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Sein Gegenüber Arnulf Baring nickte geschmeichelt, wenn auch leicht verwirrt, weil Seligmann unseren Professor als Urheber dieses schönen Satzes nicht nannte, der in Heft 1 der Europäischen Sicherheit bereits 1996 erklärt hatte: »Der erforderliche Wandel im Denken und Verhalten deutscher Soldaten wird zugleich uns allen die Frage stellen, welche Werte, welche Lebensformen uns wirklich so wichtig sind, dass wir für sie notfalls zu sterben, andere in den Tod zu schicken bereit sind.« Bevor Historiker Baring das Eigentumsrecht an dieser Weisheit geltend machen konnte, stoppte Erika Steinbach den so post- wie präheroischen Diskurs mit einem verbalen Sturzbach, dem sinngemäß zu entnehmen war: So weit ist es für uns noch nicht, immer langsam. Da verkniff Baring sich die Reklamation und beharrte nicht auf seiner neuzeitgemäßen Abwandlung der griechischen Maxime vom süßen und ehrenvollen Tod fürs Vaterland. Seligmann schnalzte dazu mit der Zunge, und Spiegel- Fechtmeister Matthias Matussek schaute leicht beleidigt drein, hatte er doch eben mit Sack und Computer im Kultur-Pack sein Copyright einfordern wollen. Ich kann Professor Baring zur Aufmunterung verraten, daß seine Sterbewünsche für andere von 1996 längst tüchtige Anhänger und Verstärker gefunden haben. Der damalige Bundeswehr-Generalinspekteur Klaus Naumann hatte schon im Oktober 1995 gefordert, der deutsche Soldat müsse »auch fern der Heimat Krisen von seinem Land fernhalten, das während des Einsatzes weiter in Frieden lebt«. Deutsche Soldaten hätten Ähnliches »in diesem Jahrhundert nur zweimal vor 1945« vollbracht. Gemeint war die Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstandes und der Herero in Afrika. Wie der Spiegel vom 30.10.1995 berichtete, löste Naumanns Äußerung damals Befremden aus. Heute stieße sich keiner mehr daran. Aufstände werden, wo auch immer, niedergeschlagen wie einst unter Kaiser Wilhelm. Die Normalität hat uns eingeholt. Nur die Bundeswehrsoldaten fern der Heimat hinken dem rasenden Fortschritt etwas hinterher. Statt neue Totenköpfe zu produzieren, nutzen sie alte Knochen zur militärischen Gymnastik vor Handykameras. General Naumann und Professor Baring also ab an den Hindukusch zur Truppenbetreuung? Phönix wird berichten? Aber nein, das wäre Verschwendung deutscher Genialitäten. Frau Steinbachs Rüffel für den in Richtung Todesbereitschaft vorpreschenden Seligmann war ernst gemeint. Die Fundi-Vereinigung hatte nämlich etwas ganz Bestimmtes zu verschleiern. Genießen wir noch einmal Barings Satz von den Werten und Lebensformen, die uns wirklich so wichtig seien, »daß wir für sie notfalls zu sterben, andere in den Tod zu schicken bereit sind«. Damals interpretierte ich das nur konventionell militärisch: Der Kommandeur befiehlt seine Soldaten in den Krieg zum Sterben. Pustekuchen. Mit den in den Tod zu schickenden »anderen« sind die Feinde gemeint. Als der Historiker das 1996 so apokryph formulierte, hoffte er auf eine deutsche Atomwaffen-Teilhabe. 1957 war sie Adenauer insgeheim von Paris her offeriert worden. Daß daraus nichts wurde, bedauerte Baring am 1.7.1992 in der FAZ , denn »die geschichtliche Ruhepause, in der man uns verheißungsvoll klingende, aber folgenlose Redensarten durchgehen ließ, ist 1989 zu Ende gegangen«. Da weiß man doch, wozu die deutsche Einheit gut sein soll. Vorher war Ruhepause. Seitdem ist Krieg. Eskalation einbegriffen: Man muß andere in den Tod zu schicken bereit sein. Frau Steinbach rät, fürs erste die Katze nur stückweise aus dem Sack zu lassen. Das Volk ist immer noch zu pazifistisch. Aber seine militärbesoffenen Fundis werden ihm den rechten Marsch schon noch beibringen. Inzwischen ist die Todesbegeisterung der bourgeoisen Elite weit fortgeschritten, gleich mehrmals nachzulesen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 5. November, wo Volker Zastrow die Zukunft am Hindukusch auffordernd »eine Frage des Blutzolls« nennt und ein Frankfurter Psychiater salbadert: »Krieg ist Leben ... Wir brauchen Waffengänge, um uns von unserem ärgsten Feind zu befreien – dem Tod.« Ergo: Der Krieg befreit nicht vom Leben, sondern vom Tod. Da kotzt Freud noch aus dem Grab heraus. Tom Koenigs aber, der einst sein reiches Erbe dem Vietkong zukommen ließ, verkündet in derselben FAS : »Es braucht eine gewaltige militärische Anstrengung, um eine Niederlage zu verhindern.« Die Zeitung dazu: »Das sagt der Afghanistan-Beauftragte der UN zum Kampf für Frieden.« Soviel zum jämmerlichen Abgang jenes Teils der späten 68er, die in den frühen 70er Jahren als Putztruppe hier im Taunus herummanöverte. Dicht dabei, in Kronberg, hielt Joachim Fest später seine nationalen Stabsbesprechungen ab. Am 2. November betrauerte Lorenz Jäger in der FAZ wieder einmal, daß dem Bundeswehr-Jagdgeschwader 74 die Benennung nach dem Hitlerschen Fliegerhelden Mölders untersagt wurde. Ich bekenne ohne Reue meine Mittäterschaft bei dieser Namensliquidation, die längst überfällig war. Im Unterschied zu den neuen Schreibtischhetzern weiß unsereiner aus bitterer Selbsterfahrung, was Faschismen und Kriege sind und daß man, statt mitzumachen, beizeiten widerstehen muß. Nur als kleines Beispiel ein klarer Satz des FAZ -Lieblings Werner Mölders: »Ein gewaltiger Krieg ist im Gange, und ich bin stolz darauf, mit meinem Geschwader im Schwerpunkt der Kampfhandlung eingesetzt zu sein.« Welch schönes FAZ -Motto. Da versteht man doch gleich, weshalb die Sterbeprediger und Heldensänger von der neobourgeoisen Front so versessen sind auf diesen Prachtkerl. Es geht darum, möglichst viele Feinde abzuschießen. Und gut katholisch war er auch noch, als er in der Legion Condor für Franco flog und feuerte, bevor er für Hitler Franzosen, Engländer und Russen bekriegte.
Erschienen in Ossietzky 23/2006 |
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