafür verwendet, im Zentrum der Hauptstadt Kabul ein hochmodernes Einkaufszentrum anzusiedeln, und dort werden Waren des deutschen Konfektionsproduzenten Hugo Boss angeboten – aber zu Schleuderpreisen, als Raubkopien, mutmaßlich chinesischer Herstellung, zum Schaden der Firma Boss und damit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Ein Skandal, der, wäre die deutsche Regierung nicht so großmütig, an den Verteidigungsauftrag der Bundeswehr gemahnen sollte? Eine krasse Fehlleistung politischer Azubis in Afghanistan? Schwer zu beurteilen. Es mag sich auch um einen Lernerfolg im Fach Wirtschaftserziehung handeln. Werner Biermann
Ham oder Hom in WollongongMs. Jess Moore, Vorsitzende der Wollongong Undergraduate Student Association (WUSA), wurde am 5. Dezember davon überrascht und erschrak auch ein wenig darüber, daß sie unter Verdacht stand, die Hamas zu unterstützen. Da die Hamas in Australien als eine terroristische Organisation eingestuft ist – und da macht es nichts aus, daß diese Partei in Palästina die Wahl gewonnen hat –, kann eine solche Anschuldigung unangenehme Folgen haben. Die Anschuldigung bezieht sich auf ein Meeting am 18. Oktober in Wollongong (in der Aborigine-Sprache heißt das: »Wo sich die Winde treffen«), 100 Kilometer südlich von Sydney. Ms. Moore, so sagte ihr ein Polizist, Senior Constable Volcich, habe dieses Treffen organisiert. Und dort für die verbotenen Hamas-Terroristen geworben... Ms. Moore zu Ossietzky : »Erstens habe ich dieses Meeting in der Universität nicht organisiert, sondern bin mit vielleicht 20 anderen hingegangen, als WUSA-Präsidentin und als Journalistin unserer Monatszeitung Tertangala (»Das Rauch-Signal«). Zweitens hatte dieses Meeting nichts mit Hamas, Palästina, Israel zu tun. Es richtete sich gegen die Homophobie der australischen Howard Regierung.« Wie die Polizei von Homophobie auf Hamas gekommen ist, weiß Jess Moore nicht, aber sie vermutet, daß in dieser Provinzstadt manche Polizisten in solchen Sachen nicht sehr gut ausgebildet sind. »Hamas, Homophobie, beide fangen mit H an. Ob die vielleicht etwas verwechselt haben?« Weitere Recherchen ergeben, daß die Polizei in Wollongong auf einen anonymen Anruf auf der »Terrorismus-Hotline« reagiert hat. Warren Hudson, Generalsekretär des regierungstreuen Liberalen Clubs (in Australien sind die »Liberals« die Rechten; M.W. ) weiß genau: »Diese Jessica Moore ist sehr radikal, Mitglied der linken ›Socialist Alliance‹. Ihr Studentenverband WUSA könnte sehr wohl Universitätsgelder für die Unterstützung von Hamas abzweigen... Das könnte jemand der Polizei gemeldet haben.« Jess Moore läßt sich nicht einschüchtern. Sie verhehlt nicht, Gegnerin des Irakriegs zu sein. »Aber deswegen doch noch keine Terroristin!« Sie weiß, wie solche Anschuldigungen auf andere wirken, wie im gegenwärtigen politischen Klima vor allem Muslime oder aus arabischen Ländern stammende Menschen dadurch verängstigt werden können. »Das ist ja der Zweck dieser Antiterrorismus-Gesetze: die Menschen mundtot zu machen. Wir sollen uns alle verkriechen...« Sie ist aber an die Öffentlichkeit gegangen und bedauert nur, erst jetzt davon erfahren zu haben, zu spät, um in der Dezembernummer von Tertangala darüber zu berichten. Sie hat auch bei der Polizei nachgehakt. Detectiv Chef Inspektor Joe Mura schickte Ermittlungsbeamte zur Universität – und gelangte schließlich zu der Erkenntnis: »Dies ist klar eine Sache der Homophobie.« Das Verfahren gegen Jess Moore ist eingestellt. Max Watts
