Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Über Sprachlosigkeit und MundtotmachenAnne Dessau Das Theater Basel kam mit »Winter« von Jon Fosse, dem Norweger, nach Berlin in die Kammerspiele. Barbara Frey hat die sechzig Minuten über Sprachlosigkeit inszeniert. Ich mag die Arbeiten von Jon Fosse. Seine spröde, knappe Sprache, die Reduktion seines Figurenensembles auf zwei, drei Personen, die Kargheit an äußerlicher Dramatik. Seine Devise ist: Weglassen, um sich einlassen zu können. Die Figuren sind Vulkane mit klitzekleinen Rauchwölkchen über dem Krater. Andeutungen von ungeheuren Vorgängen im Inneren. Erwartungen, Ängste übertragen sich, glühende Lava fließt urplötzlich aus seinen Kopfgeburten in den Zuschauerraum, es dampft und zischt, doch die Eruptionen befreien die Figuren nicht von dem herrschenden Druck. So kann das sein bei Jon Fosse. Ich habe es gesehen in anderen, früheren Aufführungen. Nicht an diesem Abend. Es fehlte jene innere Dynamik, die Abgründigkeit. Die Darsteller (Katja Reinke, Michael Neuenschwander) vermochten für ihre Rollen keine Anteilnahme zu erwecken. Das bestechend schöne minimalistische Bühnenbild (Penelope Wehrli) mit seinen Spiegeleffekten und seiner zwingenden Farbigkeit schafft für »Die Frau« und »Der Mann« genau den Raum, in dem ihr Verlorensein, Stottern, ihre Einsamkeit, dies »Jenseits der Grenze des Sagbaren« der verknoteten Subjekte zum Kunstereignis werden könnte. Aber es wird nicht. Ich begreife, was mitgeteilt wird, aber es geht mich nichts an. Die Zutaten sind da, der Stoff, das Thema unseres täglichen Lebens: Entfremdung des Einzelnen in/von der Gesellschaft. Dieses Durch-den-Anderen-Hindurchgehen. Ihn nicht wahrnehmen. Elektronisch verstärkte Geräusche auf den Ohren. Augen, die nur Bildschirmformatiertes erkennen. Ferngesteuerte Blindgänger, wir alle – das ist die Gefahr. Sie wäre zu zeigen gewesen. Es geschah nicht. Verschenkt. * »Unsere versäumten Tage«, Liebesbriefe von NVA-Soldaten, Premiere im »Theater am Meer« (s. Ossietzky 22/06). Fünf Schauspieler lesen aus bewegenden Zeugnissen der Vergangenheit. Marie von Kuck, die Autorin, hat ihre Auswahl aus mehreren tausend Briefen getroffen. Die erzählen von jungen Männern, die der »Dienst am Vaterland« aus ihren sozialen Bindungen riß, von der ersten Liebe trennte, dem ersten Kind, Freunden, Familienmitgliedern. Jetzt bestimmen Kopfschur, Massenduschen, Drill und Trillerpfeifen ihren Alltag. »Hier ist es wie in der Verbannung, wie im Knast, der Stahlhelm drückt, die Füße qualmen, keine Zeitungen, keine Nachrichten von draußen, drei Monate kein Urlaub!« Not spricht aus jeder ihrer Zeilen. Angst dazu. Daß die Liebe nicht hält, Briefe ausbleiben, Päckchen, Besuche, Zuwendungen. Die Enge des Raumes, zwölf Quadratmeter für sechs Soldaten, provoziert Reibungen, Demütigungen, Verrohung. Der harte Dienst, Drangsalierungen durch Vorgesetzte lassen das Selbstwertgefühl sinken. Empfindsame werden depressiv, Suizidgedanken kommen auf. »Die Verlogenheit setzt mir zu. Kriechen, sich bücken, den Mund halten – nur so kommst du durch. Ich ekele mich vor mir selbst.« So drücken die jungen Männer Wut, Trauer und Verzweiflung aus. Das geht unter die Haut. Die Unmenschlichkeit in der Armee ist weltweit gegenwärtig. Wer nicht mitmacht, wird ausgestoßen; wer mitmacht und erwischt wird, hat zumeist eine Chance davonzukommen. Marie von Kuck und Andreas Büttner (Regie) haben einen dramaturgischen Faden gesponnen, den fünf Soldaten Gesichter und Geschichte gegeben (es lesen Ralf Bockhold, Marin Caktas, Toralf Franke-Viezens, Michael Putschli und Andreas Büttner). Sie erreichen die Zuschauer, schärfen unsere Wahrnehmung für den alltäglichen Horror in den Armeen.
Erschienen in Ossietzky 23/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |