Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Wer in die Luft spuckt ...Volker Bräutigam Nichts an den Nachrichten über Fernost, die man uns vorsetzt, wirkt schlüssig. Wir erfahren, US-Präsident Bush feiere den »Sieg«, daß Nordkorea »nun doch« der Wiederaufnahme der Sechser-Verhandlungen (mit China, Japan, USA, Rußland und Südkorea) über sein Atomprogramm zustimme – und fragen uns verwundert: Hatte Bush nicht erst jüngst, nach dem angeblichen (bis heute von keiner unabhängigen Institution bestätigten) Atombombentest der Nordkoreaner die wildesten Drohungen gegen die »Achse des Bösen« ausgestoßen und vom Weltsicherheitsrat »schärfste Bestrafung« Nordkoreas verlangt? Und nun triumphiert er wegen der Aussicht auf neue Verhandlungen, die er selbst gerade noch abgelehnt hatte? Bei genauerem Hinsehen verwandelt sich der »Sieg« in eine denkwürdige außenpolitische Niederlage der USA. Unsere ferngesteuerten Massenmedien verhelfen uns allerdings nicht zu dieser Erkenntnis. Mit 22 Millionen offiziell ausgewiesenen Dollar im Haushalt des US-Kriegs-ministeriums sowie mit hunderten weiteren Dollarmillionen, zum Teil in verdeckten Etats seiner Geheimdienste, finanziert Washington Programme zur welt-weiten Beeinflussung der Massenmedien. Geheim arbeitende Image-Agenturen setzen alles daran, einschließlich des Instrumentariums der Tiefenpsychologie, um Nachrichten zu manipulieren. Frei Erfundenes, Irrationales, glatter Unsinn wird, wie in der Reklame, so lange wiederholt, wie er noch geglaubt und weiterverbreitet wird. Auch tonangebende deutsche Medien zitieren ohne gründliche Nachprüfung dubiose US-Quellen. In den Nachrichten über Nordkoreas Atomprogramm geschah das besonders eindrucksvoll. ARD-Tagesthemen (17.10.): Moderator Tom Buhrow giftet unter der Schlagzeile »Machtspiel – Nordkorea droht der westlichen Welt«: » ... Erst gestern bestätigten die USA (!) den ersten Test. Jetzt will (!) Nordkoreas Diktator Kim Jong-il offenbar (!) alle Zweifel ausräumen. Mehrere amerikanische Fernsehsender (!) melden, US-Spionagesatelliten (!) hätten Vorbereitungen für einen zweiten Atomtest aufgenommen. ...« t-online-Nachrichten (18.10.): »... Die nordkoreanische Führung hat China angeblich (!) darüber informiert, weitere unterirdische Atomwaffentests vorzunehmen. Das berichtet der US-Sender (!) NBC News und beruft sich auf nicht genannte US-Regierungskreise (!). Ein Mitarbeiter der US-Geheimdienste (!) sagte der Nachrichtenagentur AP , der nächste Atomwaffentest könne ohne Vorwarnung erfolgen. ...« Nordkorea hat längst ähnlich wie der Iran das Image eines üblen Waffenlieferanten für mißliebige Regimes sowie für gewaltbereite Unabhängigkeitsbewegungen. Das Regime schüre Kriege und gefährde die »Sicherheitsarchitektur« in Fernost. Darum müsse Nordkorea jetzt vor allem an der Weitergabe von Atomwaffen gehindert werden. e ine gröbere Verfälschung der Realitäten ist kaum möglich. Nordkorea exportiert nach US-amerikanischen Angaben jährlich Waffen im Wert von maximal 100 Millionen Dollar. Selbst wenn diese Behauptungen stimmen, bedeutet das, daß Nordkorea bis zum Embargo nur einen winzigen Teil der bundesdeutschen Rüstungsverkäufe erreichte, zu schweigen von den Geschäften der USA, Frankreichs und Russlands. Deutschland lieferte laut Berliner Rüstungsexportbericht im Jahr 2005 Waffen für 6,3 Milliarden Euro, also mindestens 63mal mehr, auch reine Angriffswaffen, auch in Spannungsgebiete, zum Beispiel atomwaffentaugliche U-Boote an Israel. Asiatische Diplomaten sind, im Gegensatz zu der unverständigen Madame Condoleezza Rice und zu vielen europäischen Außenpolitikern, Meister ihres Fachs. Sie interpretierten den Bombentest Nordkoreas eben nicht, wie die USA und die EU, gleich als »Bedrohung«. Der Direktor