Drei Wünsche aus dem LibanonBei einer Solidaritätskonferenz in Beirut fragte ich Samira Salah, die im Nationalkomitee der Volkfront für die Befreiung Palästinas verantwortlich für Flüchtlingsfragen ist, nach der Situation der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon während des Krieges. Sie berichtete: Die regierenden Rechten im Libanon unterdrücken die palästinensischen Flüchtlinge und benutzen sie als Sündenböcke. Sie pferchen sie in elenden Lagern zusammen, erlauben ihnen nur in einigen wenigen Berufen zu arbeiten und sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und verbieten ihnen, Eigentum zu erwerben, etwa einen eigenen Laden zu führen. Dann behaupten sie, wir würden den Libanesen Arbeitsplätze wegnehmen und sie müßten die staatlichen Aufwendungen für andere Bevölkerungsgruppen kürzen, um uns durchbringen zu können. Prompt sahen viele Arme und Benachteiligte die Ursache für ihr Elend bei den palästinensischen Flüchtlingen statt bei der Regierung. Wenn wir nicht hier wären – so hielt man uns vor –, wären beispielsweise die Schiiten nicht so arm, und die israelische Armee würde nicht immer wieder Krieg gegen den Libanon führen. Zwar arbeiten in verschiedenen Initiativen seit Jahren Palästinenser und Libanesen zusammen. Doch das war immer nur eine Minderheit. Durch den gemeinsamen Widerstand gegen Israels Krieg gelang es, Spaltungsmechanismen und Vorurteile zu durchbrechen. Hunderte zumeist junge Libanesen und Palästinenser halfen gemeinsam den Kriegsopfern unabhängig von Herkunft oder Religion beim Wiederaufbau der Wohnhäuser, beim Fenstereinsetzen von Fenstern, bei der Olivenernte, bei der Beschaffung günstiger Kredite und so weiter. Auch hier in Beirut, wo wir die Regierung unter Druck setzen mußten, damit sie Schulen und öffentliche Anlagen für Flüchtlingslager zur Verfügung stellte, haben viele erkannt, daß die Grenzen nicht zwischen Palästinensern und Libanesen verlaufen, sondern zwischen uns und der Regierung. Ich fragte Samira Salah, wie wir Deutschen helfen könnten. Ihre Antwort: Erstens solltet ihr euch dafür einsetzen, daß die UNIFIL abgezogen wird. Die ausländischen Truppen sind nicht hier, um die israelische Armee in ihre Schranken zu weisen. Sie handeln nicht neutral. Im Gegenteil, sie legitimieren die Aggressionspolitik Israels. Sie tun nichts dagegen, daß israelische Flugzeuge jeden Tag in den libanesischen Luftraum eindringen und dadurch die Waffenstillstandsvereinbarungen brechen. Stattdessen ist das erklärte Ziel der UN-Truppen, die Hisbollah, also den Widerstand, zu entwaffnen. Zweitens sollte die europäische Linke die Darstellung des libanesischen Widerstands und die Darstellung Israels in den westlichen Medien untersuchen. Ihr müßt euch dagegen verwahren, daß Israel und die westlichen imperialistischen Staaten immer wieder den Holocaust an den europäischen Juden durch Hitler-Deutschland dazu mißbrauchen, die Politik des Staates Israel zu rechtfertigen. Ihr müßt verhindern, daß eure Regierungen euch zu Komplizen des rassistischen israelischen Krieges gegen die Palästinenser und die arabischen Länder machen. Drittens sollten sich die europäischen Nichtregierungsorganisationen und Antikriegsbewegungen an der Kampagne zur Ächtung von Streubomben beteiligen, die Israel in seinem Krieg gegen Libanon eingesetzt hat. Ihr solltet Euch dafür einsetzen, daß eure Regierungen Waffenlieferungen an Israel verbieten, statt sie zu subventionieren. Irmgard Wurdack
