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Auf dem evangelischen Kirchentag in Mecklenburg-Vorpommern sprach der DDR- und Anschlußexperte sowie Lehrstuhlinhaber für Theologie und Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität, Professor Richard Schröder, der zugleich Verfassungsrichter in Brandenburg, Mitglied des Nationalen Ethikrates, Mitglied der Grundwertekommission der SPD, Präsident des Senats der Deutschen Nationalstiftung Weimar und Vorsitzender des Fördervereins Berliner Schloß ist, zu seinem Lieblingsthema, dem Stand der deutschen Einheit. Wie stets zeichneten sich seine Darlegungen durch volkstümliche Sprache und tabubrechende Originalität aus. Eingangs bekannte er, der Wahrheit verpflichtet, freimütig: »Die Vereinigung brachte nicht das erwartete Wirtschaftswunder, sondern den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft mit einer extrem hohen Arbeitslosigkeit. Dazu kamen die zermürbenden Auseinandersetzungen um Eigentumsfragen ...« Doch als geübter Prediger garnierte er diese traurige Realität mit frohen Botschaften, um am Schluß der andächtig lauschenden Gemeinde zu verkünden: »Es wäre manches einfacher, wenn wir aus Anlaß der deutschen Einigung gemeinsam sagen könnten: ›Nun danket alle Gott‹.« An Argumenten, Fakten und Halbwahrheiten (die, Gott sei's geklagt, auch halbe Lügen sind), um diese Danksagung an den Herrn da oben zu begründen, mangelte es ihm nicht. Am beeindruckendsten waren die, welche die Lage in Ostdeutschland mit der in anderen Teilen der Welt verglichen. So konstatierte er mit Genugtuung, daß Ostdeutschland »von allen ehemaligen sozialistischen Ländern ... den höchsten Lebensstandard und die beste Infrastruktur hat«. Das wäre tatsächlich ein überzeugender Beweis erreichten Fortschrittes im vereinten Deutschland, wenn die DDR nicht auch schon innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) den höchsten Lebensstandard und die beste Infrastruktur gehabt hätte. Noch schlagender waren der Vergleich mit den Entwicklungsländern und das Argument, daß Europa, »Ostdeutschland inbegriffen«, anderswo beneidet werde und die meisten Menschen dieser Welt sofort »ihre Probleme gegen unsere eintauschen« würden und deshalb viele versuchten, unter Lebensgefahr hierher zu kommen. Wer wollte dem widersprechen? Freilich unterlaufen dem geübten Agitator hin und wieder Irrtümer und die schon erwähnten kleinen Halbwahrheiten. Da er ganz offensichtlich noch nie etwas vom »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen«, dessen erster Präsident Hitlers Reichskommissar für die Verwaltung des »feindlichen Vermögens« war, und von dessen Nachfolgeeinrichtungen gehört hatte, bestritt er energisch, daß in westdeutschen Ministerien »Pläne für die deutsche Einheit und das Ende der SED-Diktatur« erarbeitet worden waren. Den Vorwurf, daß die Treuhand das Volksvermögen der DDR vernichtet hat, bezeichnete er als »eine Legende«, die er am Beispiel seines eigenen Wartburgs, der angeblich doppelt so viel Treibstoff wie ein Golf verbrauchte und von ihm deshalb verschrottet wurde, widerlegte. So fiel es ihm leicht, die »phantastischen Berechnungen des DDR-Wirtschaftsvermögens auf 1.200 Milliarden Ostmark« »bloße Zahlenspielereien« zu nennen und zu behaupten, daß die DDR-Wirtschaft »nur 30 Prozent der westdeutschen Arbeitsproduktivität« erreicht habe, so als ob die tatsächlich erzielten 60 Prozent nicht schon traurig genug gewesen wären. Nach der Befreiung von der »SED-Diktatur« im Osten ging es natürlich auf- und durch eine enorme Abwanderung vor allem westwärts, was der begnadete Redner gar nicht so übel fand, denn »wir vermischen uns und das ist gut so«. Gut und rühmenswert ist für ihn auch der »Unternehmergeist« der Ostdeutschen, und so freut er sich darüber, daß allein von 1990 bis 1998 nicht weniger als 1.700.000 Unternehmen gegründet worden seien – bei 14 Millionen Einwohnern in der Tat eine beachtliche, kaum glaubliche Leistung. Vielleicht ist es die Ökumene, die Ökonomie jedenfalls ist seine Sache nicht. Das bewies er schon 2003, als er im Berliner Roten Rathaus bei einer Matinee der Stiftung Aufarbeitung und des Deutschlandfunks ein Referat zum Thema »Nachdenken über die Gegenwart eines untergegangenen Staates« hielt. Bei diesem »Nachdenken« vollbrachte er das Kunststück, die Ökonomie der DDR ausschließlich mit Witzen abzuhandeln. Originaltext Schröder: »Wir kommen zur Wirtschaft. Kommt einer ins Kaufhaus und fragt: ›Haben Sie Teppiche?‹ ›Nein, keine Teppiche gibt‘s eine Etage höher, hier gibt‘s keine Schuhe.‹ Oder: ›Keine Bretter für die Laube, keine Nägel, keine Schraube, für den Hintern kein Papier, aber ‘n Sputnik haben wir.‹. Frage an den Sender Jerewan: ›Gibt es im Kommunismus noch Geld?‹ Antwort: ›Nur.‹ Ostgeld war ein Bezugsschein ohne Einlösungsgarantie.« Wie es ihm gelang, mit diesem Geld seinen Wartburg einzulösen, verriet er nicht. Noch besser kennt sich das Multitalent in historischen Fragen aus, vor allem wenn sie Ostdeutschland betreffen. Und so stellte er überaus originell fest: »In der DDR war auch die DDR-Geschichte weithin geheim« und »Erst nach dem Ende der DDR erfuhren viele DDR-Bürger: Die selbst erlebte DDR war nicht die ganze DDR.« Diese und andere Weisheiten werden in Kürze einem breiten Publikum zugänglich. Wie er auf dem Kirchentag ankündigte, wird er seine dort dargelegten Erkenntnisse in einem Buch mit dem Titel »Die wichtigsten Irrtümer über die deutsche Vereinigung« publizieren. Hoffentlich verabsäumt er nicht, seine eigenen Irrtümer aufzunehmen. Sie sind zu schön, um vergessen zu werden. Am 21. Mai 1990 erklärte er in der Debatte über die Währungsunion vor der Volkskammer namens der SPD-Ost: »Wir rechnen nicht mit Dauerarbeitslosigkeit, sondern mit einer Arbeitslosigkeit der verlängerten Arbeitsplatzsuche.« Und am 13. September 1990 gab er am gleichen Ort in der Diskussion über den »Einigungsvertrag« zum Besten: »Die Regelung in der Eigentumsfrage ist fair und gerecht.« Dafür hat er im Westen bei denen, die das Eigentum übernahmen, immer viel Beifall gefunden.
Erschienen in Ossietzky 23/2006 |
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