des Asien-Forschungszentrums der Universität Paris, Professor Bui Xuan-Quang, betonte im TV-Sender Antenne deux und am 11. Oktober in der Zeitung Le Monde, die Schlüsselwörter für Nordkoreas Aktion lauteten eher »Händeringen«, »Hilferuf« und »Eingeständnis der Schwäche« als »tatsächliche Provokation«. Ostasiaten sähen in atomarer Bewaffnung nicht Stärke, sondern lediglich eine (von den USA) herbeigeführte Notwendigkeit. Händeringen? Hilferuf? In der Tat: Nordkorea leidet seit Jahren, schlimmer noch als Kuba, unter einem Embargo-Regime der USA. Das Land bekommt nur über teure Umwege Energie und Rohstoffe und ist von den Handelsplätzen der Welt ausgeschlossen. Seine häufig erwähnte »Abschottung« ist mindestens ebenso sehr vom »Westen« verursacht und erzwungen wie selbst gewählt. Doch darüber erfahren wir normalerweise nichts. Stattdessen bieten uns die USA und die EU Lehrbeispiele mangelnder Einfühlung in asiatisches Denken und fernöstliche Politik. Westliche Außenminister treten auf wie Marktschreier im Trappistenkloster. Speziell der deutsche Strohkopf Frank-Walter Steinmeier: Ein erneuter Atomtest wäre eine »nicht hinnehmbare (!) Provokation«. Mag sein, daß moralische Kategorien in der Realpolitik keinen Platz haben, aber mehr Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes könnte gelegentlich auch ein Gebot der Klugheit sein. Gleichheitsdenken ist der »westlichen« Polit-Programmatik gegenüber atomarer Bewaffnung von Drittstaaten völlig fremd. Kein Land, das sich nuklear rüstete, mußte je UN-Sanktionen hinnehmen. Die »alten« Atommächte (USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich, China), Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat, hatten ohnehin freie Bahn. Indien und Pakistan blieben als Nachbarn Rußlands und Chinas ungestraft den internationalen Sperrverträgen fern. Israel war als Schützling und Scharfrichter der USA in Nahost sakrosankt. Taiwan bestreitet (wie einst Israel) bis heute den Besitz von Atomwaffen. Nur Südafrika verzichtete freiwillig auf sein Atomprogramm. Doch Nordkorea wird wegen seines fatalen Strebens nach Atomwaffen (Pjöngjang sucht Sicherheitsgarantien gegenüber militärischer Bedrohung durch die USA) UN-Pressionen ausgesetzt. Der kommunistische Staat wird trotz seiner wirtschaftlichen Schwäche und großen humanitären Defizite ausgegrenzt und ausgehungert. Nicht, weil er für den »Westen« eine ernste militärische Gefahr darstellt. Sondern weil er ein politischer Systemgegner ist. Washington hatte bislang, arrogant und borniert wie so oft, bilaterale Verhandlungen mit Nordkorea strikt verweigert. George W. Bush und Donald Rumsfeld bliesen sich noch Mitte Oktober auf: »Eine solche Belohnung hat Nordkorea nicht verdient.« In Asien sagt man: »Wer in die Luft spuckt, dem klatscht alles wieder ins Gesicht«. Zwei Tage nach der Aufschneiderei der beiden Großmäuler wurde bekannt, daß die VR China in aller Stille Vorbereitungen zur Aufteilung der Sechser-Verhandlungen in Einzelgespräche getroffen hatte. Der US-Beauftragte für die Korea-Gespräche, Christopher Hill, gab schließlich am 31. Oktober in Peking zu, daß er bereits ein erstes »zweiseitiges Treffen« mit seinem nordkoreanischen Konterpart Kim Kye-gwan gehabt habe. Ein großer Erfolg für Nordkorea und für Pekings Außenpolitik. Asiatische Diplomatie ist zwingender als die Gorillamanieren der Herrschaften Bush, Cheney, Rumsfeld und Rice. Vielleicht gelingt es vereinten asiatischen Bemühungen sogar, Nordkorea aus dem handelspolitischen Würgegriff der USA zu befreien und Sicherheitsgarantien für Pjöngjang zu organisieren. Dafür könnte das dortige Regime gewiß auf sein Atomwaffenprogramm verzichten.
Erschienen in Ossietzky 23/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |