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Und vielleicht ist das auch der Grund dafür, daß die eigentliche Provokation dieser Vorlesung noch gar nicht in den Blick gekommen ist, von in theologischen Fragen ungeübten Journalisten auch gar nicht wahrgenommen werden konnte. Das wirklich Spektakuläre dieser Vorlesung besteht nicht in der eher kuriosen Suggestion, die mittelalterliche Kirche habe – im Unterschied zum Islam – eine »Glaubensverbreitung durch Gewalt« abgelehnt, Es besteht vielmehr darin, daß der Papst eine neue theologische Lehre initiiert hat. Auf den ersten Blick kann man das übersehen, wenn man nicht davon ausgeht, daß in einem solchen Text jedes Wort gewichtet wird. Zudem kommt diese neue theologische Doktrin mehr beiläufig daher und auch noch in indirekter Gestalt. Aber vermutlich gehört auch das zur Methodologie einer Initiation, die bewußt erst das diskursoffene Professoren-Katheder sucht, bevor ex cathedra verkündet wird. Die entscheidende Aussage aber ist prägnant formuliert. Sie lautet: »Das Zusammentreffen der biblischen Botschaft und des griechischen Denkens war kein Zufall.« Nie zuvor hat ein römisch-katholischer Papst eine solche These vertreten, und kein Konzil wäre je auf die Idee gekommen, zwischen der biblischen Botschaft und dem griechischen Denken einen Zusammenhang herzustellen, der auf eine »göttliche Fügung« schließen ließe – denn nichts anderes kann nach katholischem Verständnis das Gegenteil eines »Zufalls« sein. Gewiß hat sich die biblische Botschaft, historisch gesehen, tatsächlich mit griechischem Denken verbunden – und wurde dabei allerdings auch bis zur Unkenntlichkeit deformiert, was im römischen Katholizismus und also auch von Benedikt XVI. vehement bestritten werden muß. Der Papst aber resümiert hier nicht die Theologiegeschichte der Alten Kirche, er interpretiert sie – wenn auch nur im Ansatz, so doch völlig unmißverständlich – in einer Perspektive, in der den alten Griechen eine theologische Würde in der Heilsökonomie Gottes zukommt. Und so spricht er denn auch ausdrücklich von einem »von innen her nötigen Aufeinanderzugehen(s) zwischen biblischem Glauben und griechischem Fragen«. Darüber dürfte es unter römisch-katholischen Theologen noch zu heftigen Diskussionen kommen. Aber nicht nur dort, denn dieser Ansatz impliziert eine ganze Reihe höchst suspekter Konsequenzen. Abgesehen von dem sublimen Antijudaismus und also der Relativierung der theologischen Bedeutung alttestamentlicher Geschichte als der Kehrseite dieses »Aufeinanderzugehens« – die politischen Implikationen dürften auch für Nicht-Theologen brisant werden, auch wenn es zunächst durchaus sympathisch wirkt, daß ein Papst für die »Vernunft« Partei zu ergreifen scheint. Im Kontext seiner Vorlesung geht es dabei aber gar nicht um die allgemeine menschliche Vernunft, sondern um den griechischen »Logos«, der nun zum Maß menschlicher Vernunft wird. Spätestens in diesem Zusammenhang wird es hochgradig politisch, denn die Rede von den alten Griechen ist zugleich immer auch die Rede von der »Wiege des Abendlandes«. Und Benedikt XVI. selbst insistiert auf einer noch umfassenderen Tragweite, wenn er eigens betont: »Dieses hier angedeutete innere Zugehen aufeinander, das sich zwischen biblischem Glauben und griechischem philosophischem Fragen vollzogen hat, ist ein nicht nur religionsgeschichtlich, sondern weltgeschichtlich entscheidender Vorgang, der uns auch heute in Pflicht nimmt.« Damit sind die entscheidenden Parameter benannt, die in der Papst-Vorlesung zu einem weltgeschichtlichen Politikum verdichtet sind: Das Abendland Europa, durch die alten Griechen gewürdigt, eine besondere Rolle in der Ökonomie Gottes innezuhaben, hat diese außerordentliche Rolle in der Weltgeschichte heute wieder einzulösen. Vielleicht hatte der Papst einkalkuliert, daß eine solche Botschaft unmittelbar und weltweit zu Turbulenzen führen würde, und deshalb zunächst für einen Eklat gesorgt, der sich auf die islamische Welt beschränken ließ. Inzwischen aber ist die Botschaft auch bei den Deutschen angekommen und aufgenommen worden. Der Spiegel vom 27. November brachte mit seiner Titelgeschichte die Schlagzeile: »Die Entdeckung der Vernunft. Der Ursprung der abendländischen Kultur im alten Griechenland«. Und im Text konnte man nun schon einmal lesen: »Der kollektiven Buckelei des Morgenlandes war ein neuer Menschentyp entgegengestellt: stolz, neugierig, gescheit.« Man darf gespannt sein, wie solche Verlesungen in China ankommen, aber auch in Amerika, das bisher als Titelträger für »God's own country« galt.
Erschienen in Ossietzky 25/2006 |
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