Die Weißenseer BlätterEin publizistisches Unikat hat sein Erscheinen eingestellt. Im November erreichte die letzte Print-Ausgabe der Weißenseer Blätter ihre Leser. 1982 von dem evangelischen Theologie-Professor Hanfried Müller im Auftrag des »Weißenseer Arbeitskreises« (Kirchliche Bruderschaft in Berlin-Brandenburg) herausgegeben, wurden die WBl bereits nach dem ersten Heft zu der wohl umstrittensten Zeitschrift, die in der DDR je erschien. Das lag an vielem – an dem außergewöhnlich breiten Spektrum der Beiträge zu Theologie und Kirche, Politik und Gesellschaft, aber nicht zuletzt auch an der DDR selbst. Allein schon durch ihre Aufmachung konnten die WBl eher für ein handverfertigtes »Samisdat« gehalten werden; und tatsächlich erschienen sie auch im Selbstverlag. Und vor allem: Sie waren tatsächlich nicht in dem Sinne »systemkonform«, daß sie für ein Organ lavierender Kirchenleitungspolitik gehalten werden konnten oder für einen publizistischen Multiplikator politbürokratischer Staatsraison. Denn gegen den mehr oder weniger kaschierten kirchlichen Antikommunismus opponierten die WBl ebenso entschieden wie gegen jenen parteipolitischen Opportunismus, der schließlich als offener Revisionismus faktisch zum Verbündeten der Konterrevolution von 1989 wurde. So fehlte es denn auch nicht an Versuchen, die jährlich vier- bis sechsmal ausgelieferte Zeitschrift eskamotieren zu lassen. Aber selbst das wäre zu einem unwillkommenen Politikum geworden, denn die WBl wurden auf Synodaltagungen ebenso begierig gelesen wie in der US-amerikanischen Botschaft – und zunehmend ebend auch in jenen kirchlichen und gesellschaftlichen Kreisen, die die schleichende Destruktion des Sozialismus mit großer Sorge verfolgten und vor allem in den ungewöhnlich brillanten Analysen von Hanfried Müller und Rosemarie Müller-Streisand eine Anleitung zu widerständigem Denken fanden. Im Unterschied zu vielen Publikationen war es für die WBl selbstverständlich, daß sie auch nach 1989 ihren kategorischen Widerspruch nicht einstellten, sondern nun in besonderer Weise gegen die Resignation der Linken ankämpften, in vertrauter Unbestechlichkeit und mit eben jener Dialektik, die die Lektüre dieser Zeitschrift von Anfang an zu einem Ereignis gemacht hat. Kommende Generationen werden auf sie zurückgreifen, nicht nur aus historischem Interesse ( www.weissenseerblaetter.de ). Dieter Kraft
Bei Abendroth nachlesenIm akademischen Elfenbeinturm hat er sich nie aufgehalten, der Politikwissenschaftler und Staatsrechtslehrer Wolfgang Abendroth (1906–1985), Linkssozialist, Zuchthäusler im »Dritten Reich«, in der Alt-Bundesrepublik einer der wichtigsten Protagonisten zunächst der linken Opposition in der SPD, dann der außerparlamentarischen Opposition, Verfechter einer konfliktbereiten Gewerkschaftspolitik, Wortführer der Bewegung gegen die Notstandsgesetze und Anreger einer Fülle wissenschaftlicher Arbeiten zur Geschichte der Arbeiterbewegung und zum Widerstand gegen den Faschismus. Beispielgebend war sein Wirken für eine ständige Verschränkung von Theorie und gesellschaftspolitischer Praxis. Eben deshalb lohnt es sich auch heute, seinen gedanklichen Spuren nachzugehen, seine Analysen und Argumente wiederzuentdecken. Die Möglichkeit dazu ist Michael Buckmiller, Joachim Perels und Uli Schöler zu verdanken, die sich der sechsbändigen Herausgabe Abendrothscher Veröffentlichungen angenommen haben. Der erste Band, die Jahre von 1926 bis 1948 betreffend, ist jetzt erschienen. Die darin enthaltene völkerrechtliche Dissertation, die der junge Jurist Abendroth 1936 in der Schweiz plazieren konnte, ist sicherlich eher etwas für Fachleute; hochinteressant aber sind für alle, die aus der Geschichte der Linken vor 1933 lernen wollen, die hier nachgedruckten Diskussionsbeiträge Abendroths aus dem Handlungsfeld der damaligen Jugendbewegung. Der studentische Autor war in der »Freien Sozialistischen Jugend« tätig, einem von den Parteien unabhängigem Bund, der jungen Menschen den Raum dazu gab, sich solidarisch und zugleich kritisch mit den konkurrierenden Richtungen in der Arbeiterbewegung auseinanderzusetzen. Wer ergänzend dazu Biographisches über den jungen Abendroth sucht, findet es bei Andreas Diers: »Arbeiterbewegung – Demokratie – Staat. Wolfgang Abendroth. Leben und Werk 1906–1948«, VSA Verlag. A. K. Michael Buckmiller u.a. (Hrsg.): »Wolfgang Abendroth. Gesammelte Schriften Band 1. 1926–1948«, Offizin-Verlag, 586 Seiten, kart. 24.80 €, geb. 36.80 €
