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Was treibt Biermann dazu, und vor wem meint er sich warum rechtfertigen zu müssen?): Ja, einst! in den Großen Zeiten der Diktatur – der Dichter würde besser sagen: in der bleiernen Zeit – da waren solche Auszeichnungen eine funkelnde Schande. Im demokratischen Staat aber sind sie eine Ehre. Also wird mein linkes Herz (linkes Herz? wie sich doch Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung bisweilen unterscheiden! – s. unten ) nicht zittern unter diesem bundesdeutschen Orden am Bande auf der Brust. Im Gegenteil: Ich freue mich ohne Arg und ohne die Pose einer ironischen Distanz. (Keine ironische Distanz? Also eine ungebrochene Identifikation mit dem Staat, sei er noch so demokratisch? Keine Spur mehr von Anarchismus, der doch auch dem marxistischen Biermann nicht ganz fremd war?) Ich hatte das lehrreiche Privileg, in zwei deutschen Diktaturen zu überleben – und das war oft ein Steinefressen. Mein Vater Dagobert Biermann, kommunistischer Arbeiter und Widerstandskämpfer, wurde 1943 in Auschwitz als Jude ermordet. Aber wäre er am Leben geblieben, dann hätten seine stalinistischen Genossen in der DDR ihn wahrscheinlich ins GULag geschickt oder nach Bautzen. (Das ist ein mögliches Szenario. Ein anderes zeigt uns einen Dagobert Biermann, der in der demokratischen Bundesrepublik als KPD-Mitglied in einem westdeutschen Gefängnis gesessen hätte, denn dessen Verurteilung als Saboteur hätte einer der in der Bundesrepublik allseits respektierten Nazirichter auch nach 1945 nicht revidiert, und so hätte er zusehen müssen, wie seine garantiert am Leben gebliebenen Verfolger aus dem Dritten Reich die Rente versaufen, die ihm vorenthalten geblieben wäre. Eine dritte Möglichkeit soll nicht suggeriert, kann aber, wenn man schon spekuliert, auch nicht ausgeschlossen werden: daß sich Dagobert Biermann entwickelt hätte wie der von seinem Sohn gehaßte Markus Wolf, der Sohn des ehrenwerten Friedrich Wolf und Bruder des nicht weniger respektablen Konrad Wolf, oder wie Gerhart Eisler, der Bruder des von Wolf Biermann verehrten Hanns Eisler.) Grade deshalb habe ich womöglich einen fast kindlichen Respekt vor der Demokratie. So geht es vielen von uns, die dermaßen lange hungerten nach dem guten, dem bekömmlichen Brot der Freiheit. (Respekt vor dem Respekt vor der Demokratie, vor dem Hunger nach Freiheit. Aber hat Biermann tatsächlich alles vergessen, was er einmal von den Grenzen dieser Freiheit begriffen hatte? Schließen Haß und Abscheu gegenüber der Diktatur Argwohn, zumindest ironische Distanz gegenüber den Propagandisten und Repräsentanten dieser Demokratie aus, zumal diese nach wie vor Ungeheuer gebiert, während jene – wenngleich nicht vom Drachentöter Biermann allein – zumindest auf deutschem Boden in den Orkus verbannt wurde?) Uns gebrannten Kindern jedenfalls ist die unvollkommene, ja sogar eine kränkelnde Demokratie lieber als jede vollkommene und kerngesunde Diktatur. (Wem nicht? Aber muß man deshalb Bundesverdienstkreuze für den adäquaten Ausdruck demokratischer Umgangsformen halten?) Meine Literaturpreise, die sich an so Namen hängen wie Georg Büchner und Heinrich Heine und Friedrich Hölderlin, habe ich mir selbst verdient, allein durch die Gedichte und die Lieder. Aber dieses Bundesverdienstkreuz betrachte ich als eine Auszeichnung für all die tapferen Namenlosen, für all die Bedrückten, Bedrängten und Erniedrigten, die etwa mein Lied »Ermutigung« im VEB-Knast sangen, Frauen und Männer also, die sich in der DDR tapfer gewehrt haben. (Eine schöne Geste – wenngleich man die Auszeichnung auch jenen gönnte, die im Knast keine Biermann-Lieder sangen.) Auch solchen Menschen, ohne die ich als kleiner Drachentöter mit dem klingenden Holzschwert im Streit mit dem totalitären Pack gar keine Chance gehabt hätte, verdanke ich den hohen Orden aus der Hand des Bundespräsidenten Horst Köhler – hier und heute im wunderbar verbürgerlichten Schloß Bellevue. (»Ach du, ach das ist dumm. Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um.« – W. B.) Zum Stichwort linkes Herz (s. oben) ein Ausschnitt aus der berühmt linken Tageszeitung Die Welt . Sie veröffentlichte eine politische Positionsbestimmung von Hannes Stein, der sich als Freund Wolf Biermanns deklariert. Auf seiner Homepage erklärt er ihn, wie es sich für einen Freund Biermanns ziemt, zum größten lebenden deutschen Lyriker. Entsprechend fördert er ihn in der Welt und darüber hinaus: Diese Leute [gemeint sind die Mitglieder des Netzwerks »Achse des Guten«, dem Stein selbst angehört] denken, daß der Kapitalismus eher eine gute Sache ist. […] Die Vorstellung, daß Kündigungsschutz sozial, gut und edel sei, löst bei diesen Leuten Lachkrämpfe aus. […] Noch verrückter: Diese Außenseiter äußern offen ihre Sympathie für Amerika. George W. Bush gilt ihnen nicht als Kreuzung von Schimpanse und Adolf Hitler. Sie waren für den Krieg gegen Saddam Hussein; dabei interessierte sie wenig, ob es im Irak wirklich Massenvernichtungswaffen gab. Es ging ihnen eher um die Beseitigung einer besonders widerlichen Diktatur, in der Hoffnung, daß dadurch die Tore zu einer Demokratisierung des gesamten Nahen Ostens aufgestoßen werden könnten. Nicht Armut, sondern Tyrannei halten solche Ketzer für die Wurzel des islamischen Terrors. Heute fordern sie die Befreiung des Iran von den Mullahs – möglichst noch, bevor dieses Land die Atombombe fertig gebaut hat. Sie demonstrieren im Geiste mit den Taiwanesen für die Unabhängigkeit von Festlandchina. Ach ja, und um das Faß voll zu machen, ist diese Randgruppe auch noch ausgesprochen israelfreundlich. Sie registriert sehr genau, wenn einer der festangestellten Moscheeprediger der Palästinensischen Autonomiebehörde wieder einmal zur Beseitigung des ›zionistischen Gebildes‹, zum Völkermord an den israelischen Juden aufruft. Mit einem Wort, der liberale Underground hierzulande steht den Neokonservativen in Washington, D.C. ziemlich nahe. Paul Wolfowitz ist einer ihrer Helden. Mit der klugen Condoleezza Rice würden sie alle gern mal essen gehen. Wer solche Freunde hat, braucht um sein Herz, links oder rechts, nicht zu fürchten.
Erschienen in Ossietzky 24/2006 |
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