An die LokalpresseJa, ich bin ein Glückskind, und das sollen alle Mitbürger wissen, gerade in einer Zeit, in der alle nur über den Sozialabbau und andere Schicksalsschläge herumpalavern. Schon zum zwölften Male bin ich elektronisch oder zufällig oder wie sonst auch immer potentieller Gewinner einer Edelkarosse geworden, der Fahrzeugbrief war auch schon da. Ich muß nur schnell eine bestimmte Nummer anrufen, dann läuft alles automatisch. Mein Problem ist nur: Ich weiß nicht, wo ich die Superschlitten alle unterbringen soll. Ich finde schon für meinen alten Golf kaum eine Abstellmöglichkeit in meiner Wohngegend und muß manchmal eine halbe Stunde herumkurven, um wenigstens einen Platz in U-Bahn-Nähe zu ergattern. Glücklicherweise haben sich die anderen elf Angebote dann doch noch kurzfristig zerschlagen, aber nun wird mir schon wieder ein hochdotierter Audi angedroht. Ich frage mich: Wäre es nicht lukrativer, wenn statt Nobelkutschen Parkplätze verlost würden? Irgendein Auto dazu findet sich dann immer. – Jockel Findig (62), Ich-AG, 19357 Waterloo * Es weiß ja jeder, daß es nichts Gesünderes geben kann als Sport. Zum Beispiel der Marathonläufer Christian Neuling, der absolut kein Neuling in dieser Sportart ist, absolvierte den Berlin-Marathon Ende September in vier Stunden und 26 Minuten. Für einen 63jährigen ist das eine sehr respektable Zeit, noch dazu, wenn der Läufer wegen körperlicher Schwäche seit langem nicht mehr an dem gegen ihn geführten Betrugsprozeß teilnehmen kann. Er ist nämlich eine der Schlüsselfiguren des Berliner Bankenskandals. Seine Barspende an Klaus Rüdiger Landowski hatte den Finanzkrimi seinerzeit ins Rollen gebracht. Ich finde es gut, daß sich Herr Neuling, der auch in Finanzgeschäften kein Neuling ist, durch sein körperliches Training eisern darum bemüht, im Laufe der Jahre wieder verhandlungsfähig zu werden, und ich rufe ihm dazu ein kräftiges »Sport frei!« zu. – Eberhard Rammler, Extremsportler, 14532 Sputendorf * Fast täglich kommen Nachschlagewerke auf den Markt, die zur Überwindung des Bildungsnotstandes und zur Versenkrechtung der PISA-Studie beitragen können. Es gibt kaum ein Wissensgebiet, das davon noch nicht berührt wurde. Was mir jedoch dringend notwendig erscheint, ist ein »Wörterbuch des Sozialabbaus«, durch das sich die Betroffenen, vor allem die Unterschichten, das notwendige verbale Rüstzeug aneignen können. Auf kaum einem anderen Gebiet, und das sei positiv vermerkt, erweist sich die ungebremste Schöpferkraft unserer deutschen Mutter- und Vatersprache wie gerade hier. Einige wenige Begriffe, in einer knappen Stunde zusammengetragen, sollen das belegen: Armutsgrenze, Armutsquote, abgehängtes Prekariat, abgekoppelte Arbeitnehmer, arbeitsmarktpolitisches Drohpotential, ausgelagerte Bereiche, autoritäts-orientierte Geringqualifizierte, Billiglohnzonen, brachliegende Humankapazitäten, Erhöhung des Renteneintrittsalters, Globalisierungszwänge, dreigeteilter Gesellschaftskörper, schichtdiffe-renziertes Existenzminimum, Medikamentenzuzahlung, Mehrwertsteuererhöhung, Connys Container, radikale Reproletarisierungstendenzen, Kapitalverwertungsstrategie, Ausdünnung der Weiße-Kragen-Abteilungen, Rudis Reste-Rampe, ökonomische Dispositionsmasse, unscharfe Sozialsegmente, soziale Rückstufung, sozialdestruktiver High-Tech-Kapitalismus, sozialverträgliches Ableben, sozialstaatliche Vermögenssurrogate, steigende Suizidrate, Unterschichtendebatte, überflüssige Beschäftigungsverhältnisse, Verschlankung der Funktionseliten, verfestigte Randständigkeit und so munter weiter. Ich bin mir sicher, ein solches Vokabularium würde ein Bestseller und erforderte jährlich eine neue, verschlechterte Auflage. – Bernhard Ballhorn (57), Sprachforscher, 06493 Ballenstedt * Unser Innenminister Wolfgang Schäuble hat am 8.11., dem Vorabend des Mauerfalljubiläums, in seiner Dresdner Rede erklärt, die Rente mit 67 sei nicht das Ende der Entwicklung. Das finde ich völlig in Ordnung, denn bekanntermaßen sind es vor allem die Rentner, die auf Kosten junger Arbeitsloser leben und dabei Riesenvermögen anschäufeln. Und gerade in der Weihnachtszeit sollte man nicht nur nach Geschenken gieren, sondern sich um Christi willen die Wahrheit sagen. Um zu verhindern, daß die Diskussion über das Rentenalter von Jahr zu Jahr neue Unruhe schafft, schlage ich folgende Regelung vor: Das Rentenalter beginnt generell mit dem Todestag, und die Rente wird von diesem Zeitpunkt an drei Jahre rückwirkend an die Hinterbliebenen beziehungsweise an die Gläubiger gezahlt. Das wäre eine gerechte Lösung für alle und würde dazu beitragen, die Ungleichheit von Ost und West zu beseitigen. – Gotthard Lämmerhirt (82), Altenresidenz »Frohe Zukunft«, 17348 Grauenhagen * Endlich ist ein Rätsel gelöst, das die Menschheit seit mehr als drei Jahrtausenden aus dem Tiefschlaf schrecken läßt: Wie dpa berichtet, starb der Pharao Tutenchamon an den Folgen eines Reitunfalls. Das hat eine computertomografische Untersuchung der Mumie ergeben. Ungeklärt ist jedoch, wie es zu dem Unglück kam. Wurde der Sturz vom Falben vorsätzlich herbeigeführt? Hatten Terroristen die Hand im Spiel? Da schon bei weit weniger handfesten Vermutungen Militär in Bewegung versetzt wurde, verlange ich internationale Einsatzmandate, um den Sachverhalt endgültig abzuklären, die Verursacher ihrer gerechten Strafe zuzuführen und bei dieser Gelegenheit auch in dieser vernachlässigten Region die Demokratie durchzukämpfen. – Manfred Klugweiß (53), 02943 Weißwasser Wolfgang Helfritsch
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Press-KohlDie Regisseure und Intendanten kommen und gehen, aber das Deutsche Theater bleibt hoffentlich bestehen. Doch woher kommen die Regisseure und Intendanten? Die Berliner Zeitung gab Antwort. Regisseur »Thalheimer kommt von der Regie«, und Oberender, der DT-Intendant werden soll, »kommt vom Text«, las ich vorhin im Text, als ich gerade nicht von der Regie kam, sondern vom Bahnhof. »Oberender sucht seinen Ruhm nicht in der inszenatorischen Innovation, sondern im ästhetischen Aushandeln gesellschaftlicher Konflikte, zugehend auf ein breites, bürgerliches Publikum. Er sieht das Deutsche Theater als einen Ort selbstbewußter Langsamkeit.« Unserem HNO-Facharzt berichtete ich über seltsame Geräusche in meinem Ohr. Ob es sich um Tinnitus handeln könnte? Um subjektive Ohrgeräusche, die nur vom Patienten wahrgenommen werden? Der Mediziner wollte wissen, an welcher Stelle des Gehörgangs die seltsamen Geräusche auftreten, »Am oberen Ende.« »Das ist kein Tinnitus«, befand der Doktor, »es handelt sich um jenes Wortgeklingel, welches Leute produzieren, die nichts zu sagen haben.« Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 25/2006 |
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